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RAUSCHEN. Wie eine beruhigende Umarmung konzentriere ich mich nur darauf.
Wellenrauschen.
Ich ziehe die Knie an die Brust, umschlinge mich selbst mit den Armen und lege das Kinn darauf.
Jegliches Zeitgefühl hat meinen Körper verlassen, was eigentlich auch egal ist. Es fühlt sich an, als wären wir bereits seit Jahren hier auf Poguelandia. Es fühlt sich an, als würde ich schon immer ein Teil dieser Truppe sein.

Lächelnd schließe ich die Augen, indessen mein Blick nach unten zum Strand wandert. Sarah flicht mit vorgezogener Unterlippe einen Korb, Cleo säubert die Früchte, welche ich vor wenige Minuten zu ihr gebracht habe. Ihre Kenntnisse von giftig und ungiftig sind nochmal eine Spur besser als meine.

             Tief ziehe ich die salzige Luft in die Lungen, spüre das spitzige Gras durch meine Shorts und fühle den kühlen Wind auf meiner Haut. Alles, jedes noch so kleine Detail dieses Strandes versetzt mich in einen tiefen Ruhezustand. Jeden Morgen durch den schrillen Schrei einer Möwe aufzuwachen und direkt in die hohen Wellen zu springen...
Ich weiß nicht. Ich fühle mich geborgen.
Trotzdem kann ich nicht aufhören ständig an die Outer Banks zu denken. Figure Eight. Meine Eltern. Mein Zuhause.

Als ich im nächsten Moment die Augenlider wieder öffne, spüre ich die tiefe Falte zwischen meinen Augenbrauen. Was wäre, wenn ich nie in dieser Nacht in meinen Wagen gestiegen wäre? Wenn ich nie von dieser Straße abgekommen wäre und die Pogues mich nie gefunden hätten?
Würde ich jetzt zuhause in meinem Zimmer sitzen, College-Listen durchgehen und warten, dass Rafe mich abholt? Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Rafe verziehen hätte. Scheiße nochmal, ich habe ihm sogar jetzt – nach Allem, was er getan hat – verziehen.

Gedankenverloren sehe ich über das weiter Meer vor mir. Blinzle gegen die grelle Sonne, welche mit voller Kraft auf uns niederscheint.

»Poguelandia.«, flüstere ich, lasse den Namen auf meiner Zunge zerfließen.
Ob ich etwas an meiner Vergangenheit ändern würde? Niemals.
Ob ich vielleicht kleine, winzige Details ändern würde?
Nachdenklich knabbere ich auf meiner Unterlippe, während meine Finger unbewusst über die rissige Wunde an meiner Schulter wandern. Eine ganze Woche lang konnte ich meinen gesamten Arm nicht bewegen. Als hätte jemand eine Tonne an Gewicht drangehängt.

Verdammt. Ich habe jemanden angeschossen. Natürlich war es nur zur Verteidigung, denn meine Freunde waren in Gefahr, doch...
Manchmal erkenne ich einfach die Person nicht wieder, die ich geworden bin. Vermisse ich das alte Ich?
Nein. Mehr als alles andere bereue ich die letzten Wochen vor unserer Flucht. Ich habe nicht nur die Pogues verraten, sondern auch mich selbst. Ich wollte so sehr, dass Rafe sich ändert.

             Seufzend strecke ich die Beine von mir und stemme die Arme nach hinten. Ein leichtes Ziehen in meiner rechten Schulter.
Ein blonder Haarschopf taucht in meinem Sichtfeld auf, besser gesagt auf der Palme direkt vor dem Felsvorsprung, auf dem ich sitze. JJ hat ein weißes Laken in den Fingern. Als er sich gerade festhalten und das Tuch um den Stamm wickeln will, fällt sein Blick auf mir. Meine Mundwinkel ziehen sich auseinander.
»Bee!«
»Was zum Teufel machst du da?«, rufe ich amüsiert.
Der Junge zwinkert mir nur kurz zu, dann befestigt er das Laken. Der Wind lässt es sachte hin und her flackern.

𝖲𝖠𝖭𝖢𝖳𝖴𝖠𝖱𝖸; 𝐣𝐣 𝐦𝐚𝐲𝐛𝐚𝐧𝐤Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt