18. Kapitel | Epheser 4:26 (Matteo)

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Wenn ihr zornig seid, dann ladet nicht Schuld auf euch, indem ihr unversöhnlich bleibt. Lasst die Sonne nicht untergehen, ohne dass ihr einander vergeben habt.

Den Rest des Sonntags verbringe ich allein im Garten hinter der Kirche. Plötzlich bin ich von einer inneren Unruhe durchdrungen, die ich nur durch Beschäftigung meiner Hände zu bändigen weiß. Und so wühle ich mich durch die Beete, rupfe Unkraut heraus, grabe den Boden um und schneide wuchernde Sträucher zurück.

Erst als ich schon fast nichts mehr sehen kann, weil die Sonne schon vor einiger Zeit untergegangen ist und es immer dunkler wird, lasse ich mich auf den Rasen sinken und die Schultern hängen.

Ja, ich bin wütend auf Archie. Wütend, aber vor allem enttäuscht.

Irgendwie ist es fast schon ironisch, dass mein heutiges letztes Gefühl ihm gegenüber dasselbe ist wie das Erste, als er wieder in der Kirche auftauchte.

Doch dazwischen war alles ... gut. Irgendwie vertraut, obwohl ich ihn kaum kenne. Vermutlich trifft mich die Enttäuschung deshalb umso mehr.

Ich kann vieles tolerieren. Menschen, die mir gegenüber Vorurteile haben; Menschen, die mich nicht mögen; Menschen, die abschätzig auf mich herabblicken.

Menschen, die mich anlügen, gehören nicht dazu. Ganz besonders nicht, wenn ich ihnen vertraue.

Und Archie hat gelogen. Ich habe genau gesehen, dass das Display seines Telefons schwarz war und er keinen Anruf bekam. Er sprach viel zu schnell, steckte das Handy viel zu schnell wieder ein und anschließend konnte er mir nicht mal in die Augen sehen.

Er hätte auch einfach sagen können, dass ihm unsere Unterhaltung unangenehm ist.

Ich räume das Gartenwerkzeug in die dafür vorgesehene Kiste und beschließe, den heutigen Tag als Lektion für mich zu verbuchen. Eine Harte, aber wahrscheinlich Notwendige.

Und wenn sich unsere Wege noch einmal kreuzen sollten, was ich nicht glaube, werde ich ihm mit der nötigen Distanz begegnen.

† † †

Zwei Wochen vergehen und wie erwartet habe ich keine weiteren Begegnungen mit Archie. Ich bin wachsamer als je zuvor, wenn ich samstags in Fairhill meinen Einkaufswagen die Straßen entlangschiebe. Wenn ich in meinen Pausen über den Campus schlendere, wandert mein Blick unweigerlich zur Straße, auf der Suche nach einem schwarzen SUV, der aber nie auftaucht. Und auch sonntags bei den Gottesdiensten blicke ich viel öfter als zuvor zur letzten Kirchenbank, die doch leer bleibt.

Ich sollte zufrieden sein, dass er sich von mir fernhält, doch ich bin alles andere als das.

Am Freitag, als Pastor Fulson meine vorbereitete Predigt las, blickte er mich sorgenvoll an und legte seine Brille auf den Unterlagen ab. »Was ist los, Matteo?«, fragte er und ich zuckte mit den Schultern, wie ein bockiges Kind.

Nichts war los. Alles war wie immer.

»Ist es wegen eines Mädchens?«, vermutete er und ich tat etwas, was ich bis dahin noch nie bei ihm getan hatte.

Ich sprang einfach auf, lief zur Bürotür und rief: »Nein! Und hören Sie endlich auf, mich immer wieder nach Mädchen zu fragen!«, ehe ich die Tür hinter mir zuschlug und mich auf den Weg nach Hause machte.

Ich weiß, warum es mir so geht. Aber ich weiß auch, dass das vorbei geht. Man begegnet immer wieder Menschen im Leben, die einem ab dem ersten Moment auf unerklärliche Weise nah und vertraut sind, und es gibt unter diesen Menschen auch welche, die einen enttäuschen oder verlassen oder auch einfach beides.

Und ja, diese Enttäuschungen tun weh, aber sie vergehen auch. Sie werden jeden Tag ein bisschen blasser, wie ein blauer Fleck. Und wie bei blauen Flecken sind manche tiefer und langwieriger als andere. Aber letztlich verschwinden sie und man denkt irgendwann gar nicht mehr an sie.

Es braucht einfach nur Zeit.

Holy Shit | ✓Where stories live. Discover now