8. Kapitel

69 8 0
                                    

POV Nico

Sie kommt definitiv vor mir zum Stehen, oder?

"Hallo, ihr beiden. Wie geht es dir?" Sie lächelt zaghaft und winkt Annabeth herzlich zu.
Diese verkrampft neben mir und fährt sich durchs Haar.
"Ganz okay.", sage ich leise.
Annabeth grinst schief und streckt dann ihre Hand aus:
"Ich bin Annabeth Chase, Nicolas Freundin. Und sie?" Ich schlucke.

Wieso konnte sie auch nicht einmal die Schnauze halten?
Frau Solace lächelt zaghaft. "Ich bin Nicos Therapeutin, nett dich kennenzulernen." Vorsichtig ergreift sie Annabeths Hand, der gerade die Farbe aus dem Gesicht läuft.
"Therapeutin?" Dr. Solace nickt und sieht dann mit einem Fragezeichen im Gesicht zu mir.
Dann schlägt sie sich vor den Mund und scheint zu realisieren, dass Annabeth nichts davon wusste.

"Oh mein Gott, es tut mir leid." Ich winke knapp ab, sehe zu meiner Freundin die meine Hand urplötzlich loslässt.
"Mein Dad ist da, wir reden morgen.", faucht sie genervt und dann sehe ich sie auch schon in den Porsche ihres Vaters einsteigen.
Jetzt bin ich also alleine mit Williams Mutter, was?
Ein halbes Lächeln aufzwingend sehe ich zu ihr herüber.

"Willst du vielleicht mit uns mitfahren? Ich muss noch kurz nach Hause und weil du eh danach Therapie hast, wäre das doch Recht praktisch, oder?"
Nein.
Bitte nicht.
Das bedeutet nämlich, dass ich Will sehen müsste.
"Ja, sicher.", sage ich und unterdrücke den Drang zu verneinen.
Dr. Solace lächelt seelig und deutet dann zaghaft aufs Schulgebäude.
"Mein Sohn müsste jetzt auch gleich aus haben."

Wie aufs Stichwort kommt dieser auch schon auf uns zugelaufen.
Sein verwirrter Ausdruck dabei ist wahrscheinlich mir gegolten, aber ich sage nichts. Seine Mutter drückt Will einen Kuss auf den Kopf und sagt dann: "Wie war die Schule, Sunny?" Bei dem Spitznamen läuft der Junge neben mir knallrot an und er murmelt irgendetwas unverständliches unter seinem Atem.
Seine Mutter nimmt uns die Rucksäcke ab und erklärt ihm dann kurz und knapp, dass ich mitfahren werde.

"Sunny also?", wispere ich ihm keck zu, als wir auf der Rückbank des Autos sitzen und seid einigen Minuten weiterfahren. Will neben mir grummelt schlecht gelaunt etwas, aber sagt nichts weiteres dazu.
Dann kehrt wieder Ruhe ein und wir fahren ganz still weiter. Das einzige, was die Stille unterbricht ist ein Song von Taylor Swift - Anti Hero.
Als ich zu William herüberblicke, erkenne ich wie er zum Beat seine Füße mitschwingt und dabei leicht die Lyrics vor sich hinsummt.
Er schien wohl ein Fan zu sein.
Süß irgendwie.

Warte was? Nein. Ganz seltsam.
William sieht verwirrt zu mir rüber, scheint mein Gestarre bemerkt zu haben. Und diesmal bin ich derjenige, der peinlich berührt wegsieht.
Fuck. Das war cringe.
"Alles okay da hinten? Ihr seid so leise." Synchron nicken wir, als wären wir beide super im Einklang und es wäre auch gar nicht seltsam, dass wir nach den heutigen Ereignissen nebeneinander im Auto seiner Mom hocken.
Schließlich waren wir nichtmals Freunde und ich wurde mitgenommen, zu ihrem Haus.
Was wohlgemerkt ziemlich merkwürdig war, denn man tat das eigentlich nicht.
Fremde mit sich nach nach Hause zu nehmen.
Aber war ich so fremd?

"Wir sollten gleich da sein."
Ich nicke knapp, gucke aus dem Fenster.
Dabei unterdrücke ich es, erneut zu Will zu sehen und schweige.

Als das Auto langsam zum Rollen kommt und wir dann an einem ziemlich kleinen, aber feinen, Haus ankommen muss ich grinsen. Alles hier passte zu William. Die Veranda war beschmückt mit Pflanzen und im Garten war ein kleines Gehege mit Hasen.
Die Wiese war Recht voll mit irgendwelchen bunten Blümchen, die gerade aufblühen.
"Nico, bevor wir gehen -, möchtest du vielleicht mit uns essen?", fragt Dr. Solace sanft.
Ich wechsle einen schockierten Blick mit William aus, dem fast die Kinnlade auffällt.
"Nein, dass will er ganz sicherlich nicht.", antwortet der Blondschopf neben mir.

Seine Mutter verdreht die Augen, schiebt uns ins Haus und schließt das Auto mit einem Klick ab.
"Und ob er das tut. Sei höflich. Ich fange an zu kochen, zeig ihm doch mal dein Zimmer." Ihr schmunzelnder Ausdruck verriet mir, dass sie das hier absichtlich tat.
Die Nervensäge rollt nun auch mit den Augen und sieht dann zu mir.
"Was will sie jetzt eigentlich von mir?", wispert er frustriert und sieht dann zur Wendeltreppe.

Kommentarlos stolpert er sie hinauf und ich direkt hinterher. Unsicherheit kriecht in mir auf. In den oberen Etagen ist es ziemlich zugeräumt und der Platz von unten ist kaum zu sehen.
Dazu kommt es, dass die Hälfe der Gänge mit irgendwelchen glücklichen Familienbildern geschmückt ist und mich seltsamerweise ziemlich bedrückt fühlen lässt.
Auf den Bildern sind drei Personen zu sehen. Ich erkenne William sofort, er ist noch Recht klein und hat ein freches Grinsen auf den Lippen. Neben ihm steht seine Mutter, hat eine Hand um seine Schultern gelegt. Dann entdecke ich einen Mann.
"Ist das dein Dad?", frage ich interessiert.
William dreht sich um, sieht zu mir herüber.
Dann nickt er schwach.

"Ja, das war er."
Ich seufze. Will schien nicht wirklich gerne darüber zu reden. Irgendetwas sagt mir das, aber ich akzeptiere es. Denn wenn jemand so etwas versteht, dann bin ich das.
"Er ist gestorben, richtig?"
Will verspannt sich, sagt aber nichts weiteres dazu.
Still laufe ich weiter, lasse die Familiengemälde hinter mir. William scheint das zu erleichtern, denn er öffnet sofort eine der hölzernen Türen und führt mich in ein ziemlich helles Zimmer.

Die Wände sind in einem frischen Grasgrün gestrichen und der Boden ist in einem sanften Braunstrich gehalten.
Überall hängen Poster von Sängern, oder Lyrics von ihnen. Ich erkenne auch ein Abbild von Taylor unter ihnen und muss grinsen. Er ist also wirklich ein Swiftie.
Kurzzeitig verinnerliche ich den Raum, merke mir jede einzelne Nische und jedes Detail von ihm.

"Ziemlich unordentlich, aber es hält her.", erwähnt Will dann schulterzuckend. Mit einem Rumms lässt er sich auf dem Bett fallen und erst jetzt muss ich tatsächlich lachen.

"Allen Ernstes? Eine Minion-Bettdecke?"

Solangelo - Die SonnenfinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt