24. Kapitel

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POV Nico

Als ich nach Hause komme, treffe ich überraschenderweise meinen Vater an. Dieser brütet über irgendein meterlanges Formular und scheint völlig versunken in der Stille zu sein.
"Hey, Dad.", begrüße ich ihn zögernd und lächle einmal. Mein Vater sieht kurzzeitig zu mir auf, bevor er seine Brille zurückschiebt und wieder auf sein Blatt starrt. Keine Begrüßung. Kein Wort.
"Ich...war gerade an Moms Grab." Nun hält er inne, den Stift den er in der Hand hält am Zittern.

"Non adesso.", erwidert er, bevor er weiterschreibt.
Nicht jetzt. Aber wann dann? Wann soll ich jemals mit ihm darüber reden, wenn nicht jetzt? Genervt werfe ich meinen Schlüssel auf die Fensterbank, was ich immer tue, und ziehe meine Jacke aus um sie aufzuhängen.
"Nico? Quello che ho detto...mi dispiace."
"Nico? Was ich gesagt habe...es tut mir leid."
Ich schlucke. Es tut ihm leid? Unwahrscheinlich, aber er ist mein Vater. Also kann ich nicht anders als ein Va bene zu flüstern. Das heißt so viel wie: Ist okay, oder ist in Ordnung.
Dann verlasse ich das Wohnzimmer und mache mich in die Richtung zum Schlafzimmer.

Als ich mich an meinem Schreibtisch fallen lasse, taucht wieder das Gespräch auf, dass ich mit meinen Freunden hatte.
Das Gespräch, bei dem mich mein Dad angeschrien hat, während all meine Freunde per Computer vermutlich Popcorn gegessen und sich wie im Kino zurückgelehnt haben.
Seitdem habe ich versucht alle Gitarrenproben auszulassen und den Musikunterricht größtenteils zu schwänzen. Aber heute habe ich keine Ausrede.

Seufzend öffne ich meinen Laptop und tippe auf das SKYPE-Symbol. Sofort werden ich mit Nachrichten bombardiert. Manche von ihnen sind sogar schon eine Woche alt, oder älter.
Mit einem mulmigen Gefühl starte ich einen Gruppenanruf.
Wenig später schaltet Stella hinzu.
"Nah! The boy has despawned for weeks and now you just respawned?" Sie zieht skeptisch eine Augenbraue hoch.
Der Junge ist einfach verschwunden und jetzt ist er zurückgekehrt, wie aus dem Nichts?

Ich öffne gerade meinen Mund, um zu antworten, als Leons Kamera aufflackert und der Spanier, irgendwo mitten am Strand, ein strahlendes Lächeln aufsetzt und das Meer filmt.
"Oi! ¡Mis amigos! ¿Puedes ver eso? ¡Los extraño a todos!"
Hastig stelle ich den Untertitel ein und beobachte die Punkte von links nach rechts wandern.
Dann wird endlich wiedergegeben, was er gesagt hat.
"Oi! Meine Freunde. Seht ihr das? Ich vermisse euch!"
Seufzend mustere ich den Bildschirm und entscheide mich dafür, auf Italienisch mit ihm zu kommunizieren. Vielleicht funktioniert das besser, als Englisch.
"Si lo vedo! È meraviglioso. Come stai?"
Ja, ich sehe es! Es ist wunderschön. Wie geht's?

Leon grinst schief und hebt dann seine Hand zu einem Daumen. "I am...very good?" Er sieht unsicher zu Stella herüber, die nickend grinst.
"You sound just like me!", sagt sie feixend und mustert mich plötzlich ernst.
Cleo, eine unserer anderen Freunde, schaltet nun auch dazu.
"God bless you, guys." Sie sieht irgendwie ziemlich fertig und müde aus. Aber auch ihr Englisch klingt weniger wackelig als sonst. Vielleicht hat Stella ihnen in den letzten Wochen tatsächlich etwas beigebracht.
"You okay?", fragt Stella sofort, legt ihren Schopf schief.
Bist du okay?
Cleo rauft ihr Haar und nickt dann.
"Yeah, it's just the time difference."
Ja, nur die Zeitverschiebung.
Leon seufzt und filmt nun, wie er auf eine Bank zuläuft und sich mitten in der Sonne Spaniens hinsetzt.

"Nicolas, explain.", sagt er nun.
Und das tue ich.
Ich erkläre ihnen alles. Ich erzähle ihnen von meiner Mutter, wie sie verstorben ist. Ich erzähle ihnen sogar von dem Unfall, weil ich das Gefühl habe, dass ich ihnen das schulde. Seltsamerweise tue ich das auch, denn ich würde niemals etwas für diese Freundschaft eintauschen. Jeder von uns sitzt am anderen Ende der Welt, aber zusammen sind wir tatsächlich ein gutes Team.
Und ich denke nicht, dass man diese Art von Freundschaft erklären kann.
Es ist einfach dieses Bündnis, das man verspürt. Das Gefühl, dass man sich gegenseitig alles anvertrauten kann und das es keine Rolle spielt, wie oft man weint, man lacht oder wie wild mit Dingen um sich wirft.
Ich weiß, dass diese Freunde bleiben.
Egal was.
Und dieses Gefühl ist sicher. Es ist Sicherheit, was ich verspüre.

Nachdem ich mein Herz offen gelegt habe, haben wir eigentlich nicht mehr viel gequatscht. Nach einer Weile hat Cleo gesagt, sie braucht ihren Schönheitsschlaf und Stella hatte noch vor, Abendessen vorzubereiten. Leon und ich waren nun also alleine und unterhielten uns über ein paar Dinge.
Aber auch nicht für lange, denn der Spanier war gerade dabei ein Surftraining durchzuziehen. Also schaltete ich meinen PC wieder aus und lungerte gelangweilt im Zimmer herum.

Gerade als ich mich seufzend auf mein Bett fallen lasse, gibt mein Handy ein lautes PING von sich und zieht somit meine Aufmerksamkeit auf sich.
Mit einem Grinsen greife ich nach dem Telefon, denke bereits an die Goldlocke.
Aber was ich sehe enttäuscht mich etwas. Selbst wenn ich nicht enttäuscht sein sollte, denn dazu hatte ich keine Gründe.
Annabeth hat mir eine vierminütige Sprachnachricht geschickt, obwohl sie weiß, dass ich mir diese niemals anhöre. Weshalb auch?
Unter ihrem Namen ertönen Punkte und kurz darauf eine Nachricht:

Als ich auf Solace und meinen Chat gehe, tippe ich ein paar Worte ein, aber ich schicke sie nicht ab

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Als ich auf Solace und meinen Chat gehe, tippe ich ein paar Worte ein, aber ich schicke sie nicht ab.
Dazu waren sie mir zu ernst.

Dazu waren sie mir zu ernst

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Für heute sind die Kapitel zwar nur Puffer, aber manchmal braucht man eine Pause von all dem Drama.
(Ja, auch die Autorin. 😌)

Das Ende war eigentlich ziemlich dramatisch, aber das musste sein.

Danke übrigens auch an die Votes und die lieben Kommentare, das bringt mich immer zum Lächeln. :)

Ich habe übrigens keinerlei Erfahrungen mit umgangssprachlichen Worten in Italienisch, weder noch in Spanisch, also verzeiht mir eventuelle Fehler. ♡
Ich hoffe wirklich, dass der Übersetzer die Wahrheit sagt. 😂

Solangelo - Die SonnenfinsternisWhere stories live. Discover now