Kapitel 1

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Giulia

Sollte ich meinen neuen Job wirklich schon nach fünf Monaten verlieren, dann wird Gott mich früher kennenlernen, als es ihm wahrscheinlich lieb ist.

Es ist der erste Job, der mich nicht mit Bauchschmerzen schlafen, und mit Übelkeit wieder aufwachen lässt.

Alle anderen Jobs - um genau zu sein dreizehn - die ich davor hatte, waren immer wieder der Auslöser für eine neue Katastrophe in meinem Leben.

Job Nummer drei: Einzelhandelskauffrau.
- Der Grund, warum ich wieder bei meinen Eltern einziehen musste.

Nummer sieben: Lagermitarbeiterin.
- Meine Fahrkarte in eine dreimonatige depressive Episode.

Nummer elf: Kassiererin.
-  Mein Anstoß, mich auf eine stressbedingte Angststörung testen zu lassen. Ergebnis = Positiv.

Nummer zwölf: Reinigungshilfe in einer Metzgerei.
- Stand in persönlichem Krieg mit den Medikamenten für meine Angststörung.

Was dazwischen lag hat entweder nicht genug bezahlt, oder lief auf einen befristeten Vertrag.

Die Stelle in der Kommunikation bei Landry Branding war reiner Zufall und pures Glück.
So unterqualifiziert, wie ich für diesen Job bin, hätte ich nicht mal auf ein Vorstellungsgespräch hoffen dürfen.

Aber mit dem Fund der Stellenanzeige, die an der Pinnwand meines Stammcafé's hing, habe ich mir ein Versprechen gegeben; Ich gebe mir selbst und meinem Leben eine letzte Chance. Sollte es nicht funktionieren, dann war's das. Ich wollte so sehr daran glauben, dass es einen Grund dafür gab, das Einzige Café in der Umgebung zu besuchen, welches Werbung ausstellt, statt sie von Türen und Fenstern zu reißen.

Zu diesem Zeitpunkt habe ich einen vierundzwanzig Jährigen Kampf geführt, und so langsam holte mich die Erschöpfung ein.
Ich konnte einfach nicht mehr. Meine Hoffnung war alles, was mich noch am Leben hielt.

Mein erster Arbeitstag fiel auf meinen fünfundzwanzigsten Geburtstag.
Es war der Tag, an dem ich meine Waffen endlich senken konnte. Ich konnte aufhören, gegen mich selbst zu kämpfen.

Die letzten Monate waren pure Erholung.

Die ersten zwei Monate habe ich mich jeden Morgen nach dem aufwachen selbst gekniffen, um zu schauen, ob ich aus einem Traum aufwachen würde. Ich dachte, es wäre einfach zu schön, um wahr zu sein.

Und ich sollte recht behalten.

Die Tatsache, dass mein Chef Theodor damit einverstanden war, jemand unerfahrenes einen unfassbar gut bezahlten und anerkannten Job zu geben, und dann auch noch mit so viel Geduld und Freundlichkeit in die Firma einzuarbeiten, zählt plötzlich nicht mehr.

Er hat vor zwei Tagen einen leichten Herzinfarkt erlitten.

Seine Frau hat der Firma den Tag darauf einen seltenen Besuch abgestattet um uns zu erzählen, was passiert ist. Sie meinte, es würde ihm soweit gut gehen und wir sollten uns keine Sorgen machen. Theodor hätte uns wohl befohlen, wie gewohnt mit der Arbeit weiterzumachen, doch vor ungefähr einer halben Stunde erreichte uns alle die selbe E-Mail.

Betreffzeile: Notstand.

Liebes Arbeitsteam,

Wo Unsere Seelen AtmenOù les histoires vivent. Découvrez maintenant