Laut

549 22 6
                                    

Ja, ihr seht richtig, heute gibt es noch ein Kapitel 😊 Weil ich nächste Woche im Urlaub bin, ergibt sich das gerade ganz gut und ich will euch ja auch nicht ewig auf die Folter spannen. Es handelt sich hier um eins meiner Lieblingskapitel 😏Vielleicht schaff ich die Tage noch eins, sonst ist die nächste Woche erst einmal Pause angesagt. Viel Spaß!

Vor dem Fenster tobten die Schneeflocken.
Smilla saß vor ihrem Laptop in der Küche und versuchte aus den Zahlen, die Tobi ihr geschickt hatte, irgendwie schlau zu werden. Er hatte wieder ein Konzept aufgestellt, durch das sie Geld sparen konnten, aber Smilla konnte sich gerade überhaupt nicht konzentrieren und nichts, was sie vor sich sah, ergab irgendeinen Sinn für sie.

Felix schlief in ihrem Bett seinen Rausch aus. Mit ihm war nicht viel anzufangen. Er hatte ein unwilliges Brummen von sich gegeben, als sie vorhin aufgestanden war, das war alles. Er hatte sich nicht einmal bewegt und sein Gesicht hatte sie auch nicht gesehen, weil es in den Tiefen von Kissen und Bettdecke verschwunden war. Nur sein blonder Haarschopf hatte hervor geguckt. Aber es störte sie nicht, dass er jetzt alleine in ihrem Bett lag. Sie war ganz entspannt. Wäre er jemand anderes gewesen, hätte sie ihn aufgeweckt und rausgeschmissen. Niemand sonst hätte sie länger als zehn Minuten alleine in irgendeinem Raum ihrer Wohnung gelassen und es tat irgendwie gut, dass sie jemanden gefunden hatte, bei dem sie es konnte. Dann war sie nicht immer allein. Sie hatte zwar nichts gegen Eigenständigkeit, aber ab und zu hatte sie auch gegen Gesellschaft nichts einzuwenden und es fühlte sich gut an zu wissen, dass zwei Räume weiter jemand war, selbst wenn sie ihn nicht sehen oder hören konnte.

Lustlos klickte sie sich durch Tobis Kalkulationen. Sie überlegte schon ihn anzurufen und sich alles von ihm erklären zu lassen, als Felix müde in den Raum gestapft kam. Sie blickte auf. Er war totenblass, seine blauen Augen blutunterlaufen und man sah ihm geradezu an, dass er Kopfschmerzen hatte.
„Tablette?", fragte er heiser. Sie stand auf, holte eine Packung Ibus aus dem Schrank im Badezimmer und drückte sie ihm in die Hand. Er stand verloren in ihrer Küche, mit der Packung in der Hand und schien nicht so genau zu wissen, was der nächste Schritt war. Doch dann besann er sich, holte sich ein Glas, füllte es mit Wasser und schmiss sich zwei Tabletten ein. Smilla setzte sich wieder vor ihren Laptop. Sie würde ihn nicht ärgern. Er war erwachsen. Es war sein Bier. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er nahm gegenüber von ihr Platz und sagte eine geschlagene halbe Stunde kein Wort und Smilla versuchte weiter Tobis Konzept zu verstehen. Dann schienen die Tabletten zu wirken. Denn Felix erwachte langsam, aber sicher zum Leben.
„Sag ma... was hab ich dir gestern eigentlich alles erzählt?"
Sie blickte auf und sah ihn über den Laptop hinweg an.
„Wieso?"
„Nur so."
Sie hob die Augenbrauen.
„Nichts Wichtiges... wie viele Geschwister du hast und dass deine Familie nicht so groß ist. Aber um alle Namen aufzuzählen warst du glücklicherweise zu betrunken."
Er runzelte die Stirn und betrachtete sie eingängig.
„Wir sollten reden, Smilla."
„Schon wieder? Das gestern im Getränkelager hat mir gereicht. Ich dachte, wir sind der gleichen Meinung."
„Darum geht's nicht."
Er fasste sich an die Stirn und schwieg für einen Moment, fuhr dann mit der einen Hand angestrengt über seinen Nacken. So ganz schienen die Kopfschmerzen nicht weg zu sein. Doch er riss sich zusammen und führte das Gespräch fort.
„Ich weiß gar nichts über dich. Ich weiß nicht mal wie alt du bist."
Sie zuckte mit den Schultern.
„Achtundzwanzig."
Er nickte langsam. Ihr war klar, dass es ihm nicht darum ging. Sie klappte ihren Laptop zu und sah ihn offen an.
„Und du?"
„Dreiunddreißig."
„Das ist okay", sie lachte, „Ich dachte mir so was in der Richtung."
„Ach ja?"
„Ja."
Er zog die Augenbrauen zusammen und sie verstand nicht, wieso es ihn wütend machte.
„Was dachtest du dir denn noch so?", entgegnete er fast patzig.
„Nichts."
„Nichts?"
„Ja."
Es folgte Schweigen. Smilla begriff nicht, wohin das führen sollte.
„Wieso willst du nichts von mir wissen?", fragte er schließlich „Wieso stellst du nie Fragen? Wieso..."
Er brach ab und schüttelte den Kopf. Sie blinzelte verwirrt. War er beleidigt, weil sie nicht genügend Interesse an seiner Person zeigte? Sie beschloss, ihm ein kleines bisschen entgegen zu kommen.
„Ich würde gerne mal deine Wohnung sehen."
Er verzog das Gesicht.
„Keine gute Idee."
„Wieso?"
„Weil... Ich fühl mich da nicht so wohl."
„Wieso?"
„Keine Ahnung... hab keine Zeit die zu pflegen."
Smilla runzelte die Stirn und klappte ihren Laptop wieder auf. Das war ihr jetzt wirklich zu blöd. Sollte er doch vorher darüber nachdenken, was er mit ihr besprechen wollte und nicht so rumeiern. Felix streckte die Hand aus und klappte ihren Laptop einfach zu, sah ihr dabei direkt in die Augen.
„Kannst du jetzt ma kurz zuhören?"
Sie schob seine Hand weg und klappte den Laptop trotzig wieder auf.
„Schon gut! Wir haben jeder unser eigenes Leben. Es interessiert mich wirklich nicht wie viele Cousins du hast und wie deine Oma mütterlicherseits heißt. Ich werde dich auch nicht mit meinem Scheiß voll schwallen und wir können einfach so weiter machen wie bisher."
Demonstrativ tippte sie etwas auf ihrem Laptop. Eine Mail an Tobi. Dass sie keine Ahnung hatte, was seine Zahlen ihr sagen sollten, dass er entweder irgendwo einen Fehler gemacht hatte, oder dass sie zu blöd war, es zu verstehen. Als sie fertig war und aufblickte, saß Felix da und starrte sie an.
„Willst du mir noch irgendetwas sagen?", fragte sie.
„Ich hab doch gesagt, dass ich dich nicht bedrängen werde", sagte er ruhig, „Dass ich auch nix Festes will. Ich merk', wenn du dich...frei strampelst, ich bin nicht blöd. Und wenn ich gerade etwas überhaupt nicht gebrauchen kann, dann ist das ne Freundin. Aber ich verstehe nicht, wie du mich so auf Abstand halten kannst. Ich meine, wir haben seit fast vier Monaten Sex."
„Ich will einfach nur meinen Freiraum."
„Und das beinhaltet, dass du nicht wissen willst, wie ich lebe, oder was?"
„Ich hab doch gesagt, dass ich deine Wohnung sehen will."
„Das mein ich nicht, man!"
Smilla hob die Augenbrauen, als er die Stimme erhob. Sie würde sich nicht anschreien lassen. Von keinem Mann der Welt. Auch nicht von diesem.
„Wenn du dich nicht zusammenreißt, dann schmeiß ich dich raus."
Er wandte den Blick ab. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Er sagte nichts mehr. Smilla wartete, bis ihr Bruder ihr antwortete. Zwei kleine Sätze von Tobi reichten, damit sie seine Kalkulation verstand. Sie rechnete alles selber noch einmal durch und schrieb ihm dann, dass sie einverstanden damit war. Felix saß die ganze Zeit da und sagte gar nichts.

Nachtleben [Felix Lobrecht FF]Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora