13. Lerche statt Nachtigall

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Zwei Wochen später, Freitag, 19:20 Uhr, Penthouse, Carlsgatan 73, Hagangre

Es dauerte eine Woche, bis selbst Robin Blix, der keine Spur als zu klein betrachtete, Blix, den bereits ein unscheinbarer Zigarettenstummel dazu brachte, die Tabakläden in einem Umkreis von fünf Kilometern abzuklappern, Blix, der einmal aufgrund der Beschreibung eines betrunkenen Zeugen alle Passagiere eines Schnellzuges mit einer Körpergröße unter 1,75 Meter verhaften ließ – bis dieser Blix also einsah, dass die Ermittlungen im Fall des doppelten Mannes zum Stehen gekommen waren. Nun fehlte es gewiss nicht an Hinweisen und verdächtigen Personen, doch stellten sich diese allesamt als Sackgassen heraus. Was auch immer der Verkleidungskünstler suchte, es schienen einige Leute ihr Interesse daran zu haben, dass es weiterhin im Verborgenen blieb. Als Blix mit dem Namen Zolnerowitsch an die Oberen im Verteidigungsministerium herantrat, wurde die Atmosphäre plötzlich sehr frostig, und man drohte ihm mehr oder weniger durch die Blume mit der Überwachung seiner Kommunikation, was seine Informanten in Gefahr gebracht hätte. Die Kaserne, in der der junge Rekrut gemeldet war, behauptete steif und fest, nie von dem Namen gehört zu haben. Und selbst der Freund des Detektivs, Abgeordneter am Tag und Hacker bei Nacht, konnte in den Netzen der Regierungsstellen keine neuen Informationen gewinnen.

Das einzige, was sicher schien, war die Beteiligung der Innerplanetarüberwachung an einer Sache, die anscheinend vor zehn Jahren ihr Ende fand. Bis zu diesem Zeitpunkt existierten nämlich weder von Carlos ›Cowboy‹ Wayne, noch Dr. Klaas Montgomery, wie der Chefarzt mit der Vorliebe für Taxidermie mit vollem Namen hieß, eine Akte im zentralen Melderegister; nur der lapidare Sperrvermerk ›IPÜ‹. Das digitale Archiv dieser Behörde war leider mit der besten Firewall gesichert, die man sich vorstellen kann: es war schlichtweg nicht mit der Außenwelt verbunden.

»Man kommt nur an die Infos ran, wenn man sich in der Zentrale befindet«, teilte also Blix den Zwillingen mit, als sie sich zur Lagebesprechung in seiner Villa versammelt hatten. »Ihr sagtet doch, dass eure Mutter bei der IPÜ arbeitet. Könntet ihr sie nicht einmal zur Arbeit begleiten und einen unauffälligen Blick in das Netzwerk werfen?«

Evelyn schüttelte den Kopf. »Wie stellen Sie sich das vor? Wir sind vielleicht mit fünf das letzte Mal mit ihr dahin gefahren. Wir sind ja keine Babys mehr, die betreut werden müssen, welchen Grund hätten wir also?«

»Keine Ahnung«, meinte Blix achselzuckend. »Sobald ihr drin seid, braucht ihr nur den hier anschließen (er hielt einen Datenwürfel hoch), und der Rest erledigt sich von allein. Denkt euch was aus.«

›Euch‹ beschränkte sich schließlich auf Evelyn, nachdem Jerry, zum Entsetzen von Blix und Evelyn, den Vorschlag gemacht hatte, ihre Mutter einfach um die Unterlagen zu bitten. Seit einer weiteren Woche grübelte sie nun, wie sie ihre Mutter auf die Idee bringen könnte, sie beide in die Zentrale der IPÜ zu bringen. Warum konnte Johanna nicht Köchin sein, oder Steuerberaterin? Hauptsache irgendeinen Beruf, zu deren Arbeitsstätten auch Normalsterbliche Zutritt erhielten. Aber dann wäre das wohl auch kaum für die Ermittlungen erforderlich gewesen.

Unglücklicherweise drifteten ihre Gedanken in den letzten Tagen immer wieder von dem Problem weg. Die Ablenkung, die dafür verantwortlich war, besaß himmelblaue Augen, eine sonore Stimme, und hörte auf den Namen David Kolumbus. Seit ihrer Begegnung unterm Regenschirm hatten sie beide sich bereits dreimal wieder getroffen. Evelyn stand weiterhin zu ihrem ersten Eindruck, bei dem ihr dieser Junge anders als ihre früheren Liaisons vorgekommen war. Tatsächlich überraschte er sie immer wieder positiv aufs Neue, wenn er für ihre Stelldicheins nicht die üblichen Verdächtigen Kino oder Restaurant auswählte, sondern sie etwa an einem Abend in ein Improvisationstheater entführte. Wo er sich, um Evelyn zu imponieren – da unterschied er sich nicht von den anderen Vertretern seines Geschlechts –, freiwillig für die Rolle des strahlenden Ritters meldete. Was ihm nur mäßig gelang, da er durch sein Overacting eine eigentlich tote Figur dazu brachte, sprichwörtlich vor Lachen auf dem Boden herumzukugeln.

MimesisWhere stories live. Discover now