Auch tote Fische können sterben

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Y/N POV

Ich lag ganz still da, wie ein toter Fisch, der mit dem Bauch noch oben im Brackwasser treibt. Der modrige Geruch in meinem Verließ passte dazu. Ich starrte an die Decke. Die grelle Leuchtstofflampe über mir, die mit ihrem hässlich kaltweißem Licht auf mich herabschien, störte mich zum aller ersten Mal nicht. Nicht im Geringsten.

Es war nicht so, dass ich sie nicht bemerkte, es war mir nur im Moment vollkommen egal. Absolut nebensächlich, denn ich war einfach noch zu geschockt.

Geschockt von meinem Erlebnis nur wenige Minuten zuvor und vorallem geschockt von der Erkenntnis, die ich daraus gezogen hatte.

Denn ich hatte wirklich etwas verstanden gehabt. Richtig verstanden. Nicht nur mit dem Kopf, sondern mit jeder Zelle meines Körpers.

Sie konnten mich töten, jederzeit, und zwar ganz easy, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Und nicht nur der Wolftyp, sondern jeder von ihnen.

Gott, wo bin ich hier nur rein geraten?

Ich hatte immer geglaubt, wirklich krass schlimme Dinge passieren guten Menschen einfach nicht und Unfälle träfen eher ältere Menschen. Durch den Unfall meiner Eltern, hatte diese Sicht der Dinge zugegeben schon einen ganz schönen Riss abbekommen. Das schöne Bild war damals im ersten Moment sogar komplett auseinander gefallen. Aber ich hatte alle Teile wieder mühsam aufgesammelt und nach und nach wieder vorsichtig zusammen gesetzt. Das Bild war zwar beschädigt, aber ich hatte diese Sichtweise trotzdem nicht abgelegt, schließlich war es auch ein Trost für mich. Hieß es doch, dass es auch wieder besser werden würde, besser werden müsste..., oder?

Wie konnte ich nur so bescheuert sein. Ich schüttelte leicht den Kopf und dabei wurde es nass auf meinen Wangen. Ich hatte vorher gar nicht bemerkt, dass ich Tränen in den Augen gehabt hatte.

Alles ergab plötzlich ein anderes Bild.

Ich meine, ich wusste vorher schon, dass meine Lage nicht gut war, ich bin ja nicht blöd, aber ich hatte irgendwie nicht wirklich geglaubt , dass sie mich töten könnten, ich hatte mich geweigert, so weit zu denken, aber nun war mir klar, dass das vollkommen naiv und realitätsfern gewesen war.

Ich glaube, mir war noch nie vorher im Leben etwas so klar geworden.

Schöner Mist. Warum bekomme ich jetzt bei so erschreckenden Dingen den Durchblick und nicht damals in der  Schule, als wir in Bio den Zitronensäurezyklus behandelt haben oder in Chemie die ganzen chemischen Gleichungen und Formeln aufstellen sollten? Das hatte ich nie gecheckt. Dafür lieg ich nun hier und begreife zum ersten Mal in meinem Leben, dass der Tod wirklich ausnahmslos JEDEN treffen kann und zwar oft schneller, als man vorher immer dachte.

 Schöne Scheiße.

Ich will zurück, zurück zur Uni, zurück in mein Leben, zurück zu Bounty, zurück zu meinen Freundinnen , zurück zu meinem Bruder und zu meiner Schwester und zurück in meine Naivität.

Beim Gedanken an meine Schwester  spüre ich ein sanftes Ziehen in meinem Hinterkopf und ich bekomme eine leise Ahnung, es ist wie eine Erinnerung an ein zartes Gefühl von Zuversicht. Ja, ich wollte zu meiner Schwester reisen, ich hatte gehofft, dort die letzten grauen Schleier abwerfen zu können und wieder richtig glücklich werden zu können. Es sollte ein Neuanfang werden.

Stattdessen würde ich mich wohl damit abfinden müssen, sie nie wieder zu sehen, genauso wie meinen Bruder. Statt einem Neu-Anfang also ein Neu-Ende.

Ein Ende, das schneller da ist, als ich je geglaubt hatte.

Schöne Scheiße.

Meine Gedanken kreisten, sie kreisten von Fischen zu Zitronen, zur Schule und zur Uni und blieben schließlich an meinem Bruder hängen. Bevor ich komplett durchdrehte, hielt ich mich an ihm fest.

Hoseok, wo bist du denn?

Jetzt kann ich ihm noch nicht mal mehr schreiben. Ich hatte mein Handy mitsamt dem Rucksack ja in diesen Knacksbeerenstrauch geschmissen, aber das war egal, sie hätten es mir ja eh abgenommen.

Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so alleine gefühlt. Die Tränen liefen mir jetzt in Sturzbächen von den Wangen und ich verschluckte mich fast an ihnen, da ich immer noch auf dem Bett auf dem Rücken lag.

Wenn ich die Wahl habe, ersticke ich lieber an meinen eigenen Tränen als vom Wolftyp erwürgt zu werden. So.

Ich schluchze ungehemmt und schließe die Augen.

Und plötzlich kommt der nächste Schock. Jungkook. Ich weiß nicht, ob es die Trauer, die Einsamkeit oder tatsächlich der Fakt ist, dass ich hier drinnen meinen Verstand verliere, aber ich erinnere mich plötzlich an Jungkook, in einer Intensität, wie ich es vorher nicht für möglich gehalten hätte. Ich konnte förmlich wieder spüren, wie seine Finger sanft über meine Wange strichen und ich sah wieder vor mir, wie er sich über mich beugte und meinen Lippen so nah kam.

Ich strich mir energisch mit den Handrücken über das Gesicht und schüttelte den Kopf um diese Bilder und Gedanken abzuschütteln. Was war denn nur los mit mir? Jungkook hatte Prof. Seong getötet. Er war keinen Deut besser als der Wolftyp. Er war genauso gefährlich. Aber warum hatte ich mich bei ihm dann viel sicherer gefühlt? Ha! Hatte ich das? Ich wusste, da gab es auch ganz andere Momente, aber irgendwie war es trotzdem schwer mich jetzt daran zu erinnern...

'Y/N du wirst wirklich verrückt.' schalt ich mich selbst. 'Reiss dich zusammen und geh zurück zu dem Plan, an deinen eigenen Tränen zu ersticken. Das könnte immerhin eine Lösung für die ganze Scheiße sein.'

My mafia saviour (bts, ateez)Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu