6. Das erste Verhör

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Montag, 18:57 Uhr, Unterwegs, Hagangre

Ein heftiger Regenschauer trommelte auf das Fahrzeugdach. Die Straßenlaternen malten huschendes Leuchtturmlicht auf die Gesichter der Insassen. Es waren vier an der Zahl: Sigurd Earl, Danh Sherman, Johanna Oakley und Dr. Klein. Letztere war ausgewiesene Expertin für menschliche Kultur auf dem Kontinent. Sie hatte nicht vom Beginn ihrer Berufslaufbahn an bei der Innerplanetarüberwachung gearbeitet, weswegen sie nicht der Tradition gefolgt war, einen amerikanisch klingenden Nachnamen zu wählen.

Die Gruppe befand sich auf dem Weg zum Polizeipräsidium. Dorthin hatte man den Gefangenen gebracht, da die Zentrale der IPÜ nicht über Räume und Technik für ein Verhör verfügte.

Dr. Klein frischte mithilfe eines Pads ihre Kenntnisse der Ferthischen Sprache auf. Ihre Konzentration wurde von Danh und Sigurd gestört, die sich gegenseitig mit Schimpftiraden auf das Militär überboten.

»...zerstören nicht mal das Schiff!«, wetterte Sigurd. »Da hätte sich doch sonst wer von hinten an sie heranschleichen können!«

»Genau, was?« Und warum erzählt denen denn keiner, dass jemand, der schiefe Töne singt, vermutlich ein Astro-Zauberer ist. Wenigstens haben wir das Schwein.«

»Achte auf deine Wortwahl, Danh«, meldete sich Johanna nach längerem Schweigen zu Wort.

»Ich bin noch höflich. Der Mistkerl hat drei von unseren Leuten ins Krankenhaus geschickt.«

»Er fühlte sich wahrscheinlich einfach nur bedroht. Er kann ja nicht wissen, dass es nur Betäubungsgewehre waren.«

»Dafür wusste er aber, dass wir existieren«, warf Sigurd ein. »Und dass wir nicht entdeckt werden wollen.«

»Und ihr wisst ja, was das bedeutet«, knurrte Danh. »Die Info werden ihm kaum die Vögel von den Bäumen gezwitschert haben. Irgendwo bei uns gibt es eine undichte Stelle.«

Johanna nickte. »Ich habe bereits die Kollegen von der internen Ermittlung alarmiert.«

»Fehlte noch, dass die Schnüffler uns von der Arbeit abhalten.« Er machte eine abfällige Handbewegung.

»Sie werden sich vor allem auf die Agenten konzentrieren. Die Information muss ja irgendwie auf's Festland gekommen sein.« Johanna holte tief Luft und nahm all ihren Mut zusammen. »Ich... ich habe mich dazu entschlossen, das Verhör zu leiten.«

Sigurd hob verblüfft die Augenbrauen, und auch Danh sah sie ungläubig an. »Das macht doch einer von der Polizei zusammen mit Dr. Klein?«, fragte er.

»Ich war damals als Agentin in Ferth stationiert. Ich habe Trainingseinheiten zu Verhandlungsführung absolviert. Ich weiß, wie man mit diesen Menschen umgehen kann. Außerdem spreche ich die Sprache fließend. – Damit will ich Sie nicht beleidigen, Dr. Klein...«

Die Angesprochene rückte nervös ihre Brille zurecht. »Nein, äh... nicht im Geringsten. Sie verfügen über äh... praktisches Wissen, das ich an der Universität selbstverständlich nicht erwerben konnte.« Insgeheim war die grauhaarige Frau froh, nicht mit dem Zauberer in einem Raum sitzen zu müssen.

»Aber das ist doch... wie lange ist das her?«, fragte Danh skeptisch. »Das war doch noch bevor wir zusammengearbeitet haben.«

»17 Jahre.« Sie wusste es genau, da die Zeit dem Alter ihrer Kinder entsprach. Als sie damals mit Jerry und Evelyn schwanger wurde, kamen Außeneinsätze nicht mehr in Frage und sie musste ihre Agententätigkeit aufgeben.

Johanna spürte, wie Sigurd ihre Hände in die ihren nahm. »Sieh mal, du musst niemandem etwas beweisen. Du bist bereits die Leiterin der IPÜ. Lass das einfach andere Leute machen. Welche mit mehr Erfahrung.« Sigurds Tonfall klang, als ob sie einem Kleinkind klarmachte, dass es heute nicht auf den Spielplatz ging.

MimesisWhere stories live. Discover now