20. Kapitel

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POV Nico

Ich bin betrunken.
Das nicht zum ersten Mal, aber es ist das erste Mal das ich mich nicht dafür schäme. Wir alle sind auf Leos Party, manche von uns verstreut in Ecken, andere mitten auf der Tanzfläche. Ich kauere weiter hinten, hasse die Hitze und das Aneinandergedränge. Ich mag es nicht, weil es mir Panik zubereitet. Ich habe keinerlei Kontrolle, was ich tue. Das löst auch Alkohol aus, aber heute stört es mich nicht. Seltsamerweise lenkt es mich ab. Von so einigem Scheiß, über den ich nicht rede.

Ich denke auch nicht darüber nach, dass Percy und Will irgendetwas am Laufen haben. Nun, das ist gelogen. Ich denke schon stundenlang darüber nach. Ich weiß gar nicht, was meine Meinung darüber ist. Perseus ist zwar mein Freund, aber es interessiert mich nicht, mit wem er sich verabredet. Da gibt es nur eine Ausnahme. Ich hasse es, wenn Leute Will anbaggern. Das habe ich früh genug geschnallt und ich verziehe mich so schnell es geht, wenn das der Fall ist. Genauso wie in den Schulgängen. Mir ist nicht entgangen, dass Will etwas auf der Zunge gebrannt hat. Das ihm seine Erklärung vermutlich genauso schwer auf dem Herzen liegt, wie mein Neid. Neid darauf, dass Percy und er sich gut verstehen.

"Tief in Gedanken versunken?" Annabeth grinst mich schief an und sieht dann tatsächlich von ihrem Handy auf. Es ist in den letzten Wochen seltener der Fall, dass wir uns treffen. Eigentlich gar nicht. Ich habe kaum Zeit, mit all den Musikkursen und Annabeth scheint genügend Hobbies zu finden, um mich zur Seite zu schieben.
"Schätze schon.", erwidere ich und nippe erneut an meinem Misch aus Vodka und irgendeiner anderen Brühe, dessen Namen ich mir nie merke.
"Worüber denkst du nach, Neeks?" Auch sie greift nach ihrem Getränk, aber ihres ist mindestens noch bis zur Hälfte gefüllt, während meins bereits fast leer ist.

"Vieles." Sie verdreht die Augen, als ich nicht näher darauf eingehe. Seufzend stellt sie ihren Becher wieder ab und druckst etwas rum, bevor sie ein: "Bin gleich wieder da.", vor sich hin nuschelt. Aber sie kommt nicht wieder.
Das weiß ich.
Denn sie ist auch nicht hier, als ich nach meiner Lederjacke greife und mich auf die Terrasse verziehe. Ich sehe sie nichtmals auf den Weg und der Gedanke, dass sie irgendetwas illegales macht ist gar nicht so abwegig. Auf Parties gehen viele Arten von Drogen rum. Nicht nur Alkohol.

"Nico?" Ich zucke unsanft zusammen, als eine Person auf den Balkon tritt.
Das morsche Holz knarzt unter den Fußstapfen dessen auf und klingen in meinen Ohren wieder.
"Hmm. Ich schätze du hast mich gefunden. Aber hast du mich auch gesucht?" Ich lehne mich etwas über die Bande, halte mich am Rande der Terrasse fest.

Der Blondschopf taucht wenig später in meinem Blickfeld auf und nun erkenne ich, wie seine schwach lächelnden Gesichtszüge mir entgegenleuchten.
Wills sanftes Lächeln bringt mich zu einem inneren Gleichstand, das hat es schon immer. Aber ich bin mir noch nicht sicher, ob ich dies befürworte oder nicht. Vielleicht wird das irgendwann mein Verhängnis. Die Unentschlossenheit.

"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht habe ich dich irgendwie gesucht, ja mag sein." Er tritt einen weiteren Schritt neben mich, ist nun parallel zu mir.
Seine leichten Wellen des Haares verwuscheln im Wind, bevor sie ihm wieder in die Stirn fallen.
"Dann hast weder du, noch ich einen Plan.", erwidere ich zögernd.
Will nickt zaghaft, sieht mich von der Seite aus an.

"Das was du gesehen hast..."
Er nickt zur Haustür.
"Mit mir und Percy..." Ich seufze, hebe meine Hand. Das ist mein ruhiges Zeichen dafür, dass er anhalten soll.
Dass er nicht weiter reden muss, weil ich verstehe, worauf er hinauswill.
"Kann ich es dir bitte...erklären?" Seine Stimme nimmt einen flehenden Ton an, als würde das zwischen uns für immer vorbei sein, wenn er sich nicht erklären kann. Wenn ich ihm keine Chance gebe, das Geschehene zu erläutern. Aber das habe ich nicht vor, ich werde ihn nicht aussprechen lassen.
Zumindest nicht jetzt.
Nicht heute.

"Will...", sage ich seufzend. Angesprochener hebt sofort seinen Schopf, mustert mich eindringlich.
Ein schwaches Nicken seinerseits lässt mich wissen, dass er mir zuhört.
"Ich will nicht harsch klingen.", räuspere ich mich.
Der Blondschopf schüttelt bloß seinen Kopf und versichert mir, dass er es nicht persönlich nehmen wird.
Obwohl ich nicht der Typ bin, der sich mehrmals vergewissert rücke ich dennoch vorsichtig mit der Sprache raus.

"Um ehrlich zu sein, ist es mir egal.", sage ich dann.
Wills Augen scannen mein Gesicht ab, als würden sie irgendwelche verletzten Emotionen suchen würden. Aber der Neid, der durch meinen Adern pulsiert und die Frust, die sich in mein Herz frisst, ist nicht vom Äußeren erkennbar. Das war sie bei mir noch nie.

"Es ist mir egal, was zwischen dir und Percy lief. Wir beide sind nicht zusammen, wir waren es nicht, und wir werden es auch nie sein. Ich weiß nicht, ob dir das hilft, aber ich denke, du solltest deine Gefühle unter Kontrolle kriegen." Sein Lächeln rutscht wie automatisch von seinen Lippen.
"Was?" Als er das sagt, überkommt mich sofort ein schlechtes Gewissen. Hätte ich sanftmütiger sein sollen?
"Meine Gefühle?"

Er drückt urplötzlich bedrohlich seinen Zeigefinger auf meinen Brustkorb und flüstert dann:
"Ich erinnere dich sehr gerne daran, dass du mich geküsst hast. Du hast mir Hoffnungen gemacht, du warst derjenige der gesagt hat, dass du mich magst. Oh, warte. Das hast du ja gar nicht. Du kannst nicht einfach hier her spazieren, alles auf den Kopf stellen und dann,...dann einfach zurücklaufen, wenn du Angst hast. Angst vor dem hier. Vor echter Liebe. Weil du das nie hattest, richtig?", faucht er.

"Du warst immer nur Nicolas di Angelo, ohne eine Mutter, mit einem lieblosen Vater und einer gefickten Familie. Tut mir leid, ich hab keine Lust darüber zu diskutieren, wer hier seine Gefühle unter Kontrolle kriegen sollte.", legt er eine Schuppe mehr drauf. Seine direkte Wortwahl lässt mich erstarren.

Aber ich sage nichts, denn alles was ich erwidern könnte ist, dass er Recht hat.

Solangelo - Die SonnenfinsternisWhere stories live. Discover now