Kapitel 6

94 14 2
                                    

Chris

Die Vorbereitungen verlaufen anders, als ich erwartet hätte.

Okay, um fair zu sein weiß ich irgendwie nicht so wirklich, was ich überhaupt erwartet habe, aber es war eben nicht das hier.

Dafür kenne ich die Frau, die gerade dabei ist, die runden Tische mit Blumen zu verschönern nicht gut genug. Leider.

Seitdem wir die Tische - um genau zu sein fünf - gemeinsam in Stille in den Konferenzraum getragen haben, lehnt sie jegliche Hilfe ab.

"Kann ich wirklich nichts tun?", versuche ich es ein letztes Mal.

"Nope. Nichts", antwortet sie, ohne zu mir zu sehen.

So langsam kommt in mir die Vermutung auf, mit meinem Verhalten vorhin etwas zu stark aufgelegt zu haben. Sie in Verlegenheit zu bringen war das letzte, was ich wollte. Gerade, als ich mich dafür entschuldigen möchte, lässt sie von der Vase ab und sieht endlich zu mir.

"Ich hole mir eben etwas zu trinken", kündigt sie an.

"Ich kann das übernehmen", biete ich an, um nicht weiterhin völlig nutzlos hier rumzustehen, doch sie schüttelt bloß ihren Kopf und dreht sich um.

"Schon gut, danke."

Und damit verschwindet sie.

Ich habe also definitiv übertrieben. Keine Frage.

Was ich mir vorhin dabei gedacht habe, der einzigen Person in dieser Firma, die mich nicht komplett abgeschrieben hat, auf die Nerven zu gehen? Keine Ahnung. Nicht viel, anscheinend.

Ich wollte die Situation etwas auflockern, um nicht wie ein völliges Arschloch dazustehen, doch irgendwie hätte ich wissen müssen, so nur das Gegenteil zu erzielen.

Ich zwinge ihr meine Hilfe auf, um ihr dann dabei zu zusehen, wie sie die ganze Arbeit erledigt, bei der ich ihr ja eigentlich so unbedingt helfen wollte? Jap, klingt so ziemlich nach der perfekten Beschreibung eines miesen Kerls und der Forderung nach einer Entschuldigung.

Als sie also nach ungefähr zwei Minuten wieder in den Raum tritt, habe ich genau das vor, doch etwas anderes raubt mir meinen Fokus.

Sie hat zwei Gläser dabei.

"Hier, für dich", sagt sie und hält mir eins davon hin.

Instinktiv schießt meine Hand in die Höhe und nimmt es ihr ab, bevor ich die Situation überhaupt registriert habe.

"Für mich?", frage ich verwirrt.
Etwa weil ich so nett zu ihr war und ihr so viel geholfen habe? Ich glaube wohl kaum.

Sie nickt euphorisch und nimmt einen Schluck von der Flüssigkeit, bei der es sich um irgendetwas wie Vodka, bis hin zu Wasser handeln könnte.

"Dieses ganze herumstehen muss anstrengend sein", antwortet sie in ihr Glas lächelnd.

Verdammte Scheiße.

Ihre Rache besteht also daraus, mir ein Spiegel vorzuhalten, damit ich erkennen kann, was für ein Idiot ich bin?

Das Feuer wurde hiermit endgültig eröffnet.

Wo Unsere Seelen AtmenWhere stories live. Discover now