Jemaru, Zeit der Ruhe

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Tief und stark fürchteten die Ideen nun die Wahre und ihre Diener, die Hadujege. Sie kauerten und zitterten, wenn deren mächtige Körper über das Bild liefen und Nali bebte. Und die Wahre sah diese Angst und sie schämte sich, war es doch nicht das Sein, was sie sich für das Bild wünschte.

   Da sprach sie. „Seht mich nicht als euren Henker an, richten tat ich euch einst aus Liebe und Hass und nun musste ich aus dem Krieg heraus. Seht, dies ist euer Bild, euer Werk, ich will es nicht zerrissen sehen. Haltet dies ein und euch soll Freiheit grenzenlos möglich sein."

   Und die Ideen spürten tief in sich den Wunsch zu schaffen, doch trauten sie sich nicht und hielten still. Doch aus ihrer Mitte trat die Hoffnung selbst und sprach. „Ich bin die Hoffnung, soll ich nicht schaffen, so wandele ich, bis dein Wille sich ändern mag oder das Bild endet. Danken tue ich dir!"

   Die Hoffnung sprang und nahm Gestalt an, nun huschte sie über Nali, im Wesen einer kleinen Maus. Sie flüsterte. „Lass mich Nali erkunden und rennen und spielen. Schaffen ist Sein, doch auch Leben ist Sein. Ich will leben auf Nali wie ein Tier, frei und ohne Zwang."

   Und die Ideen sahen es und schrien auf in Freude. „Ja! Ja lasst uns leben wie unsere Werke, sehen sollen wir, was wir schufen, durch dessen Augen selbst." Sie nahmen Gestalten an und rannten über Nali in Freude und Ektase.

   Die Wahre sah auf Nali und sah ihre Eltern wild und frei und froh in Gestalten und sie war selbst froh. Ihre ewigen Diener, die Hadujege, sie zogen mit den Ideen und sie spielten und lachten und man freute sich zu sein.

   Die Wahre trat an die kleine Maus der Hoffnung und flüsterte ihr zu. „Du gabst allen Sinn und nahmst ihnen Furcht, dein Wesen soll in allem sich wieder finden, einschleichen sollst du dich in jedes Sein. Du heißt Eswibe, die Hoffnung, und ich schenke dir einen Teil von Veesve, dem Verstand, auf dass du lernst stets den Antrieb zu finden, wie du es heute tats.

   Die Maus war froh und lebte auf und spielte.

   Da kroch die Zeit, Envil Livne, zu der Wahren. „Auch diese ist gebunden an Zeit, Leben und Tod, es kommt der Moment, wo sie fällt und du sie allen nehmen wirst. Heiße ich Zeit, bin die Schlange, der Maus ihr Jäger, und auch sie werde ich erlegen."

   So sprach die Wahre. „Sieh das Geschenk Veesve. Ich gab es ihr aus gutem Grund. Fällt sie heute, sie lernt und bietet neuen Boden für sich selbst, geboren anders, doch im Wesen gleich. Will ich deinen Bund zu ihr nicht schmälern, doch ihr die Chance geben auf unzählige Leben in anderen Leibern, dies ist der Wandel."

   Die Schlange sprach. „Doch geschaffen hast du mehr als dies. Aus der Hoffnung wächst Wut, Qual, Enttäuschung, Frust, Liebe und Nähe. All dies sind ihre Kinder, sie ist das erste der Gefühle und ihr Geschenk sollen alle Gefühle dieser Welt sein. Nun sollen die unzähligen Launen über das Bild und zu seinen Bewohnern wandern, nicht ewig, doch wiederkehrend."

   „So ist der Wandel." sprach die Wahre und zeigte auf Nali. „Dies ist mein Geschenk im Geheimen an alle Wesen und Ideen auf Nali. Sie sollen hoffen, wissen und lernen. Dies soll sie richten und schmieden, denn sie können sich nicht selbst richten und schmieden."

   Die Schlange sah dies und neigte ihr Haupt. „Nicht nur mächtig, auch liebend seid ihr, Oh Wahre, ihr seid das mächtigste und liebste Kind aller Ideen. Lass diese Wärme der Hoffnung walten, nenne sie Jemaru, Zeit der Ruhe und Liebe. Das Werk soll jetzt voller Hoffnung sein, als einziges Ziel aller."

   Die Wahre sah dies und schickte Jemaru auf Nali, dort solle sie beginnen, als Geschenk an alle Wesen, ihnen Liebe zu bringen.

   Da wand sich die Zeit wieder zur Wahren und zischte. „Einst hielt nur ihr das Geschenk des Wissens, nun teilt ihr es mit ganz Nali. Ich bin die Zeit und frage, wollt ihr Nali alle eure Gaben schenken?"

   „Dies ist ein Bild und ich bin ohne Farbe. Alleine walten und richten ist nicht mein Sinn für das Sein, ist es kein Bild mehr, nur noch einsames Zeugnis meiner Macht. Schenken will ich nicht allein aus Liebe, ich lehre und bereite sie vor. Auf das ich aufhöre zu richten und zu malen und das Bild nur noch sehe, es zu genießen still und in Freude."

   Es zischte die Zeit. „Weise seid ihr, doch dies ist einer vieler Wege. Wie die Hoffnung kann fallen so auch euer Plan und eure Absicht. Nicht mehr treten wollt ihr ins Bild, Furcht an dieses gebunden zu sein, diese wächst zu stark in euch heran. Gelernt habt ihr und nutzen tut ihr dies."

   Die Wahre lachte in Freude und stimmte zu, doch die Schlange zischte weiter. „Doch auch ich kann euch warnen. Es wird der Moment kommen, da lasst ihr gänzlich vom Bild ab und seid kaum noch Betrachter aus der Ferne, nicht mehr Maler ohne Farben. Verkennt nicht eure Gaben. Ich bin die Zeit, niemals Sklave anderer, ich diene nur mir. Zeit wird kommen, wo ihr vom Bild ablasst, doch ob es euer Wille und Wandel war, das wisst ihr nicht."

   Da spottete die Wahre. „Oh Zeit, Envil Livne. Warnen tust du mich aus Liebe, doch verkennen tust du meine Macht. Dieses Leid wird mich nicht ereilen, ich werde wählen, wann ich vom Bild ablasse. Und dann werde ich gehen, euch lassen in eurer Harmonie."

   So schwieg die Zeit, wusste sie, sie würde dauern und nicht mehr fragen, war sie der Lauf aller Dinge und sah, was geschah. So erkannte sie die Wahre unvollständig, denn ihr fehlte Veminiunni, das Wissen um eigene Grenzen, und die Wahre trug zwei Augen und war doch blinder als je zuvor.

Das Buch Nalida - Von den Farben bis MalaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt