Irgendwann

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Tobi saß schweigend auf seiner Couch im Wohnzimmer und massierte sich die Schläfen. Smilla sah ihn teilnahmslos von der Seite an. Er war so furchtbar gestresst in letzter Zeit, es war kaum auszuhalten. Ihr war klar, dass es auch an ihr lag, an ihrer schlechten Laune und an ihrem Liebeskummer, nicht nur am Eden. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Sie konnte nicht mit einem Lächeln durch die Gegend laufen, wenn es ihr in Wahrheit so schlecht ging.
Sie hörten Cleo in der Küche werkeln. Sie hatte sich schon vor einer halben Stunde verzogen, weil die Stimmung zwischen den Geschwistern extrem angespannt gewesen war. Smilla konnte nicht genau sagen warum. Eigentlich war Tobi ihr in letzter Zeit viel näher als jemals zuvor, weil sie das Gefühl hatte, dass er sie tatsächlich verstand. Doch da sie beide gereizt und gestresst waren, war es schwierig nett zu bleiben und sich nicht anzufauchen. Tobi fuhr mit dem Zeigefinger über seine linke Gesichtshälfte.
„Taub", sagte er. Smilla seufzte schwer.
„Vielleicht solltest du dann schon mal 'ne Tablette nehmen?"
Er nickte nur, machte aber keine Anstalten aufzustehen und ihrem Vorschlag nachzukommen. Stattdessen ließ er sich seufzend nach hinten fallen und starrte an die Decke.
„Was meinst du? Sollte ich Cleo heiraten?"
Sie runzelte die Stirn.
„Heiraten? Seit wann stehst du denn auf so was?"
Er zuckte unwillig mit den Schultern. Seine Augen irrten unruhig umher, während er mit der Hand seine linke Gesichtshälfte massierte, als könnte er sie so wieder zum Leben erwecken.
„Keine Ahnung... vielleicht, seit ich denke, dass ich für immer mit ihr zusammenbleiben werde?"
Sie starrte ihn an, als wäre er ein Fremder. So etwas wie Heiraten hatte für ihn nie zur Debatte gestanden. Er war zwar immer anders als Smilla gewesen, was Beziehungen anging, hatte stets die Nähe und Geborgenheit von einer Frau gesucht und sich auch jedes Mal ordentlich in seine Freundinnen verknallt, aber er hatte sie irgendwann immer ausgetauscht, hatte Beziehungsprobleme nicht bewältigt, sondern war ihnen aus dem Weg gegangen. Sollte das jetzt wirklich anders sein?
„Ich glaube nicht an die Ehe", sagte Smilla mit fester Stimme, „Ich meine, sieh dir unsere Eltern an...Es gibt auch so viele Frauen da draußen. Was machst du, wenn du morgen eine triffst, die dir besser gefällt und dann hast du leider einen Ring am Finger? Willst du Cleo dann betrügen? Oder dich einfach wieder scheiden lassen?"
Ein Räuspern ertönte von der Wohnzimmertür. Smilla blickte irritiert auf und sah Cleo mit verschränkten Armen in der Tür stehen.
„Kannst du mich wirklich so wenig leiden, dass es dich so sehr stört, dass wir zusammen sind?"
Smilla spannte sich an und sah kurz zu Tobi, der einfach nur vollkommen resigniert drein blickte.
„Nein...von allen seinen Freundinnen kann ich dich sogar am besten leiden", sie zog eine Grimasse, „Ich glaube einfach nicht an für immer."
„Und?", hakte Cleo bissig nach, „Hat das irgendwas mit meiner und Tobis Beziehung zu tun?"
„Nein", sagte Smilla resigniert und lehnte sich neben Tobi gegen die Rückenlehne. Cleo musterte sie kritisch.
„Ihr seid beide so kaputt... ich reiß mir den Arsch auf, um euch mit dem Eden zu helfen, und alles, was ich dafür ernte, ist Misstrauen und Sticheleien. Ich kümmere mich um Tobi, wenn es ihm beschissen geht und dafür kann ich mich dann jeden Tag von ihm anschnauzen lassen, weil er permanent schlechte Laune hat."
Tobi seufzte theatralisch.
„Man, Cleo... jetzt mach keinen Stress."
Sie verzog den Mund. Ihre Augen blitzten wütend. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ den Raum. Smilla hob die Augenbrauen.
„Habt ihr Streit? Willst du sie deswegen heiraten?"
„Wir haben keinen Streit!", motzte Tobi,
„Jedenfalls nicht mehr, als andere Paare auch. Vielleicht solltest du einfach mal dein Privatleben auf die Reihe kriegen, dann ist auch im Eden alles entspannter!"
Smilla öffnete empört den Mund. Er starrte sie an. Einen Moment lang herrschte Stille. Dann stritten sie sich, wie sich nur Geschwister streiten konnten. Mit gegenseitigen albernen Schuldzuweisungen und lauten Stimmen. Am Ende brüllten sie beide. Dann bekam Tobi Kopfschmerzen und Smilla ein schlechtes Gewissen. Trotzdem haute sie ab und knallte die Wohnungstür heftig hinter sich zu. Sollte Cleo sich doch im Tobis Kopf kümmern. Sollte Cleo ihren Bruder doch einfach ganz in Beschlag nehmen, das tat sie doch sonst auch immer.

Nachtleben [Felix Lobrecht FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt