Alte Zeiten

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Smilla spülte Gläser. Verbissen. Energisch. Sie versuchte sich durch die gleichmäßige Bewegung abzulenken, versuchte nicht daran zu denken, dass Julian hier war, versuchte nicht daran zu denken warum er hier war. Aber wahrscheinlich war es ihm einfach scheißegal. Wahrscheinlich hatte er heute einfach Bock gehabt ins Eden zu gehen und es hatte ihn nicht interessiert, dass sie hier sein würde. Konnte er ja auch. Im Grunde hatte er nichts mit der Sache zu tun. Im Grunde war es sein Ding. Im Grunde könnte es ihr genauso egal sein. Das war es aber leider nicht. Sie hatte seine Gesellschaft nur noch kurz ertragen, danach war sie aufgestanden und hatte ihn sitzen gelassen. Sie musste schließlich arbeiten.
Tobi zwängte sich an ihr vorbei und klopfte ihr dabei auf den Rücken.
„Hab Julian vorhin gesehen."
Sie starrte in das Spülbecken. Seine Stimme hatte gleichgültig geklungen, so als interessierte es ihn gar nicht, aber ihr war klar, dass er nur so tat.
„Hmm", brummte sie. Er angelte zwei Gläser aus dem Regal und schob sich wieder an ihr vorbei.
„Der war lange nicht mehr hier."
„Ja", antwortete sie knapp.
Tobi seufzte, stellte die Gläser ab und legte den Arm um sie.
„Und? War er böse zu dir? Soll der große Bruder schimpfen gehen?"
Sie schüttelte ihn unwillig ab.
„Ha ha... mir macht es nicht aus, dass er da ist."
„Wieso sollte es auch... ist ja nur Julian... will dich sehen, wenn Felix hier wäre."
Tobi ließ sie stehen und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
„Na, die Migräne scheint ja vorbei zu sein", knurrte Smilla und warf einen vorsichtigen Blick über die Bar, in die Ecke, wo Julian saß. Er hatte seinen Spaß. Und er hatte Recht. Die Fragen brannten geradezu auf ihrer Zunge. Aber sie würde sie nicht stellen, denn er würde es Felix erzählen. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche und sie wollte nichts weniger, als dass er wusste, dass sie sehr wohl vor Liebeskummer umkam. Scheinbar konnte sie das aber ganz gut verbergen und das war ja schon mal ein Anfang. Sie grinste grimmig und tauchte das nächste Glas ins Spülwasser. Es dauerte nicht lange bis Julian an der Bar auftauchte. Er lehnte sich an den Tresen und schaffte es, Cleo kurz in ein Gespräch zu verwickeln. Sie lachte. Er grinste. Der Lobrecht'sche Charme. Smilla musste gegen ihren Willen schmunzeln. Doch da Cleo ihn nun auch schon eine Weile kannte, schaffte sie es sich loszureißen, indem sie ihm ein Bier unter die Nase stellte. Er bedankte sich und warf einen kurzen Blick zu Smilla, die noch immer hinter dem Spülbecken stand.

Um fünf Uhr morgens ging im Eden das Licht an und der DJ legte Rausschmeißmusik auf, meistens irgendein Kinderlied. Ein paar Hartnäckige ließen sich von dem Licht nämlich nicht abschrecken. So war es auch heute und Smilla war nicht überrascht, Julian und seine Freunde unter den verbleibenden Gästen zu sehen. Er stand mit ein paar vereinzelten Menschen auf der vereinsamten Tanzfläche und unterhielt sich mit zwei Frauen. Smilla kam gerade von ihrem letzten Toilettencheck wieder und musste unweigerlich an ihm vorbei. Er lächelte ihr zu und ließ die beiden Frauen stehen.
„Hey, warte mal."
Seufzend drehte sie sich um. Er grinste. Seine Augen waren ein wenig rot und sie roch das Bier, das er getrunken hatte. Ansonsten hatte der Alkohol keine Spuren hinterlassen.
„Lass uns noch einen trinken, hm?"
„Ich muss aufräumen."
„Ach komm schon, einfach auf die alten Zeiten."
Smilla sah nervös in Richtung Bar und Tobi blickte genau in ihre Richtung. Sie grinste, als ihr klar wurde, dass er sie im Auge behalten hatte, dass er wohl selber nicht wusste, was er davon halten sollte, dass Julian hier war. Tobi hob fragend die Augenbrauen, doch über diese Distanz konnte Smilla unmöglich mit ihm kommunizieren.
„Warte hier."
Dann ging sie zielstrebig auf die Bar zu und legte ihre Arme auf den Tresen. Tobi beugte sich zu ihr vor.
„Was ist los?"
„Er will einen mit mir trinken. Ist das okay, wenn ihr alleine aufräumt?"
„Klar. Ich bin heute ja sowieso viel zu spät gekommen."
Er runzelte die Stirn und sah sie mit einem seltsamen Blick an, den sie zuerst nicht deuten konnte.
"Was?"
Er atmete hörbar aus.
„Ich will dir echt nicht reinreden, aber fang nichts mit ihm an, okay? Er ist der Bruder von deinem Ex. So was geht immer schief. Auch wenn du glaubst, dass du nur Spaß haben willst. Es wird kein Spaß sein."
Sie verzog das Gesicht und sah ihren Bruder entsetzt an. Er mischte sich normalerweise wirklich nicht ein und irgendwie war sie beleidigt, dass er glaubte, sie wollte mit Julian einen trinken, um sich mit ihm zu trösten.
Tobi sah sie bewegungslos an.
„Ich sag's ja nur."
Sie winkte kommentarlos ab und sah sich nach Julian um. Der stand noch immer auf der Tanzfläche, unterhielt sich wieder mit den beiden Frauen. Tobi machte ihr zwei Bier auf und gab sie ihr. Wortlos nahm sie die Flaschen entgegen und kehrte ihm dann den Rücken. Julian schien fast erleichtert zu sein, als er sie kommen sah.
„Lass uns raus gehen", schlug er vor, „Dann können wir eine rauchen."
Dass sie sich auch den Arsch abfrieren würden, erwähnte sie nicht, denn sie hatte selbst wenig gegen eine Zigarette einzuwenden.

Nachtleben [Felix Lobrecht FF]Where stories live. Discover now