Kapitel 36 - Unexpected visit

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„Lass das, Leo!", ich kreischte lachend und schlug seine Hand weg, die unaufhaltsam unter meinen Wollpullover gewandert war. „Ich möchte den Film sehen!"

Leo lachte leise und ich musste wieder einmal feststellen, wie machtlos ich gegen ihn war. Allein schon dieses Lachen ließ mir die Haare zu Berge stehen, im positiven Sinne natürlich. Ich tat so, als würde ich mich auf das Geschehen im Fernseher konzentrieren, war mit meinen Sinnen aber voll und ganz bei dem dunkelhaarigen Kerl, der seine Hände vorsichtig an meine Hüften legte und mich näher zu sich zog. Als er einen Kuss auf meine Stirn platzierte schloss ich meine Augen. Leo ließ seine Lippen küssend über meine Schläfe wandern, über die Wange und schließlich schwebten sie wenige Millimeter von meinen Lippen entfernt. Diese knisternde Spannung war noch immer wie beim ersten Kuss. Ich hoffte, es würde für immer so bleiben. Leo wusste genau, dass er mich damit verrückt machte. Bereits nach wenigen Sekunden gab ich meiner Ungeduld nach und schloss die Lücke zwischen unseren Lippen. Ich spürte, dass Leo lächelte und vertiefte den Kuss. Ich würde niemals genug davon bekommen. Seine Hände, die forschend über meinen Bauch fuhren, das Gefühl seiner weichen Haut und seines durchtrainierten Bauchs unter meinen Fingerspitzen, es war alles was ich je wollte und so viel mehr. Ich war gerade dabei alles um mich herum auszuschalten und mich meinem Freund – ja, Freund, wir haben das besprochen! – hinzugeben als ein lautes Klopfen an der Tür mich zusammen fahren ließ. Leo brummte und zog mich wieder näher zu sich. Fordernd strichen seine Hände über meinen Rücken.

„Warte kurz.", murmelte ich und versuchte mich von ihm zu lösen.

„Du kannst mich jetzt nicht sitzen lassen!", grummelte er und drückte seine Lippen wieder gegen meine. Ohne es zu merken ignorierte ich, dass es gerade geklopft hatte und ließ mich auf Leos Spielchen ein. Doch ein zweites Klopfen ließ mich endgültig aufspringen. Leo zog eine Schnute und beobachtete mich, wie ich mit meinen Wollsocken und nur noch einer Krücke zur Tür watschelte. Als ich sie öffnete wehte ein kühler, herbstlicher Wind herein. Doch diesen nahm ich kaum wahr. Richard stand da draußen und sah auf mich herab. Ich hatte Richard seit dem Vorfall im Zimmer im Haus der Hollingworths nicht mehr gesehen.

„Richard!", keuchte ich und hoffte inständig, dass er nicht betrunken war.

„Guten Abend Roxy. Hast du kurz Zeit für mich?", er klang so, wie immer. Professionell und bestimmend, genauso kannte ich ihn. Im Augenwinkel nahm ich wahr, wie Leo vom Sofa aufgestanden war und sich seine Jacke geschnappt hatte.

„Ich gehe raus.", sagte er leise zu mir ehe er mir einen kleinen Kuss auf den Mund drückte und sich an seinem Vater vorbeischob. Er würdigte ihn keines Blickes. Es machte mich traurig, dass die beiden nichts mehr miteinander zu tun haben wollten.

„Komm rein!", meine Stimme klang belegt als ich auf die Seite trat um Richard hereinzulassen. „Möchtest du etwas trinken?"

„Tee wäre schön!", antwortete er und ich amtete beinahe erleichtert aus, weil er kein Bier gefordert hatte. Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. Richard war doch kein Alkoholiker! Er hatte in letzter Zeit einfach, genauso wie ich oder auch Leo, sehr viel zu verarbeiten. Nachdem ich zwei Tassen mit Tee auf dem Wohnzimmertisch abgestellt hatte setzte ich mich Richard gegenüber in den alten Sessel.

„Roxy, du musst mein Verhalten in den letzten Wochen entschuldigen. Das war nicht professionell!"

„Nicht doch...!", ich winkte ab, wurde jedoch von Richard unterbrochen.

„Ich als dein Mentor und Sponsor hätte für dich da sein sollen. Doch der Unfall, und dass es mit einem meiner Pferde passiert ist... ich konnte dir nicht mehr unter die Augen treten. Erst als ich erfahren habe, dass es nicht Voyeurs Schuld war, konnte ich wieder klar denken!"

„Ich hätte dir gleich sagen können, dass Voyeur keine Schuld trifft!", entgegnete ich. „Und genau aus diesem Grund kannst du den Hengst zurück holen!"

Richard schüttelte langsam seinen Kopf.

„Nein. Ich will ihn nicht mehr."

„Richard!", ich hatte noch niemals meine Stimme gegen Richard Hollingworth erhoben, hatte ihm immer meinen größten Respekt entgegen gebracht, doch jetzt war es an der Zeit dazu.

„Du wirst Voyeur zurück holen! Das hat er nicht verdient und das weißt du genau!"

Richards erstaunter Blick huschte zu mir. Er schien einen Moment mit sich zu ringen.

„Was soll ich mit ihm? Außer dir kommt keiner mit ihm klar, doch in wenigen Tagen wirst du England verlassen! Und das, Roxy, hat er nicht verdient. Er steht hier nur in seinem Stall. Das ist nicht fair, keinem Pferd gegenüber und das werde ich nicht verantworten!"

Ich schluckte und musste zugeben, dass er Recht hatte. Am liebsten hätte ich gesagt, dass er mir den Hengst mit nach Kanada geben sollte. Doch mein gesamtes Geld ging für unsere Ranch und Embassys Behandlung drauf, ich konnte nicht von Richard verlangen dass er mir einen so teuren Hengst schenkte.

„Es tut mir leid, Roxy. Aber dort wo er jetzt ist, geht es ihm gut."

Störrisch blickte ich Richard an doch er war ein knallharter Geschäftsmann. Natürlich ließ er sich von mir nichts sagen.

„Ich hoffe, dass du mich weiterhin als deinen Sponsor behalten wirst, wenn du wieder durchstartest!", Richard lächelte mich an.

„Aber natürlich, Richard!", sagte ich nachgebend. „Es wird wohl nur noch eine Weile dauern...!", ich nickte zu meinem Bein.

„Das wird schon.", sagte Richard zuversichtlich und hielt mir seine Hand hin.

„Auf eine erfolgreiche Partnerschaft!", verkündete er und ich schlug lachend in seine Hand ein.

***

Der Tag der Abreise rückte immer näher. Mit Bauchschmerzen dachte ich daran und als ich am Abend bevor der Flug ging in meinem Zimmer in der Hütte hockte und Leo dabei zusah, wie er meine Klamotten unordentlich in den Koffer schmiss, hätte ich einfach zur heulen können. Embassys Sachen hatte ich am Nachmittag zusammen mit Danielle gepackt. Mein Blick glitt zu dem Bild, welches hier an der Wand hing. Dieses wunderschöne Bild von Embassy und mir, welches meine besten Freunde mir geschenkt hatten und welches so viele Erinnerungen in mir wach rief.

„Hey Kleine, Kopf hoch!", Leo hatte meine Trübseligkeit bemerkt und setzte sich jetzt neben mich auf das Bett.

„Es ist nur... ach keine Ahnung. Wahrscheinlich werde ich nie wieder hier her zurück kommen. Und wenn doch werden Luke und Josh nicht mehr hier sein."

„Wieso denn nicht?", Leo sah mich fragend an. Ich holte aus und schlug ihm halbherzig meine Hand auf die Schulter.

„Denkst du, sie bleiben ihr Leben lang hier und schaufeln Pferdescheiße für deinen Vater?"

Leos Miene verdunkelte sich etwas als ich Richard erwähnte, doch er überspielte es geschickt.

„Ja, das hatte ich schon von ihnen erwartet!", ein freches Grinsen huschte über sein Gesicht. Zu gerne hätte ich weiter mit ihm herum geblödelt doch mir war im Moment einfach nicht danach. Ernst sah ich ihn an und betrachtete sein Grübchen.

„Ich liebe dich, Leo.", sagte ich leise.

„Ich liebe dich."

Parcours des LebensWhere stories live. Discover now