Termine

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Tobi saß breitbeinig auf seinem Schreibtisch und blätterte angestrengt in einem Ordner herum. Smilla und Cleo standen genervt da und warteten eine halbe Ewigkeit, bis der werte Herr endlich gefunden hatte, was er suchte. Triumphierend zog er ein Blatt aus dem Ordner und hielt es Smilla entgegen.
„Hier! Das ist die letzte Stromrechnung. Die haben uns eindeutig eine Rückzahlung angegeben, aber bis heute ist nichts angekommen!"
Smilla hob die Augenbrauen und überflog die Zahlen, reichte das Blatt dann Cleo weiter.
„Bist du sicher? Vielleicht zahlst du den Strom über dein Privatkonto?"
Das konnte durchaus sein, denn als Tobi den Laden aufgemacht hatte, hatte er vieles einfach nur angemeldet und von seinem eigenen Konto bezahlt, bis er eines für das Eden eingerichtet hatte.
„Natürlich bin ich mir sicher, die schulden uns noch ordentlich Geld. Davon können wir dann vielleicht die Toiletten streichen. Die haben's nämlich mal wieder nötig."
Cleo seufzte schwer und reichte Tobi das Blatt zurück.
„An dir ist ein Konzernchef verloren gegangen."
Tobi grinste stolz und sprang vom Schreibtisch herunter.
„Na dann! Ran an die Arbeit, Mädels!"
„Warte mal", sagte Smilla hastig. Er blieb stehen und sah sie fragend an. Cleo, die schon in der Tür stand, hielt ebenfalls inne. Smilla sah nervös in ihre Richtung, dann wieder zu ihrem Bruder.
„Hättet ihr vielleicht am Sonntag Zeit? Weil ich...", sie räusperte sich, „Felix und ich würden gerne mit euch essen gehen."
Tobi sah sie bewegungslos an. Ihre Worte schienen nicht bei ihm angekommen zu sein.
Dafür aber bei Cleo, denn die ging mit hastigen Schritten zurück in den Raum, stellte sich dicht neben Smilla und grinste breit in Tobis Richtung, „Sie will uns ihren Freund vorstellen! Hast du das gehört? Wie süß ist das denn?"
Smilla drehte ihr langsam den Blick zu und zog eine Grimasse. Cleo kicherte.
„Natürlich haben wir Zeit", fuhr sie fort und nickte bestätigend, „Das wird super! Ich kann's kaum erwarten ihn richtig kennen zu lernen!"
Tobi hustete.
„Okay", sagte er langgezogen und auffällig zu Cleo, um sie in ihrer Euphorie zu bremsen, dann wandte er sich Smilla zu, „Sonntag lässt sich machen. Sucht euch was aus und sagt uns dann Bescheid."
Smilla nickte. Tobi schob Cleo aus dem Büro und ließ sie ein wenig verdattert zurück. Dass Cleo so reagieren würde, hatte sie sich gedacht. Von Tobi hatte sie allerdings etwas anderes erwartet, auch wenn sie nicht so genau wusste, was. Vielleicht, dass er ihr sagte, dass er so erleichtert wäre, dass sie endlich einen Freund hätte oder sowas und sie war froh, dass er es nicht getan hatte, dass er einfach so tat, als wäre das alles ganz normal. Und im Grunde war es das doch auch, oder?

Felix holte sie um sechs Uhr ab. Er hatte keine Lust hochzukommen und rief sie auf dem Handy an. Sie steckte sich noch die Ohrringe an, schlüpfte in ihre Schuhe und hastete hinunter. Sie hatte sich bemüht, nicht allzu aufgebrezelt auszusehen, damit Tobi und Cleo nicht dachten, sie wäre angespannt, aber ein wenig schick gemacht hatte sie sich trotzdem. Felix parkte direkt vor der Haustür. Sie riss die Beifahrertür auf und ließ sich auf den Sitz fallen, er hatte noch sein Handy in der Hand, legte es dann aber in die Mittelkonsole. Dann scannte er sie einmal von oben bis unten ab. Sie spürte direkt, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
„Siehst gut aus.", stellte er fest sie sah etwas in seinem Blick, was sie sonst von woanders her kannte.
Sie grinste nur und dachte gar nicht daran, das Kompliment zurück zu geben, während sie sich anschnallte.
„Fahr los!"
„Ey. Du kannst mich erst mal richtig begrüßen hier. Wer bin ick denn, der Chauffeur oder was?"
Sie hob den Blick und sah in Felix' erwartungsvolles Gesicht. Es war seine Art, so aus ihr etwas herauszulocken, was sonst wahrscheinlich ganz normal, für sie aber bis vor kurzem noch völliges Neuland war. Manchmal kam sie sich sogar richtig bescheuert vor, weil sie all diese Gesten eher als völlig übertrieben, als selbstverständlich angesehen hatte. Aber Felix nahm es ihr nicht übel, hatte Geduld und schien kein Problem damit zu haben, dass sie ihm zumindest nicht sofort um den Hals fiel, wenn sie sich sahen. Sie atmete theatralisch aus und beugte sich dann zu ihm, wollte ihm absichtlich nur einen kurzen Kuss geben. Seine Lippen fühlten sich weich und warm an und sie musste ihre Entscheidung nach ein paar Sekunden revidieren, weil er seine Hand unter ihre offenen, dunkelblonden Haare bis in ihren Nacken schob und sie dort sanft, aber bestimmt, festhielt, während sich ihre Lippen immer wieder trafen. Auf ihrem Gesicht breitete sich automatisch ein Lächeln aus und sie spürte, wie auch Felix in ihren Kuss hineingrinste. Ihre gesamte Magengegend hatte sich zusammengezogen und sie fühlte ihr Blut durch die Halsschlagader rauschen, war sich sicher, dass die Innentemperatur im Auto um einige Grad gestiegen sein musste.
Als sie sich voneinander lösten, lehnte sich zufrieden zurück. Alles war gut. Sie hatte die letzte Zeit ohne Panikattacken, weil sie sich auf so etwas wie eine Beziehung eingelassen hatte, überstanden. Er hatte nicht angefangen, sie auf einmal jeden Tag anzurufen und er fragte sie nicht plötzlich über Verflossene aus. Es schien fast perfekt. Perfekt für Smilla jedenfalls.

Nachtleben [Felix Lobrecht FF]Where stories live. Discover now