Rotwein

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Es war halb zehn und die Sonne war aufgegangen. Felix stand am offenen Fenster und schmiss seine Zigarette hinaus, sie stand mit einem Weinglas in der Hand mit etwas Abstand hinter ihm. Sie hatte nur noch Wein gehabt, aber der schmeckte dafür ganz besonders gut. Ihre Mutter hatte ihn ihr bei ihrem letzten Besuch mitgebracht. Und ihre Mutter fände es mit Sicherheit nicht toll, wenn sie wüsste, dass ihre Tochter den teuren Tropfen ausgerechnet dann aufmachte, wenn sie einen fremden Mann mit nach Hause schleppte, der noch nicht einmal besonders umgänglich war.
Sie nahm einen großen Schluck von dem Rotwein. Der Geschmack lag lange auf der Zunge und füllte den Mund ganz aus. Felix drehte sich zu ihr um. Er hatte schon wieder das Drehzeug in der Hand, so als wollte er sich direkt die nächste anzünden, aber er tat es nicht. Er ließ die Hand wieder sinken, legte die eingewickelte kleine Verpackung auf dem Fensterbrett ab.
Sie wusste nicht so genau, was sie mit ihm anfangen sollte, wieso sie ihn mitgenommen hatte und wieso er mitgekommen war. Am Ende hatten sich mit ihren Sticheleien aber gegenseitig so hochgeschaukelt, dass ihr gar nichts anders übrig geblieben war, als ihn zu fragen, nur um ihr Gesicht nicht zu verlieren. Es war eine seltsame Anziehung zwischen ihnen gewesen.

Felix streckte langsam seine Hand aus, griff nach ihrem Weinglas und berührte dabei ihre Finger. Sie sah ihn an. Er sah zurück. Sie beschloss, dass es besser war, wenn sie nicht sprachen. Das hatte schon in der Kneipe nirgendwohin geführt. Er war wortkarg und er ließ sich nicht auf Argumente ein. Das Glas glitt aus ihren Fingern in seine Hand. Dann stellte er den Wein auf die Fensterbank, neben den Tabak und die Blättchen. Er ging auf sie zu, einen Schritt brauchte er nur. Sie sah zu ihm hoch und spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog.
Das war es doch, so funktionierte es doch. Trotzdem konnte sie nicht ruhig sein. Er legte eine Hand an ihre Wange, strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Stumm. Routiniert. So als wüsste er genau wie es ging. Dann beugte er sich zu ihr hinunter. Es war okay. Sie kannte keine Romantik. Sie mochte auch überhaupt keine Romantik. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und als er sie küsste, begrüßte sie seine Lippen und seine Zunge. Er war nicht zimperlich. Und er küsste gut. Zumindest schien er zu verstehen, was sie wollte und er sabberte nicht. Er zog sie an sich. Nein, er machte das nicht zum ersten Mal. Ganz bestimmt nicht. Und nett hatte er dafür scheinbar auch nie sein müssen. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht, spürte leichte Bartstoppeln, seine Haut, seine Hände an ihren Hüften. Es passte. Es fühlte sich gut an. Und so zog sie ihn wenig später in ihr Schlafzimmer und auf ihr Bett. Sie legten sich übereinander, sahen sich an. Sein Blick war lüstern, seine Hände forsch. Sie verschwanden unter ihrem Top und sie schloss die Augen. Er küsste sie wieder. Sie hörte ihren eigenen Atem und hörte seinen Atem und alles verschmolz miteinander. Sie wusste, dass es gut werden würde. Vielleicht konnten sie nicht gut miteinander reden, aber das hier, das konnten sie, da schienen sie perfekt zusammenzupassen. Sie kicherte zwischendurch, wenn sein Atem sie kitzelte, oder als seine Hand unter ihren BH rutschte. Es schien ihn zu irritieren, denn irgendwann löste er den Kuss und sah sie mit zusammen gezogenen Augenbrauen an.
„Warum lachst du?"
Sie kicherte wieder.
„Warum nicht?"
Er küsste sie auf die Lippen. Als wollte er testen, wie sie reagierte. Er wich zurück und sah sie fragend an. Sie musste doch wieder lachen, weil er so griesgrämig aussah. Dann winkte sie ab.
„Ich hör ja schon auf!"
„Ja, bitte."
Er küsste sie wieder. Sie grinste gegen seine Lippen und tat es ihm gleich, schob seinen Pullover ein Stück hoch und ließ ihre Hände darunter gleiten. Sie mochte es, wie er sich anfühlte. Sie vertiefte sich ganz in das Geschehen, in die Nähe zwischen ihnen und vergaß alles um sich herum. Er schien das gleiche Tempo wie sie zu bevorzugen, was alles irgendwie leichter machte. Und als er nackt über ihr lag und fordernd ihre Beine auseinanderschob, da hatte sie fast vergessen, dass sie ihn eigentlich gar nicht kannte.

Nachtleben [Felix Lobrecht FF]Kde žijí příběhy. Začni objevovat