Kapitel 22 - A sheet (shit) of paper

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Folge deinem Herzen... ein wirklich dämlicher Spruch. Wie sollte man ihm, dem Herz, denn folgen, wenn es ist tausend kleine Teile zersprungen ist? Ich lag beinahe die ganze Nacht wach. Kaum war ich eingenickt, kehrte der Alptraum zurück. Daylight, die starb, Embassy, die verletzt zu Boden ging... Gegen Morgen platzte Josh in mein Zimmer, weil ich schon wieder die ganze Hütte zusammen geschrien hatte. Ich war beinahe erleichtert, dass ich endlich aufstehen konnte. Morgen war es so weit, der Gedanke an das Springen bereitete mir Übelkeit. Als ich ins Bad trat um mich zu waschen erschrak ich vor meinem Spiegelbild. Dunkle Augenringe lagen unter meinen Augen, die irgendwie matt aussahen. Ich schlüpfte in meine Reithosen und nach einem Blick aus dem Fenster zog ich mir einen Pullover über den Kopf. Der Himmel war wolkenverhangen und es sah aus, als würde es jeden Moment anfangen zu regnen.

„Guten Morgen!", murmelte ich als ich die Küche betrat. Josh und Luke, die eben noch zusammen über der Zeitung gekauert hatten, fuhren erschrocken hoch. Luke schnappte sich die Zeitung und versteckte sie hinter seinem Rücken. Fragend sah ich die beiden an.

„Was ist los?", meine Stimme klang misstrauisch, da war doch wieder was im Busch. Noch mehr schlechte Neuigkeiten konnte ich jetzt wirklich nicht verkraften!

„Nichts, nichts!", Luke setzte sein bestes Lächeln auf, ich sah gleich, dass es ein falsches Lächeln war.

„Was hast du da?", fragte ich und nickte Luke zu.

„Nichts."

„Luke, du hast die Zeitung hinter deinem Rücken versteckt, verkauf mich doch nicht für blöd!", keifte ich augenverdrehend während ich auf die beiden zuging.

„Roxy... du solltest das besser nicht lesen...!", druckste Josh herum.

„Gib das her!", forderte ich energisch und nachdem die beiden einen unsicheren Blick ausgetauscht hatten, reichte mir Luke zögernd das Papier. Auf der Seite, die die beiden aufgeschlagen hatten, war ein Bild von mir und Embassy in Aachen. Laut las ich die Überschrift: „Millionen-Hengst unter Roxanne Fleming?"

Ich sah verwirrt auf. „Was ist das denn?", murmelte ich mehr zu mir selbst.

„Richard Hollingworth, der in Reiterkreisen als Pferdekenner und Züchter ausgezeichneter Springpferde bekannt ist, überlässt den Millionenhengst Voyeur seiner Bereiterin Roxanne Fleming. Diese Tatsache sorgt momentan für Aufruhr. Viele fragen sich, wie Hollingworth diesen wertvollen Hengst von der Gewinnerin des Großen Preises in Aachen reiten lassen kann. Erst vor wenigen Tagen verletzte sich die Wunderstute Embassy schwer. Fleming hatte nicht ausreichend für die Sicherheit der Schimmelstute gesorgt. Ein Unbefugter öffnete die Tür der Stute. Diese rannte davon und wäre beinahe auf der Autobahn von einem Lastkraftwagen überrollt worden. Der Sehnenschaden, den sich die Stute dabei zuzog ruinierte dem Pferd die Turnierlaufbahn. Zweifel, ob Roxanne Fleming dem Druck, der dieser Sport mit sich bringt gewachsen ist, kommen auf und lassen auch an Hollingworths Denkweise zweifeln.", las ich laut vor. Ich spürte, wie mir ganz schlecht wurde.

„Was soll das sein?", fragte ich völlig verwirrt.

„Ich sagte doch, du solltest das besser nicht lesen!", meinte Josh besorgt.

„Wer erzählt denn so einen...!", regte ich mich auf. Ich hasste die Presse! Ich hätte nicht für Embassys Sicherheit gesorgt? Richard nicht zurechnungsfähig?

„Diese sensationsgeilen Aasgeier!", tobte ich und schmiss die Zeitung auf den Boden.

„Beruhig dich, Roxy. Du weißt doch, wie das ist. Die Wenigsten werden diesem Artikel Glauben schenken!", meinte Luke. Ich schnaubte nur genervt auf.

„Dieses Jahr wollen mich wohl alle verarschen! So eine verdammte Scheiße!"

***

Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte kümmerte ich mich um das Training von Voyeur, dem Millionenhengst, den ich jetzt kaputt reiten würde! Wahrscheinlich spürte er, dass ich wütend war, den während des Putzens und des Sattelns hielt er so still, wie noch nie. Etwas verwundert war ich darüber schon, doch als ich ihn über den Hof zum Reitplatz führte rollte er sicher wieder ein tänzelte übermütig neben mir her. Na also, da war er wieder, der sture Hengst! Leos Wagen war verschwunden. Er war nach unserem Streit gestern sicher zurück nach London gegangen. Was sollte er hier auch noch? Wir hatten es beendet. Zuerst wollte er nicht mehr, dann wollte ich nicht mehr, jetzt wollten wir beide nicht mehr...

Ich spürte die freudige Angespanntheit des Rappen unter mir. Er wollte jetzt springen, das signalisierte er mir indem er jeden Sprung, der auch nur in unserer Nähe war, anvisierte. Es kostete mich viel Kraft ihn bei seinem Übermut an den Hilfen zu behalten. Schließlich absolvierten wir den Parcours in M-Höhe. Einen Tag vor dem großen Springen wollte ich ihn wirklich nicht überfordern. Obwohl er gerne die Oberhand gehabt hätte, spürte ich, dass es ihm Spaß machte, er sollte heute noch etwas Selbstvertrauen aufbauen. Ich hoffte nur, er würde mich morgen nicht hängen lassen. Ich traute diesem Hengst einfach nicht. Bei Embassy hatte ich immer gewusst, sie würde mich niemals hängen lassen. Wir waren ein Team. Doch Voyeur hatte noch nicht ganz eingesehen, dass ich in seinem Team war, er akzeptierte mich zwar und tat größtenteils was ich von ihm verlangte, doch Partner waren wir noch lange nicht.

Als ich die Tür von Voyeurs Box schloss und er zufrieden seine Nase im Heu versenkte, hatte ich einen Entschluss gefasst. Auch wenn es mir schwer fiel, ich musste mit Leo reden. Er spukte ständig in meinen Gedanken herum, bis zum wichtigen Springen morgen musste das geklärt werden!

***

Joshs Wagen war eine Katastrophe. Alt und verrostet und vor allem ohrenbetäubend laut. Ich traute mich nicht schnell zu fahren vor Angst, dass ich eine Tür oder ein Rad verlieren könnte. So brauchte ich eine gefühlte Ewigkeit bis ich endlich in dem Teil Londons ankam, in dem Leo wohnte. Sicher, ich hätte auch Danielle nach ihrem Wagen fragen können doch ich wollte nicht, dass sie wusste, dass ich zu ihrem Bruder fahren würde. Ich dachte nicht einmal wirklich an eine Versöhnung, schließlich hatte ich keine Ahnung, wie Leo das sah. Er hatte gesagt, dass wir getrennte Wege gehen würden, nicht ich. Zumindest hatte ich es nicht laut gesagt... Trotzdem war ich guter Dinge als ich den Wagen am Straßenrand parkte und die Stufen zur Haustür hinaufging. Ich wollte mit ihm reden, einfach weil er mich von allen am besten verstand, zumindest war es immer so gewesen. Klar, ich hatte Josh, Luke und Danielle, die mir alle versichert hatten, dass sie das mit dem Zeitungsartikel nicht so schlimm finden würden, doch ich wusste, dass sie mich alle hatten beruhigen wollen. Leo war da nicht so, er war knallhart und ehrlich was so etwas betraf. Genau deshalb musste ich mit ihm reden. Vielleicht gab es auch schon Neuigkeiten was Brian Miller oder Sam betraf. Wenn es erst offiziell war, was in Wirklichkeit passiert war, würden sie mich und Richard auch nicht mehr so durch den Dreck ziehen. Ich liebte mein Pferd und würde nie zulassen, dass ihr etwas passierte. Es war eine ganz gemeine Intrige gewesen, auf die ich dämliche Kuh auch noch hereingefallen war. Ich holte tief Luft, hielt diese kurz an und stieß sie dann nervös wieder aus ehe ich den Finger hob und auf die Klingel drückte. Meine Hände zitterten leicht als ich auf das Summen der Haustür wartete. Kurz darauf ertönte es und ich drückte die Tür auf, trat ein und stieg die Stufen in den ersten Stock hinauf. Ich kam gerade ums Eck gebogen da öffnete sich Leos Wohnungstür. Ich blickte auf und sah, dass überhaupt nicht Leo die Tür geöffnet hatte. Geschockt starrte ich sie an... die blonde Mandantin aus dem Burgerladen...


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