Kapitel 14

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Giulia

Verwirrt sehe ich Chris dabei zu, wie er den Flur entlang läuft und im Fahrstuhl verschwindet, sein Autoschlüssel in seiner rechten Hand.

Mhm. Okay.

Ich kann mir nur vorstellen, wie viel Arbeit und Stress das leiten einer Firma mit sich bringt, also stelle ich seine Aussage und sein plötzliches Verschwinden nicht in Frage.

Irgendetwas war trotzdem komisch.

Der Ausdruck auf seinem Gesicht und auch der Ton seiner Stimme waren ganz anders, als ich ihn kenne. Aber dann wiederum kenne ich ihn nicht wirklich. Was wir voneinander wissen ist oberflächlich. Ich habe ihn noch nie in einer richtigen Stresssituation erlebt. Ich weiß nicht, wie er sein kann, wenn es brenzlich wird.

Mit einem merkwürdigen Gefühl gehe ich zurück in mein Büro.

Er weiß sowieso schon darüber Bescheid, dass unsere neuen Kunden begeistert von der geleisteten Arbeit sind. Sie haben mir nämlich erzählt, dass sie meinen Chef angerufen haben, bevor sie sich bei mir gemeldet haben.
Ich dachte nur, Chris und ich könnten seine Arbeit zusammen feiern. Eine ganz blöde Idee, wie ich jetzt realisiere. Deswegen schlage ich sie mir so schnell wieder aus dem Kopf, wie sie gekommen ist.

Den Rest des Tages sehe ich ihn nicht mehr.
Dieses blöde Gefühl lässt mich auch Zuhause nicht mehr los, doch ich rede mir ein, dass der nächste Tag wieder anders wird. Besser.

Wird er nicht.

Jedes Mal, wenn Chris mich sieht, ändert er seine Richtung oder sagt einfach nur, dass er beschäftigt wäre und keine Zeit hätte.

Mein Verständnis hält drei ganze Tage an.
Inmitten von Tag vier, als Izzy mir erzählt, dass sie vorhin noch mit Chris gesprochen hat, bricht es direkt aus mir heraus.

Er scheint also ein Problem mit mir persönlich zu haben.

Wie beschäftigt kann er sein, wenn er mit jedem anderen reden kann, außer mit mir?

Er ignoriert mich. Schon wieder.

Und ich dachte wirklich, wir hätten das hinter uns gelassen.

Sicher entschlossen mache ich mich in meiner Pause auf den Weg in sein Büro.

Diese Freundschaft, wenn man das so nennen kann, ist definitiv vorbei. Ich habe keine Lust darauf, mich im einen Moment küssen, und im nächsten wie Luft behandeln zu lassen.
Ab heute sind wir Mitarbeiterin und Chef.

Davor habe ich aber noch etwas zu sagen.

"Hör zu", platze ich zornig in sein Büro und schließe die Tür hinter mir. "Keine Ahnung, was ich dir getan habe, aber wenn du ein Problem mit mir hast, dann lass es mich wenigstens wissen."

Chris schockiert mein Verhalten nicht. Viel eher sieht es aus, als hätte er mich bereits erwartet.
Er erwidert meinen hitzigen Blick.

"Ich rufe dich später zurück", spricht er in sein Handy, das er an sein Ohr hält, und wirft es dann vor sich auf den Tisch.

Auf seine Stille in Kombination mit einem durchdringenden Blick, verschränke ich meine Arme stur vor der Brust.

Er soll nicht denken, dass sein Verhalten mich auch nur in geringster Weise berührt. Auch, wenn es das tut. Er ist gerade der letzte, der das wissen sollte.

"Weißt du", fängt er an und steht auf. Er läuft um seinen Schreibtisch herum, um sich mit ebenfalls verschränkten Armen dagegen lehnen zu können. "Das gleiche könnte ich auch sagen."

Wo Unsere Seelen AtmenWhere stories live. Discover now