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(Aylins Sicht)

Mittwoch: 17.11.2021, 10:06 

Mit höllischen Schmerzen an meinem Fuß und pochendem Schädel steige ich aus dem Bett. Jedes noch so kleinste Geräusch fühlt sich an als würde mir jemand gegen mein Kopf hämmern. Gott sei Dank waren die anderen noch am Schlafen und es gibt keinen krach, sonst würde ich sterben. Mit verzehrtem Gesicht humpele ich zu meinen Klamotten, welche ich seit einigen Tagen trage. Bald muss ich zu Emir und meine ganzen Sachen ab holen, wenn er sie nicht schon verbrannt oder verkauft hat. Ich ziehe mich an und verziehe jedes Mal das Gesicht sobald ich mit dem verletzten Fuß auftrete. Heute musste ich auf jeden Fall zum Arzt gehen und es untersuchen lassen. Aber als erstes muss ich was kleines Essen, wie auf Kommando knurrt mein Bauch, also gehe ich in die Küche und mach mir ein Sandwich.

Leise um die anderen nicht zu wecken, schlüpfe ich in meine Schuhe und verlasse die Wohnung. Mit viel Mühe schaffe ich es zum Fahrstuhl zu humpeln. Als ich diesen betrete fallen mir direkt die Bilder von Gestern ein, als Raphael mich nachhause trug. Er kümmerte sich sehr liebevoll um mich und meine Verletzung. Er trug mich nicht nur von der Disco zum Auto, sondern sogar bis in mein Zimmer. Er verhielt sich genauso verantwortungsvoll und beschützerrisch wie am ersten Tag als wir uns an der Tankstelle trafen. Ich seufze verzweifelt, er hat ja Adriana und sie sahen eigentlich sehr glücklich aus. 

Ich bemerkte erst nach einigen Sekunden, das ich bereits im Erdgeschoss angekommen war als jemand die Türen mit seiner Hand offen hält. "Kannst du wieder laufen?" fragt mich der Mann, welcher grad noch in meinen Gedanken spukte. "Naja, geht so" murmele ich und humpele aus dem Fahrstuhl raus. "Wohin gehst du?" stellt er mir erneut eine Frage. Ich blicke zu ihm auf und betrachte ihn für einige Sekunden. Seine Haare hat er zu einen kleinen Zopf gebunden, er hatte sehr starke Augenringe, doch sie betonen auch seine schönen honigbraunen Augen. Seine Lippen waren zu einem süßen grinsen geformt. "Ich gehe zum Arzt", antworte ich ihm leise. Mein Schädel pocht, doch seine rauchige Stimme wirkt wie Medizin für meinen schmerzenden Kopf.

Sein Blick richtet sich erneut auf meinen Fuß und er nickt. "Und was machst du hier?" stelle ich ihm die Gegenfrage und stütze mich an der Wand ab. Ich hoffe mit der Frage seine Aufmerksamkeit woanders hin zu richten. "Ich wollte die hier John zurück geben", er deutet auf die Schlüssel in seiner Hand. "Aber das kann auch warten. Komm, ich fahre dich zum Arzt." Eindringlich blickt er mir in die Augen, doch ich schüttle den Kopf. "Es gibt keine Wiederrede", sieht er mich ernst an. Doch mein Stolz ist zu groß um jetzt nachzugeben, ich schüttele erneut den Kopf. Er ist aber wohl kein Mann für viele Diskussionen, denn er hebt mich letztendlich wieder hoch und wir verlassen das Treppenhaus. 

Sein Geruch von Espresso und Zigaretten steigt mir direkt in die Nase, als er mich in seinen Armen zum Auto trägt. Es ist ein ungewohnter mix, aber er passt zu ihm. Seine Hände auf meinen Körper fühlen sich gut an und hinterlassen ein leichtes kribbeln auf meiner Haut zurück. Er setzt mich in seinen Ferrari ab und nimmt anschließend auf der Fahrerseite platz. Ich schnall mich an und lausche während der Fahrt seiner Musik, welche aus den Lautsprecher ertönt. Es war ein schneller Französischer Rap. Ich richte meinen Blick nach links und erkenne wie er leise mit rappt. Sein Blick ist konzentriert auf die Straße gerichtet und sein Arm hat er auf dem Fensterbank angelehnt. Ich richte meinen Blick wieder nach rechts und schaue aus dem Fenster. Nach einigen Minuten fahrt parkt er neben der Klinik und sieht zu mir. "Ich warte hier, okay?" "Danke Raphael" ich nicke ihm dankend zu und steige aus dem Auto um Richtung Klink zu laufen. 

Mittwoch: 17.11.2021, 11:58 

"Sie dürfen ihr Fuß nicht stark belasten und den Verband sollten sie alle paar Tage wechseln" erklärt mir der Arzt, als er meine Krankschreibung für 2 Wochen ausfüllt. Ich nicke ihm zu und gebe ihm somit zu verstehen das ich seinen Rat befolgen werde. Nachdem er mir den Zettel reicht, stehe ich von der Liege auf und  humpele aus dem Zimmer um die Klinik zu verlassen. Am Eingang angekommen, fällt mein Blick auf den schwarzen Ferrari. Raphael, welcher immer noch auf dem Fahrersitz saß, sieht lächelnd zu mir. Humpelnd mache ich mich auf dem Weg zu seinen Auto und steige ein. "Und? Was hat der Arzt gesagt?" stellt er direkt eine Frage und startet den Motor. "Mein Knöchel ist verstaucht und er hat mich für eine Zeit krank geschrieben" erkläre ich ihm kurz. Raphael nickt, als er einen tiefen Zug von seiner Zigarette nimmt und anschließend den Rauch wieder auspustet. 

Ich verdrehe die Augen und öffne das Fenster. Der Rauch verschwindet aus dem Fenster und die kalte Luft kommt mir entgegen. Ein kurzes grinsen schleicht sich auf meine Lippen und ich spüre einen leichten Blick auf mir, während wir durch die Straßen rasen. Im Auto beginnt eine neue Melodie zu ertönen und ich erkenne Raphaels Stimme. 'Adriana, -driana, Adriana, -driana, Bin ich mit ihr, bin ich nicht mehr da (mehr da). Bruder, sie ist nicht...' ertönt es aus den Boxen, als er auch schon zum Knopf griff und diesen sofort abschaltet. Verwirrt richte ich meinen Blick auf ihn. In dem Song muss es um seine Freundin gehen, warum schaltet er ihn dann ab, geht es mir durch den Kopf. Sein verhalten lässt mich nachdenken. Ich werden aus diesem Jungen nicht schlau. Man sah ihm gestern an, wie glücklich er mit ihr war. 

Genervt lenkt er seinen Wagen in John und Mary Einfahrt. Mit einem lauten Knall schließt er seine Wagentür und begibt sich Richtung Eingang. Wenn er doch so schlecht gelaunt ist, hätte er auch einfach bei John bleiben können und ich wäre mit dem Bus zur Klinik gefahren. Ich seufze und steige auch aus dem Wagen um ihm zu folgen. Warum hat er es mir überhaupt angeboten, geht es mir fragend durch den Kopf. Ist es weil er ein guter Mensch ist? Immerhin hat er mir schon zwei mal geholfen. Oder macht er dass, weil Mary und ich uns so gut verstehen und John ihn darum gebeten hat? Zu viele Fragen schwirren in mein Kopf um her. 

Oben in der Wohnung angekommen, sieht Mary direkt zu mir und grinst mich breit an, als sie sieht das ich in Begleitung von Raphael bin. "Was ist denn passiert?" Ihr grinsen vergrößert sich und sie beginnt mit den Augenbrauen zu wackeln. "Ich hab sie zum Arzt gefahren" antwortet Raf ihr kühl, legt ihr die Schlüssel hin und macht sich auf der Suche nach John. "Was ist dem den über die Leber gelaufen" schnauft Mary ihm hinter her. Fragend zucke ich mit den Schulter und mache mich humpelnd auf dem weg zu ihr auf die Couch um mich neben ihr nieder zu lassen. 

Mary schaltet den Fernseher ein und startet einen Film auf Netflix. "Wie geht's deinen Fuß" fragt sie und blickt diesen an. "Beschissen" murmle ich und verziehe dabei genervt mein Gesicht. "Hunger?" fragt sie mich und wendet ihr Blick zu mir. Ich nicke eilig. "Bock auf Pizza?" fragt sie mich und öffnet die Lieferando App. Ich nicke erneut, denn ich kann immer essen. Mary bestellt für uns beide jeweils eine Pizza und holt ihre Flasche Wein aus der Küche. Sie meinte vorhin das die Jungs heute Arbeiten müssen und im Studio Songs aufnehmen sind. Somit werden wir den ganzen Abend mit Essen und Wein auf der Couch verbringen. Auch wenn die Umstände durch welche wir uns trafen nicht die besten waren, bin ich dennoch froh Mary gefunden zu haben. Mit den Gedanken an meinen Ex-Verlobten ziehe ich mein Handy aus der Tasche und öffne seinen Kontakt. Ich beginne einen kleinen Text an Emir zu verfassen, in dem ich ihm mitteile, dass ich morgen meine Sachen abholen komme. Ohne auch nur auf eine Antwort zu warten lege ich mein Handy wieder beiseite und richte meinen Blick wieder zu Mary und unserem Film. 

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Zwei Fremde (Raf camora FF)Where stories live. Discover now