Begegnungen

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Der Himmel war schwarz. Auf der Straße glitzerte es. Es hatte geschneit heute Nacht, das erste Mal in diesem Jahr. Smilla zog lächelnd an ihrer Zigarette und blickte in den Himmel. Durch die offene Tür des Eden drang leise die Musik nach draußen. Die Arbeit rief, aber sie genoss ihre Raucherpause, es war bereits halb vier. Nicht mehr lange und sie würde nach Hause gehen können, würde durch den frischen Schnee stapfen und dann wie ein Stein ins Bett fallen. Sie warf ihre Zigarette weg, die zischend im Schnee verglühte. Dann drehte sie sich um und ging an Kalle vorbei nach drinnen, joggte die Treppen hinunter und wollte sich wieder in die Arbeit stürzen. Weit kam sie allerdings nicht, denn auf halbem Weg kam ihr Phil entgegen. Er hatte damals mit Tobi das Eden aufgemacht. Vor neun Jahren. Doch er war schon direkt zu Anfang wieder aus dem Projekt ausgestiegen, Freunde waren die beiden trotzdem geblieben. Er grinste, als er sie sah und begrüßte sie mit einer Umarmung. Sie ließ es über sich ergehen und löste sich ein wenig unangenehm berührt wieder von ihm. Vor zwei Wochen war er auch hier gewesen. Danach hatte sie ihn mit nach Hause genommen und sie hatten sich ziemlich gründlich kennen gelernt. Er hatte ihr seitdem sechs Nachrichten geschrieben. Sie hatte sie gezählt. Bei der vierten hatte sie geantwortet, auf seine Frage, wann sie sich wieder sehen würden. Sie hätte keine Zeit, hatte sie geschrieben, nur scheinbar schreckte ihn das nicht ab. Er war einfach hierhergekommen. Sie deutete mit einer gelangweilten Handbewegung in Richtung Bar.
„Ich muss... Tobi, er braucht meine Hilfe."
Phil sah sie unbeeindruckt an
„Er wird ja wohl zwei Minuten ohne dich auskommen."
„Das schon, aber die zwei Minuten habe ich schon für die Zigarettenpause verschwendet", sie zuckte mit den Schultern „Sorry."
Dann schob sie ihn zur Seite und ging zielstrebig auf Tobi zu, verdrehte dabei die Augen. Phil war doch selber Schuld. Er hatte sie angegraben. Nicht sie ihn. Und wenn er nicht damit klar kam, dass es eine einmalige Sache gewesen war, dann war es ihr auch egal. Tobi empfing sie mit einem seltsamen Blick, aber er sagte nichts. Sie zog eine Grimasse und nahm ihm das Handtuch ab, mit dem er gerade ein Glas abtrocknete, um seine Arbeit selbst fortzuführen.
„Kannst Pinkelpause machen."
Er ließ sie stehen und ging tatsächlich in Richtung Toilette. Auf halbem Weg dorthin traf er auf Phil und wechselte ein paar kurze Worte mit ihm. Ihr entging nicht, dass sie zwischendurch in ihre Richtung sahen, aber es war ihr egal. Die meisten Männer waren ihr egal. Nur Tobi nicht. Aber der war ja auch ihr Bruder, den musste sie lieb haben. Sie seufzte schwer und erwiderte Cleos amüsierten Blick, die sie von der Seite ansah. Cleo lachte kurz und strich ihr über den Oberarm.
„Schon gut, ich verurteile dich bestimmt nicht."
Smilla musste automatisch grinsen und blickte in die Menge. Phil war nicht mehr zu sehen, auch Tobi war verschwunden. Wahrscheinlich war er auf die Toilette gegangen.

Die nächsten Minuten wurden der pure Horror. Eine Gruppe vollkommen besoffener Studenten wollte Bier bestellen. Jede Menge Bier. Alle redeten durcheinander, während Smilla und Cleo ein Bier nach dem anderen öffneten und gleichzeitig versuchten abzurechnen. Ob am Ende wirklich jeder bezahlt hatte, wussten sie nicht, aber Smilla war einfach nur erleichtert, als die Gruppe in Richtung Tanzfläche zog und es wieder ein wenig ruhiger wurde. Sie warf einen Blick in Richtung Eingang und sah Tobi kommen. Er wirkte ein wenig gestresst. Seine Stirn lag in Falten.
„Was ist los?", fragte sie.
„Ach, draußen stehen zwei Typen und machen nen Lauten. Wollte gerade Kurt Bescheid geben, der soll hier irgendwo rumlaufen. Hast du ihn gesehen?" Kurt war der zweite Türsteher vom Eden, volltattowiert und mit einem rasierten Iro und gleichzeitig einer der herzlichsten Menschen, den sie kannte, wenn er nicht gerade bei der Arbeit war.
„Nee, sorry. Ich kann mal gucken gehen."
Tobi nickte.
„Ich bin kurz im Büro."
Smilla checkte kurz die Lage an der Bar, es waren aber alle versorgt und Cleo beim Spülen, also sagte sie ihr kurz Bescheid und suchte den Club nach Kurt ab, ging dabei am Eingang vorbei und sah oben die zwei Typen stehen und wie einer von beiden auf Kalle einredete. Der wiederum sah ziemlich unbeeindruckt aus und schob ihn bestimmend zur Seite, während der Gast mit bösem Blick weiterredete, obwohl er definitiv den Kürzeren zog. Er ging dem Türsteher höchstens bis zur Schulter. Sein Begleiter stand bereits etwas abseits und bugsierte seinen Freund schließlich weg vom Geschehen, sodass sie einige Augenblicke später nicht mehr zu sehen waren. Als sie sich bei Kalle erkundigte, ob er Hilfe bräuchte, winkte der nur ab und wandte sich einer Mädelstruppe zu, die anscheinend zu einem Junggesellinnenabschied gehörten.

Nachtleben [Felix Lobrecht FF]Where stories live. Discover now