7. Türchen

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LOUIS

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Ich wachte auf Harrys Couch auf, und sofort schoss mir ein migräneartiger Schmerz durch den Kopf. Ich hatte zwar nichts getrunken, aber dafür hatte ich grottenschlecht geschlafen und mir tat außer meinem Kopf auch mein ganzer restlicher Körper weh. Mit einem mühevollen Ächzen setzte ich mich auf und rieb mir den letzten Schlaf aus den Augen.

„Hey Schlafmütze.", begrüßte Harry mich und seinem Grinsen nach zu urteilen, war er bester Laune. Ich stöhnte auf und verdrehte die Augen – daran war der Blues Schuld. „Hör mal, sei mir nicht böse, aber ich fahre nach Hause.", sagte ich und Harry drückte mir eine Tasse dampfenden, heißen Kaffee in die Hand. „Nicht bevor du nicht die ganze Tasse ausgetrunken hast."

„Harry, bitte, lass mich gehen. Ich will heute einfach alleine sein." „Ach komm schon, nur eine Tasse Kaffee." „Nein, denn sonst bringt mich dein perfekter Penis wieder dazu, meinen Arsch zu entblößen." „Und wenn ich dir verspreche, dass ich ihn nicht auspacke?" „Harry..." „Okay, okay, trink aus und du bist mich für heute los." „Also gut."

Er setzte sich neben mich und sah mich von der Seite an. „Willst du mir nicht sagen, was los ist?" „Wenn ich es dir sage, lässt du mich dann in Ruhe?" „Ja?", kam es fragend zurück und ich seufzte erneut. „Heute ist der Todestag meiner Mum, und ich will heute einfach nur für mich sein und trauern." „Oh mein Gott, Louis, das tut mir so leid." „Danke." „Wie lange ist es her?" „Unfuckingglaubliche sieben Jahre." „Okay. Also... Wenn du... Du weißt schon... Mal reden willst... Ich bin da." „Danke."

Ich trank meinen Kaffee aus, und bis es soweit war, schwiegen wir. Erst als ich die leere Tasse auf den Couchtisch stellte, sprach Harry wieder.

„Ich koche heute Abend für dich. Ganz unverbindlich und ohne Sexzwang, einfach ein Essen unter Freunden." „Ich hab dir doch gesagt, dass ich heute alleine sein will." „Willst du dich betrinken?" „Nein. Das löst mein Problem nicht – glaub mir, ich habs versucht." „Dann komm am Abend wieder her. Ich bereite alles vor, du brauchst dich nur zu setzen und zu essen, du musst nicht mal groß mit mir reden." „Okay, aber bis dorthin lässt du mich in Ruhe, okay? Ich will keine Anrufe, keine Nachrichten, keine Voicemails." „Geht klar. Sei einfach um sieben heute Abend wieder da." „Jep."

Harry brachte mich zur Tür und umarmte mich dort zaghaft. „Aber du kannst dich jederzeit gerne bei mir melden, okay?" „Alles klar.", ich lächelte und ging zu meinem Auto.

Zuhause schaltete ich meinen Laptop ein und startete Skype, um meine Schwester Lottie anzurufen. In Doncaster war es Nachmittag, also lief ich nicht Gefahr, jemanden zu wecken.

„Hallo Onkel Lou-Lou!", gurrte Lottie, und sie und mein Neffe Lucky winkten mir beide. „Hey ihr beiden! Mann, Lucky, bist du groß geworden!" „Und du schlank...", antwortete Lottie und ich grinste. „Dabei esse ich ganz normal." „Komm doch wieder nach Hause, wir vermissen dich ganz schrecklich." „Du weißt doch, warum ich gegangen bin, ich brauchte und brauche nach wie vor Abstand." „Phee und Dais brauchen uns aber, ich kann nicht alles alleine wuppen." „Aber du hast doch Dad und Sallie. Und Lewis." „Aber sie sind nicht wie du. Sie können sich nicht in unseren Schmerz hineinfühlen."

„Okay, Lotts, ich wollte nur mal hören, ob bei euch alles okay ist." „Ja, natürlich ist es das. Aber wir sehen Doris und Ernie immer seltener." Doris und Ernest waren unsere jüngsten Geschwister. „Spielt Dan verrückt?" „Ja, seit er wieder Vater geworden ist, ist nichts mehr wie zuvor." „So ein Arsch!", fluchte ich und Lottie hielt blitzschnell Lucky die Ohren zu. „Sorry!", rief ich und wir lachten.

Wir quatschten noch eine Weile, und dann, als sich meine Familie zum Friedhof aufmachte, beendeten wir den Videoanruf, und ich ging zu dem großen Bild von Mum, das an meiner Wohnzimmerwand hing und zündete eine Kerze für sie an. „Ich hab dich lieb, Mum.", sagte ich, und dann kam das große Weinen.

Wie jedes Jahr...

HARRY

Ich gab mir richtig Mühe und kochte etwas typisch Britisches, weil ich hoffte, dass ich Louis damit vielleicht aufheitern konnte.

Als er dann da war, sah ich ihm aber an, dass er geweint hatte. Viel geweint. Er sah fix und fertig aus, aber als er sah, was ich gekocht hatte, grinste er mich breit an. "Oh, ein Shepherds Pie!", rief er freudig. "Ja. Ich hoffe, den magst du". "Sehr". "Das freut mich. Dann lass uns essen, bevor es kalt wird". "Okay". Wir setzten uns an den Esstisch - und eine halbe Stunde später waren wir pappsatt.

"Jetzt bin ich definitiv zu vollgefressen für Sex", sagte Louis und rieb sich mit seiner Handfläche über den Bauch. "Ich hab doch gesagt, dass es nicht um Sex geht". "Ich weiß. Es ist nur so, dass ich nicht wirklich über meine Mum reden will". "Und da ist die einzige Alternative für dich Sex?", fragte ich ihn und er räusperte sich unbehaglich. "Was denn sonst?". "Wir können alles Mögliche machen. Fernsehen, wenn du willst. Wir können auch runter ins Spa gehen, ein bisschen schwimmen und in die Sauna". "Du hast ein Spa?". "Ich nicht. Es ist hier im Haus, für die Bewohner". "Ich hab aber keine Badehose hier". "Ich kann dir eine von meinen geben". "Okay, ummm ... Ja, das klingt schon echt gut". "Na, dann los".

Wir hatten Glück, denn das Spa war gerade leer, also hatten Louis und ich es ganz für uns alleine.

"Wow, das ist klasse", sagte er begeistert und sprang dann einfach in den Pool. Als er wieder auftauchte, strich er sich mit beiden Händen die nassen Haare aus dem Gesicht und lächelte mich an. "Was ist, Styles? Komm schon!", rief er mir zu, also sprang ich ebenfalls ins warme Wasser, denn der Pool war um diese Jahreszeit beheizt.

Wir schwammen ein bisschen herum, mal nebeneinander, mal hintereinander, bis wir uns nach einer Weile auf eine Unterwasserbank setzten.

"Muss echt cool sein, wenn man hier jederzeit rein kann", sagte er und ich blickte mich im Spa um. "Ja, das ist es. Man kann hier Mitglied werden, auch wenn man nicht im Haus wohnt". "Aber das kostet doch sicher eine Menge Geld". "Naja, billig ist es nicht". "Dann kommt das für mich leider nicht in Frage". "Was machst du eigentlich, wenn du nicht Hallensprecher bist?". "Ich schlage mich so durch", sagte Louis, und ich fragte nicht weiter nach, denn anscheinend wollte er nicht wirklich über Privates reden.

Eigentlich hätte es umgekehrt sein sollen, denn immerhin war ich hier derjenige, der in der Öffentlichkeit stand. Doch im Gegensatz zu Louis war ich ein offenes Buch.

"Tja, jedenfalls werde ich dir morgen mit Vergnügen zuhören", teilte ich ihm mit und grinste ihn breit an. "Ich werde mich bemühen, dich nicht wieder 'fooking Loohsa' zu nennen". "Das will ich auch hoffen. Obwohl es gar nicht so schlecht war. Es hat uns immerhin guten Sex eingebracht". "Jep, das hast du nur mir zu verdanken".

Es freute mich, dass er jetzt wieder der scherzende, lockere Louis war und ich ihn anscheinend mit Erfolg ablenkte. Der Sex war wirklich gut gewesen, aber selbst wenn es der erste und letzte gewesen war, hoffte ich, dass wir trotzdem Freunde werden würden, denn ich mochte ihn wirklich.

Wir schwammen noch ein, zwei Runden und setzten uns dann in die Sauna. Es gab doch nichts Besseres, als alles Negative raus zu schwitzen, und ich hoffte, dass es Louis gut tun würde.

Als er schließlich nachhause fuhr, wirkte er tatsächlich entspannter als vorher, und ich freute mich darauf, ihn schon morgen wieder zu sehen.

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