Die Angst vor dem Unbekannten

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Dumbledore sah Harry einige Sekunden an, bevor er langsam auf ihn zuging. Der junge Gryffindor hatte sich inzwischen aufgesetzt und seine Atmung hatte sich weitestgehend normalisiert. Sein Blick schien etwas in der Ferne zu fixieren und er schien noch immer abwesend zu sein. "Was ist geschehen Harry", fragte der Professor ganz sanft. Harry sah ihn weder an, noch sagte er etwas. "Minerva, würden Sie mir bitte ein Glas Wasser bringen und vielleicht, einen feuchten Lappen?", fragte er an die Professorin gewandt. Diese nickte sofort und verschwand im Nebenzimmer. 

"Was ist denn bloß los mit ihm?", wollte Ron mit ängstlicher Stimme wissen. Er verstand noch immer nicht, was hier los war und noch mehr besorgte es ihn, das Dumbledore so ruhig blieb. Natürlich war das auch sonst seine Art aber wenn er Harry zuvor gesehen hätte, würde er vielleicht auch anders reagieren. "Ich weiß es nicht genau, Mr. Weasley." Dumbledore hatte seinen Blick keine Sekunde von Harry genommen, noch nicht einmal um Ron zu antworten. Mcgonagall betrat erneut den Raum und hatte ein Glas Wasser in der einen Hand und einen Lappen in der anderen Hand. Der alte Mann nahm ihr beides ab und setzte sich vor Harry auf den kleinen Tisch. Er reichte ihm das Glas und Harry stellte zum ersten Mal, Blickkontakt mit dem Schulleiter her. "Hier mein Junge trink das", sagte er und reichte ihm das Glas. Harry nahm es mit zitternden Händen und trank gierig. Dumbledore seufzte leise. Er nahm den feuchten Lappen in die Hand und versuchte Harry den Schweiß von der Stirn zu wischen. Der aufgewühlte Junge wich erschrocken zurück und sofort ließ der Professor von ihm ab. "Was ist geschehen Harry?", fragte der Mann erneut. "Du musst mit mir reden. Wir werden dir helfen aber wir müssen wissen, was passiert ist". Dumbledore sah den Jungen eindringlich an. Harry blickte mit Angst in den Augen zurück. "Er-er hat, hat mir weh getan", stotterte er mühsam. "Genau dasselbe hat er schon einmal gesagt, Sir. Ich weiß nicht was es bedeutet", erklärte Ron. "Bitte erzählen Sie mir ganz genau, was vorgefallen ist, Mr. Weasley."

Ron atmete einmal tief durch, ehe er zu erzählen begann. Dumbledore hörte dem Gryffindor aufmerksam zu, bis dieser zu Ende gesprochen hatte. Die Miene des Schulleiters wurde mit jedem Wort besorgter. "Das kann doch kein Alptraum gewesen sein, Sir. Er war völlig fertig, panisch und gestresst", erzählte Ron beinahe hysterisch. "Nun, es klingt tatsächlich nicht danach, dennoch wissen wir nicht, was es sonst sein könnte." Erneut stellte Dumbledore Harry ganz behutsam, dieselbe Frage. Und wieder kam, dieselbe Antwort. 

"Wer Harry, wer hat dir weh getan und wie?" Der Mann sah fragend zu Professor Mcgonagall, doch auch sie konnte sich keinen Reim darauf machen. "Draco", flüsterte Harry ganz leise. "Draco hat mir weh getan. Ich habe ihm gesagt, er soll aufhören, aber..." Harrys Stimme brach und er begann zu weinen. Ron starrte ihn ungläubig an. "Malfoy? Was hat er gemacht?!", fragte er mit bebender Stimme. Dumbledore hob die Hand und deutete Ron an, ruhig zu bleiben. "War Draco bei dir Harry?", fragte der Mann sehr ernst. Harry nickte resigniert. "Er hat mich, mich dazu gezwungen. Ich wollte das nicht. Es hat so weh getan." Tränen rannen seine Wangen hinab und er schluchzte verzweifelt. "Und du magst ihn, Harry?" Ron zog völlig verwirrt, über die Frage des Mannes, eine Augenbraue nach oben. "Ich habe mich in ihn - verliebt", flüsterte Harry kaum hörbar. "Warum hat er mir weh getan?", fragte er mit tränen unterlaufener Stimme. Mittlerweile stand Ron der Mund weit offen und er war nun komplett verwirrt. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass der junge Mr. Malfoy nicht in Ihrem Zimmer war, habe ich recht?", fragte er an Ron gewandt. "Natürlich nicht Sir, er war nicht da. Wir hätten ihn doch sonst bestimmt gesehen. Und außerdem, würde er ohne Passwort gar nicht hinein kommen", ergänzte Ron kopfschüttelnd. "Ich sehe das genauso", sagte der Schulleiter. "Harry, hast du Schmerzen?", fragte er ganz behutsam. Der Gryffindor schien einen Moment zu überlegen und schüttelte dann den Kopf. "Würdest du dein Shirt ausziehen", fragte Dumbledore. Harry sah ihn mit großen Augen an und verneinte die Aufforderung vehement. "Bitte Harry, ich möchte nur sehen, ob du verletzt bist." Harry warf einen ängstlichen Blick zu Ron. Dieser setzte sich ganz ruhig neben ihn und nickte. "Es ist okay, komm ich helfe dir", sagte er sanft. Noch bevor Harry etwas erwidern konnte, zog ihm Ron sein Shirt über den Kopf. Dumbledore besah sich Harrys Oberkörper ganz genau. Besonders die Oberarme, doch wie zu erwarten, war da nichts zu erkennen. "Danke mein Junge, du darfst dich wieder anziehen." Ron half ihm erneut dabei. Dumbledore sah Harry nun sehr ernst an. "Harry", begann er vorsichtig. "Hat Draco dich gezwungen, mit ihm zu schlafen?" Ron sah völlig erschrocken, zu seinem besten Freund und als dieser mit Tränen in den Augen nickte, war er außer sich. "WAS?!", schrie er völlig entsetzt. "Das hat er nicht getan Harry! Dieses miese Schwein!" Der Schulleiter griff mit beiden Händen nach Rons Schultern und versuchte ihn zu beruhigen. "Mr. Weasley bitte, beruhigen Sie sich. Ich kann verstehen, dass Sie das alles sehr aufwühlt aber ich versichere Ihnen, dass es nicht das ist, was Harry passiert ist." Der Mann musterte den wütenden Weasley streng, daraufhin beruhigte sich dieser und setzte sich wieder. Harry sah ihn entschuldigend an und begann erneut zu weinen. Ron nahm ihn in die Arme und drückte ihn fest an sich. "Tut mir leid, flüsterte er leise. Während sich die Jungen schluchzend in den Armen lagen, blickte der Professor zu Mcgonagall und deutete ihr an, mit ihm ins Nebenzimmer zugehen.

"Was hat das alles zu bedeuten, Albus? Woher wissen Sie, dass Mr. Malfoy unschuldig ist", fragte sie neugierig. "Weil Harry nicht verletzt ist, Minerva. Er hat weder Schmerzen, noch sonst irgendwelche Verletzungen, die auf solch einen Übergriff hinweisen." Mcgonagall sah ihn verwirrt an. "Das mag ja sein aber warum ist Potter dann so fertig? Auch wenn er das nur geträumt hat, so kann ihn das doch nicht dermaßen in Panik versetzt haben?" Der Mann nickte zustimmend. "Es war kein Traum, es war eine Vision. Eine Vision, erzwungen durch die Kunst der Legilimentik. Jemand wollte, dass Harry das sieht und spürt. Solche Visionen können den Betroffen dazu bringen, dass er Realität und Täuschung nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Alles was er in diesem Zustand wahrnimmt, fühlt sich echt an. Genauso echt wie eine normale Berührung oder ein Gefühl. Und ich denke dieser Jemand, war Tom Riddle. Er muss sich seiner Verbindung zu Harry, bewusst geworden sein und scheint ein Meister der Legilimentik zu sein. Auf diese Weise, kann er Harry alles sehen oder fühlen lassen, dass er will. Nun versucht er, den Jungen auf diese Weise anzugreifen, um ihn zu isolieren. Er muss raus gefunden haben, dass Harry in den jungen Malfoy verliebt ist." Mit diesen Worten setzte sich der Mann auf einen Stuhl und seufzte leise. "Das ist schrecklich, der arme Junge. Ich wusste, dass man durch die Legilimentik tief in einen fremden Geist eindringen kann aber es auf diese Weise zu missbrauchen, ist einfach unvorstellbar. Wir müssen den Jungen beschützen, Albus. Ich denke ein weiteres Mal, würde er nicht verkraften. Er könnte daran zerbrechen", ergänze Mcgonagall mit besorgter Miene. "Das denke ich auch. Severus ist ein Meister der Legilimentik und ebenso der Okklumentik. Er muss ihm beibringen, wie er sich schützen kann." Dumbledore studierte fieberhaft vor sich hin. "Der dunkle Lord könnte genauso Harrys Umfeld angreifen. Ich denke wir sollten allen Schülern des fünften Jahrgangs, insbesondere denen, welche Harry sehr nahe stehen, die Technik beibringen. Was halten Sie davon, Albus?", fragte die Frau entschlossen. "Ich halte das für eine mehr als kluge Idee, Minerva. Sobald es Harry etwas besser geht, werden die Schüler zusammen mit Severus, diese Technik erlernen. Aber fürs Erste, sollte er sich ausruhen. Ich werde morgen versuchen, ihm zu erklären, was mit ihm passiert ist." Dumbledore nickte der Professorin noch einmal zu und die Beiden gingen zurück zu den Jungen. 

"Mr. Weasley, würden Sie mich in den Krankenflügel begleiten? Harry sollte wenigstens eine Nacht zur Ruhe kommen", fragte Dumbledore. Ron nickte sofort und stand mit Harry im Arm auf. "Gute Nacht Minerva, wir sehen uns dann Morgen", verabschiedete sich der Mann. Mcgonagall nickte ihm mit besorgtem Gesichtsausdruck entgegen und warf einen mitfühlenden Blick zu Harry und Ron. Zusammen machten sie sich auf den Weg zum Krankenflügel. Während Ron Harry ins Bett half, erklärte der Schulleiter Madame Pomfrey kurz und knapp was geschehen war und bat sie, ein Auge auf den jungen Mr. Potter zu haben. "Mr. Weasley und ich werden dich morgen früh besuchen Harry, bis dahin solltest du dich ausruhen", sagte Dumbledore an Harry gewandt. Ron sah ihn besorgt an, es schienen ihm tausend Fragen auf den Lippen zu liegen. "Wir werden morgen früh darüber sprechen und ich werde euch alles erklären", versprach der Mann. "Gute Nacht Harry, schlaf gut." Der Schulleiter lächelte die Jungen ein letztes Mal, liebevoll an und verließ anschließend den Raum. "Bis morgen Kumpel, es wird alles gut", sagte Ron und machte sich niedergeschlagen auf den Weg, zurück zum Gryffindorturm. Harry seufzte leise, schloss die Augen und versuchte zu schlafen.

Liebe hält die Zeit an und lässt die Ewigkeit beginnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt