22. Türchen

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LOUIS

22. Dezember :

Ich hatte natürlich gestern Lottie alles über Harry erzählt. Sie hatte in unseren Videoanrufen schon mitbekommen, dass ich umgezogen war, aber ich hatte nie wirklich über Harry gesprochen. Aber gestern hatte ich alles nachgeholt, und Lottie war megaexcited, weil sie Harry kennen lernen würde.

Als ich meinen Großeltern eröffnete, dass ich einen Boyfriend hatte und er über Weihnachten herkommen würde, waren sie ganz nervös. Gottseidank sprang Lottie in die Bresche und dämpfte die Euphorie ein wenig, indem sie ankündigte, dass Harry und ich bei ihr und Lewis übernachten würden. Darüber war ich echt froh, denn auch wenn meine Großeltern aufgeschlossen waren, so war es doch nicht sicher, wie sie darauf reagieren würden, wenn Harry und ich in einem Bett schlafen würden.

Lottie hatte mir außerdem geholfen, das perfekte Weihnachtsgeschenk für Harry zu kaufen. Es war eine silberne Halskette, an der ein Hockeyschläger und ein Puck hingen, zusätzlich noch eine halbgeschälte Banane, als Referenz auf seinen perfekten Penis (das hatte ich Lottie aber nicht erklärt), und dazu hatte ich mich noch für ein kleines Mikrofon entschieden, das meine Kommentator -Laufbahn repräsentieren sollte. Die war zwar schon wieder vorbei, aber dadurch hatte ich immerhin Harry kennen gelernt, also war sie es auch wert, erwähnt zu werden.

Heute zu Mittag brachte der Witwer meiner Mum, Dan, unsere kleinsten Geschwister Doris und Ernie zu uns, und ich freute mich so unendlich, die beiden zu sehen. Sie waren so gewachsen und zuckersüß!

„Wie lange bleibst du eigentlich?", fragte Grandpa mich, als wir uns zum Essen hinsetzten. „Das weiß ich noch gar nicht, Harry und ich haben das noch nicht besprochen.", gab ich zu und er nickte. „Ich freue mich wirklich, wenn wir ihn kennen lernen." Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas verheimlichte, und so sah ich ihn skeptisch an.

„Was?", fragte Grandpa, und ich antwortete mit einer Gegenfrage: „Was verheimlichst du mir?" „Lou... Hör mal... Das ist nicht leicht...", stammelte Grandma, und mir lief es kalt über den Rücken. „Spuckt es aus.", sagte ich gereizt, weil sie mir Angst machten. „Wir haben vorige Woche in der Mall deine Ex, Briana, gesehen und sie hatte einen kleinen Jungen dabei.", begann Grandma und ich atmete auf, denn mir war nicht klar, was das mit mir zu tun hatte.

„Und?", fragte ich und sah gespannt zwischen den beiden hin und her. „Er sieht aus wie du.", sagte Grandma und mir blieb das Herz stehen. „Sie hat es bestätigt, du bist der Vater.", fügte Grandpa hinzu und mir wurde schwarz vor Augen. Ich fiel von meinem Stuhl und saß ganz geschockt auf dem Boden. „Aber... Aber... Ich... Das kann doch gar nicht sein..." „Louis, er ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten. Es gibt keinen Zweifel daran." „Lots, wusstest du es?", wandte ich mich an meine Schwester und sie sah plötzlich ganz verzweifelt aus. „Ja, ich wusste es. Aber ich musste Briana schwören, dass ich es dir nie verraten würde.", murmelte sie dann und ich stand auf.

Jetzt brauchte ich erst mal eine Zigarette. „Ich gehe mit.", sagte Lottie, aber ein Blick von mir brachte sie zum Schweigen und sie blieb am Tisch sitzen.

Was sollte ich jetzt tun? Ich konnte kein Vater sein! Ich war nicht bereit dafür! Und Briana wollte mich ganz offensichtlich nicht in ihrem und seinem Leben haben. Womit hatte ich das nur verdient? Ich hatte nur kurz etwas mit ihr gehabt, eigentlich auch nur, um mir selbst zu bestätigen, dass ich wirklich schwul war. Briana war scharf gewesen und hatte sich ohne Fragen auf die kurze Affäre eingelassen.

Was sollte ich nur Harry sagen?

HARRY

Bei mir fing der Tag ganz entspannt an. Mum weckte Gemma und mich auf, als das Frühstück schon fertig war, dann aßen wir alle gemeinsam gemütlich, und dann fuhren Gemma und ich nach Crewe zur Shopping Mall, denn ich brauchte noch Weihnachtsgeschenke. Und zwar viele, denn ich wollte nicht mit leeren Händen bei den Tomlinsons aufkreuzen, sondern jedem eine Kleinigkeit mitbringen.

Als Gemma und ich dann wieder bei Mum waren, kümmerte sie sich um das Mittagessen - und da vibrierte mein Telefon in meiner Hosentasche. Ich nahm es in meine Hand und sah, dass Louis mich anrief, also ging ich ins Wohnzimmer.

"Hey, Baby", begrüßte ich ihn freudig. *Hey*, sagte er, und sofort war ich alarmiert, denn ich hörte schon an diesem einen Wort, dass mit ihm etwas nicht stimmte.

"Was ist los?", fragte ich ihn und hörte ihn einmal tief durchatmen. *Ich muss dir was sagen*. "Schieß los". *Meine Großeltern haben mir heute was erzählt. Sie haben meine Ex gesehen. Mit einem Jungen, der aussieht wie ich. Sie haben mit ihr gesprochen, und sie hat zugegeben, dass er mein Sohn ist*, eröffnete Louis mir, und ich musste das alles erst mal verarbeiten.

"Ummm ... Okay ... Das sind verdammt viele Informationen auf einmal". *Wem sagst du das...*, seufzte er. Er klang total erschöpft, und ich wäre jetzt so gerne bei ihm gewesen, um für ihn da zu sein, denn anscheinend machte es ihn ziemlich fertig.

"Deine Ex?". *Ex ist eigentlich zu viel gesagt. Ich hatte nur kurz was mit ihr. Ich war mir noch nicht sicher wegen meiner Sexualität und wollte es herausfinden. Nach ihr hatte ich nur noch was mit Männern*. "Okay. Und sie hat dir nie gesagt, was dabei rausgekommen ist?". *Nein. Anscheinend will sie nicht, dass ich es weiß*. "Das ist aber nicht fair. Du hast doch ein Recht darauf, es zu wissen", sagte ich, und Louis schwieg.

"Bist du noch da?". *Ja. Ich bin nur überrascht über deine Reaktion*. "Was hast du denn erwartet?". *Keine Ahnung. Du nimmst es ziemlich gelassen auf*. "Es geht mich ja eigentlich gar nichts an. Du hattest ein Leben vor mir. Dass du plötzlich einen Sohn hast, ist gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlimm". *Nicht?*. "Natürlich nicht. Die Frage ist jetzt nur, wie du damit umgehen willst. Willst du ihn kennen lernen?". *Ich ... Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Ich bin damit überfordert*.

"Schon gut. Denk in Ruhe darüber nach. Du musst jetzt nichts überstürzen". *Aber ich hab jetzt schon sein ganzes Leben verpasst*. "Ich weiß, aber dann kommt es jetzt auf ein paar Tage oder Wochen auch nicht mehr an. Wenn du ihn kennen lernen willst, dann hast du jedes Recht dazu. Und ich werde dich dabei unterstützen, okay? Aber jetzt komm erst mal zur Ruhe nach dieser Hiobsbotschaft". Erneut atmete Louis einmal tief durch, aber jetzt klang er erleichtert.

*Ich glaube, ich werde erst zur Ruhe kommen, wenn du bei mir bist*, sagte er und ich grinste dümmlich vor mich hin.

Ich war so wahnsinnig verliebt in Louis, und ein Kind änderte daran rein gar nichts. Im Gegenteil, ich wusste jetzt schon, dass ich seinen Sohn ebenfalls lieben würde, falls ich ihn kennen lernen würde. Ein Mini-Louis ...

"Gibst du mir noch einen Tag mit meiner Familie?", fragte ich Louis. *Natürlich. Hör mal, wenn du Weihnachten lieber in Holmes Chapel verbringen willst...*. "Nein, schon gut. Ich freue mich schon auf Weihnachten mit dir und deiner Familie. Ich fahre am 24. nach dem Frühstück nach Doncaster, okay? Dauert ja nicht mal zwei Stunden. Eigentlich sind wir gar nicht weit voneinander entfernt aufgewachsen". *Stimmt*.

Louis und ich unterhielten uns noch ein bisschen miteinander, über Unverfängliches, und ich hoffte, dass ihn das ablenkte.

Nach dem Telefonat war das Mittagessen fertig, und während ich aß, musste ich die ganze Zeit an Louis und seinen Sohn denken. Würde das unsere gemeinsame Zukunft beeinflussen? Immerhin wohnten wir ja in Amerika. Wenn Louis seinen Sohn kennen lernen würde, dann würde er vielleicht nach England zurückkehren wollen. Verständlicherweise. Ein Kind veränderte alles, also würde ich es ihm nicht verdenken können und ihn nicht davon abhalten. Er war jetzt Vater, und da konnte ich nicht mithalten.

Ich liebte Eishockey, aber eines war klar : Bevor ich Louis dadurch verlieren würde, würde ich lieber darauf verzichten, denn das war es mir nicht wert.

CHICAGO - AdventkalenderWhere stories live. Discover now