14. Türchen

73 11 0
                                    

LOUIS

14. Dezember, Donnerstag

Ein komisches Geräusch weckte mich auf und ich hob den Kopf, sah mich um und fand den Auslöser nicht. Harry schnarchte mir noch ins Ohr, deshalb begann ich ihn zu rütteln. „Lass das.", nuschelte er und riss dann überrascht die Augen auf. „Du bist noch da.", sagte er und ich grinste. „Ich kann gar nicht weg, du liegst halb auf mir." „Was ist das für ein schrecklicher Lärm?", fragte Harry und ich zuckte die Schultern. „Deine Wohnung." „Keine Ahnung."

„Dass es deine Wohnung ist, oder woher das Geräusch kommt?" „Mir ist klar, dass wir bei mir sind.", antwortete er grinsend und ich befreite mich von ihm. Ich setzte mich auf und rieb mir müde das Gesicht. „Das ist die neue Türklingel!", rief Harry plötzlich und sprang auf. „Du hast eine neue Klingel?" „Nur eine neue Melodie." Ich folgte ihm zur Sprechanlage und es war seine Reinigungskraft.

„Entschuldigen Sie bitte, ich hab die Klingel nicht gehört.", sagte er zu ihr und sie sah uns missbilligend an. Ich räusperte mich und murmelte dann: „Wir sollten uns was anziehen." „Stimmt." Gottseidank hatten wir nachts zumindest noch unsere Unterhosen wieder angezogen, aber ich kam mir trotzdem nackt vor.

Harry lud mich zum Frühstück in ein Café ein und wir verließen die Wohnung, damit die Putzfrau ihre Ruhe hatte.

„Sie ist ja nicht gerade open minded.", sagte ich nach dem ersten Kaffee. „Ihre Generation ist wohl nicht ganz so offen." „Wie alt ist sie?" „Über siebzig." „Und du lässt sie bei dir putzen?" „Wieso nicht? Ich hab ihr so oft meine Hilfe angeboten, aber sie hat immer abgelehnt. Ich zahle gut." „Okay." „Soll sie bei dir auch putzen?" „Nein, oh Gott, nein.", sagte ich schnell und wir begannen beide zu lachen.

„Zieh doch zu mir.", sagte Harry dann plötzlich und ich verschluckte mich an meinem Kaffee. „Ich mag deine Wohnung, aber ich brauche dort fast einen Schuhlöffel, um reinzupassen." „Ich mag meine Wohnung auch." „Ich hätte dich einfach gerne um mich, wenn ich aufwache, und zwar jeden Tag." „Okay." „Okay? Wie in Ja, oder einfach nur Okay?" „Ich ziehe auf Probe zu dir, aber ich gebe meine Wohnung noch nicht auf." „Okay.", er grinste und biss in sein Croissant.

„Du bist verrückt, wenn du wirklich mit mir zusammenwohnen willst.", sagte ich und stand auf. „Was hast du vor?", fragte er mich verwirrt und ich zeigte ihm meine Zigaretten. „Ich gehe nur mal raus vor die Tür, vielleicht willst du dir die Sache ja noch mal überlegen." „Nein, will ich nicht.", antwortete Harry und ich ging trotzdem nach draußen.

Als ich zurückkehrte, hatte Harry Sekt bestellt und sagte: „Wir sind ein Weltklasseteam, wir zwei, und darauf trinken wir." „Okay, auf uns.", toastete ich und wir stießen an. „Ich verliebe mich in dich.", stellte Harry dann fest und ich grinste ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Und ich mich in dich."

Harry sprang so schnell auf, dass er fast den Tisch umgeworfen hätte. Alle anderen Gäste sahen uns skeptisch an, und als wir uns umarmten, applaudierten sie.

HARRY

Louis fuhr mich zum Training, und als ich die Umkleidekabine betrat, wurde ich von meinen Teamkameraden angestarrt, aber nur kurz. Dann taten alle einfach wieder das, was sie vorher gemacht hatten.

Dann kam der Trainer herein, blieb vor mir stehen, blickte mich wortlos an und klopfte mir auf die Schulter. Das war es. Er akzeptierte mein Outing und hatte kein Problem damit. Ich war froh darüber, aber alles andere wäre mir auch egal gewesen. Ich war nicht hier, um mich zu rechtfertigen, sondern um Eishockey zu spielen.

Nach dem Training holte Louis mich wieder ab und wir fuhren zu mir. Er war in der Zwischenzeit bei ihm zuhause gewesen und hatte die wichtigsten Sachen gepackt, um vorerst bei mir einzuziehen.

"Und, wie war das Training?", fragte er mich im Auto. "Ganz gut. Der Coach war heute besser drauf als gestern". "Gut. Und hat jemand was zu dir gesagt, wegen deinem Outing?". "Nein, aber sie haben mir zu verstehen gegeben, dass sie es okay finden". "Wie denn?". "Mit nonverbaler Kommunikation", sagte ich und Louis lachte. "Interessant". "Weißt du, was ich heute gerne machen würde?". "Was denn?". "Die Wohnung weihnachtlich dekorieren". "Interessant", wiederholte er, und jetzt war ich derjenige, der lachte. "Heißt das Ja oder Nein?". "Von mir aus. Es ist deine Wohnung". "Unsere", sagte ich und er grinste breit vor sich hin. "Alles klar". "Wir müssen das ganze Zeug aber vorher kaufen. Ich hab meine Wohnung noch nie weihnachtlich dekoriert. Wir brauchen einen Weihnachtsbaum und Schmuck dazu. Und Plätzchen backen will ich auch". "Das volle Programm also". "Ja". "Na gut". Wortlos beugte ich mich zu ihm und drückte Louis einen Kuss auf die Wange.

Drei Stunden später kamen wir in der Wohnung an, voll bepackt mit Einkaufstüten und einem Weihnachtsbaum. Der Concierge und der Portier halfen uns beim Tragen. Wie wir das alles im Auto verstaut hatten, war mir jetzt selbst ein Rätsel.

Während Louis den Weihnachtsbaum aufstellte, fing ich in der Küche mit dem Plätzchenteig an - und als die Kekse dann im Ofen waren, schmückten wir den Baum, natürlich mit Weihnachtsmusik im Hintergrund. Das hatte ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gemacht, und ich genoss es in vollen Zügen, vor allem weil ich es mit Louis tat.

Als er gerade eine Kugel an den Baum hängte, stellte ich mich hinter ihn und schlang meine Arme um seinen Bauch. "Das ist so romantisch, Baby", sagte ich und drückte ihm einen Kuss seitlich auf den Hals. "Ja, irgendwie schon". "Nur irgendwie?". "Okay, ja, es ist super-romantisch". "Wohl ein Weihnachtsmuffel, was?". "Nein, das nicht. Es ist nur das erste Weihnachten, das ich hier in den Staaten verbringe. Ohne meine Familie, aber dafür mit dir. Es ist also ein lachendes und ein weinendes Auge", sagte er. "Das verstehe ich. Willst du nachhause fliegen?". "Nein, schon gut. Das hier ist jetzt mein Zuhause", sagte Louis, drehte sich zu mir um, und ich strahlte ihn an. "Unser Zuhause".

Als alles fertig war, machten wir es uns auf der Couch gemütlich, futterten Plätzchen und sahen uns auf Netflix 'The Holiday' an. Es war ein perfekter Abend, der mit perfektem Sex endete. Diesmal im Bett.

In unserem Bett.

CHICAGO - AdventkalenderWhere stories live. Discover now