15. Mimesis

126 28 5
                                    

Dienstag, 17:11 Uhr, Davids Wohnung, Triq Il-Lejl 15, Hagangre

Evelyn hing mit David und dreien seiner Freunde in dessen Bude ab. Sie wussten nicht so recht, was sie mit dem restlichen Tag anfangen sollten, und so saßen sie nur da, hörten Musik, und quatschten über das gestrige Polospiel oder die neue Science-Fiction-Serie Dunkle Sterne, in der einige Menschen eines Tages mit einem winzigem Schwarzen Loch im Körper aufwachen.

»Würdet ihr mich auch verstoßen, wenn ich Sternträgerin wäre?«, fragte Fen, ein stupsnasiges Mädchen mit roten Haaren, in die Runde.

David kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. »Nee, natürlich nicht, ich mein', du bist doch unsere Freundin. Freunde lassen sich nicht im Stich.«

»Das hat Kallisto in der Serie auch gedacht«, meinte Ghenadi, der Älteste der Gruppe, »aber sie benehmen sich alle so seltsam ihr gegenüber, weil sie Angst haben, dass es jederzeit wachsen und sie alle verschlucken könnte.«

»Ich fänd's klasse«, sagte da Ramón, der es sich auf Davids Bett gemütlich gemacht hatte, »bestimmt wird der Twist sein, dass das in Wirklichkeit Portale in eine bessere Welt sind, oder so. Dann würde ich gerne Leute mit Löchern als Freunde haben.«

»Ich kann dir gerne mein Schwarzes Loch zeigen«, feixte David und drehte ihm den Rücken zu, »aber die Welt da ist ziemlich im Arsch.«

Sie lachten blöde über den obszönen Scherz. Vielleicht war daran auch der Alkohol nicht ganz unschuldig, den Fen mitgebracht hatte. Evelyn lachte aus Höflichkeit mit, aber allmählich gingen ihr Davids Witzeleien auf die Nerven. In Gegenwart seiner Freunde wollte er immer im Mittelpunkt stehen. Dann ließ sich kein ernstes Wort mit ihm wechseln, außer wenn es um sein Lieblingsthema, die Rekolonialisierung des Kontinents, ging. Auch das hing ihr inzwischen zu den Ohren raus. Mit ihrem Bruder konnte sie wenigstens über alltägliche Dinge reden, ohne dass ständig sein Interesse für Architektur zur Sprache kam. Davids Vorstellungen nahmen jedoch geradezu manische Züge an. Hinter jeder Nachricht vermutete er ein Puzzleteil im Masterplan der Regierung, selbst wenn sie nur von der Erhöhung der Müllgebühren handelte. Evelyn hatte es inzwischen aufgegeben, Davids Hirngespinsten von UFOs und geheimen Menschenexperimenten mit Fakten zu begegnen, da er sie sofort herunterspielte.

Ihr Telefon klingelte, Blix war am Apparat. »Ich habe die Dateien entschlüsseln können, die du mir besorgt hast. Das solltet ihr besser mit eigenen Augen sehen. Habt ihr heute schon was vor?«

Verstohlen sah sich Evelyn nach den anderen um. »Nein, nichts.«

»Gut, dann also bis gleich.«

»Ich muss leider los«, sagte Evelyn laut, während sie sich den Mantel anzog. »Ich habe meinem Bruder Jerry versprochen, mit ihm heute noch was zu unternehmen.«

»Davon hast du vorhin gar nichts gesagt«, meinte David mit einer leichten Schärfe in der Stimme, und stand auf, um ihr die Tür aufzuhalten.

»Sorry, ich hatte das total vergessen.«

»Dann also viel Spaß«, wünschte David und strich ihr zum Abschied durchs Haar.

Dienstag, 18:25 Uhr, Villa Karoling, Hagangre

Sie versammelten sich im Salon der Villa. Im Kamin brannte ein knisterndes Feuer und warf zuckende Schatten der Möbel und Anwesenden an die Wände. »Leider waren die Daten etwas dürftig und nur in Stichworten gehalten«, bedauerte der Detektiv, und reichte Jerry und Evelyn ein Pad. »Aber was ich da finden konnte, hat mich aus den Socken gehauen.«

Von diesen Worten neugierig gemacht, rückten die Zwillinge ihre Sessel zusammen, und lasen:

Projekt Mimesis – STRENG GEHEIM/IPÜ/MIL/KAP

MimesisWhere stories live. Discover now