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11. Kapitel | Wie trinkt man Espresso mit einem Zahnstocher im Mund? (Archie)

Wutsch!

Etwas Hartes, Raschliges trifft mich am Kopf und ich schrecke hoch, als im nächsten Moment etwas gegen meine Brust fliegt.

»Hier, ich hab Snacks mitgebracht!«, ruft Hugo, lässt sich breit grinsend auf das Sofa fallen und reißt eine Tüte Marshmallows auf.

Ich greife nach den Sachen, die mich am Kopf getroffen haben.

Eine Tüte Chips und ein Schokoriegel mit salzigem Karamell.

Salziges Karamell?

»Wo hast du den Scheiß her, Hugo?«

Drei der weißen Schaumstoffsüßigkeiten verschwinden in seinem Mund und lassen seine Wangen noch voller als sonst wirken. »Heute war Fahltag!«, nuschelt er und lacht hämisch.

Gino, der zusammen mit ihm angekommen ist und sich einen Espresso an der Kaffeemaschine zubereitet, kichert vor sich hin.

Gino trinkt immer Kaffee. Gino riecht auch immer nach Kaffee und Haarspray. Und Gino hat immer einen Zahnstocher im Mund.

Ich frage mich, warum er das Ding nie verschluckt. Und hat er eine Packung mit frischen Zahnstochern in der Tasche oder ist es immer derselbe? Habe ich Gino überhaupt schon mal essen sehen? Er ist wahrscheinlich nur halb so schwer wie Hugo oder ich. Wofür braucht er dann einen Zahnstocher?

»Das war echt witzig, Hugo.« Der dünne Italiener lacht und nimmt die mickrige Tasse zwischen Zeigefinger und Daumen. »Das Gesicht von diesem Jungen war unbeschreiblich.«

Hugo selbst lacht laut auf und stopft sich noch mehr Marshmallows in den Mund. »Der Junge ist sogar ein Priester oder so ein Scheiß! Kann er Gott danken, dass wir nur seinen Einkaufswagen mit Müll gefüllt haben.«

Sprechen die etwa von Matteo?

Ich reiße entsetzt die Augen auf. »Wo wart ihr?«, frage ich, so ruhig es geht.

Eine Regel in der Familie ist, dass man die Aktionen der anderen nicht in Frage stellt. Dein Feind ist mein Feind, lautet die Devise.

»Wir wollten eigentlich nochmal in Fairhill bei diesem kleinen Inder vorbeischauen, denn Mickey hatte erzählt, dass der Kiosk wohl wieder geöffnet hat«, erzählt Hugo, der sich nun noch eine Dose Cola öffnet.

Wenn er weiter so viel Zucker zu sich nimmt, wird er noch fetter. Und wann war der wohl zuletzt beim Zahnarzt? Gut für die Zähne ist so viel Süßkram auch nicht unbedingt.

»Aber dann haben wir den Wagen von diesem kleinen Messdiener gesehen, der sich überall einmischen muss.«

»Und dann haben wir ihm eine kleine Abreibung verpasst.« Gino lacht und schlürft an seinem Espresso. Der Zahnstocher bleibt dabei in seinem Mundwinkel. Wie schafft der das?

»Die hatte der kleine bastardo auch mehr als verdient.« Hugo schlürft mit mürrischem Gesichtsausdruck an seiner Cola.

»Habt ihr ihn geschlagen?« Ich blicke zwischen den beiden hin und her. Keiner von ihnen hat ein blaues Auge oder sonst irgendwelche Blessuren. Irgendwie könnte ich mir vorstellen, dass Matteo sich zu wehren gewusst hätte, nachdem er Hugo das eine Mal so blitzschnell außer Gefecht setzen konnte.

Gino schüttelt den Kopf. »Nein, nein. Ich würde keine Priester schlagen.« Er macht diese komische, italienische Handbewegung. »Meine Mamma würde mich mit ihrem Hausschuh jagen.«

Hugo schnaubt genervt und greift erneut in die Marshmallowtüte. »Mir ist das egal. Der kann glauben, was er will. Aber wenn er sich mir nochmal in den Weg stellt, sollte er sich beeilen zu beten, denn dann wird es mehr als nur ein Mülleimer auf seinem Zeug.«

Ich rapple mich von dem Sessel hoch, auf dem ich bis eben noch saß.

»Wo willst du hin, amigo?«

»Ich hau mich noch eine Runde aufs Ohr, ich bin heute Abend an der Tür im Pulse.« Ich verkrümle mich in mein winziges Zimmer und lasse mich auf das schmale Bett fallen. Zwar bin ich nicht müde, aber ich muss nachdenken und das kann ich nur, wenn ich nicht abgelenkt werde.

Etwas nagt in meinem Hinterkopf und ich weiß, dass es ein schlechtes Gewissen ist. Aber wieso? Ich habe nichts gemacht.

Trotzdem ist es nicht richtig, dass Hugo und Gino heute anscheinend irgendeine Scheiße mit Matteo veranstaltet haben. Zumal ich nicht glaube, dass er nur aus Spaß in Fairhill unterwegs war.