Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, ob du'n Mädel hast, oder auch keins

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Hamburg, im Oktober 2013

„Alles okay, Timi?", fragte Benni besorgt und hämmerte mir auf dem Rücken herum, während ich, mit Tränen in den Augen und hochrotem Kopf, das Bier aushustete, das ich gerade vor lauter Schreck in die Luftröhre bekommen hatte.
„Oh...Gott...ja...alles...gut", presste ich hervor und krallte mich dabei an der Lehne des Sofas fest, auf dem wir beide saßen.
Benni lachte sein herzhaftes, kehliges Lachen und schlug mir kräftig auf den Oberschenkel. „Es hat mich ja auch ein wenig verblüfft, dass unser Lukas hier schon mal ein Liedchen auf der Fleischflöte gespielt hat, aber dass ich deswegen gleich verrecken müsste..."
Ich hustete noch ein letztes Mal und sah zu Lukas rüber. Dieser saß einfach vollkommen entspannt in einem Sessel und starrte grinsend in sein Glas, das bis zum Rand mit Cola und Rum gefüllt war. Wäre er nicht so betrunken gewesen, hätte er das sicher nie erzählt und er würde jetzt auch nicht so tun, als ob er uns lediglich verraten hätte, was er heute Morgen auf seinem Brötchen hatte.
„Ich weiß auch nicht", sagte ich zu Benni und versuchte mich an einem lässigen Grinsen.
„Und, wie war das so, Lukas?", fragte Stefan und lehnte sich etwas nach vorne.
„Interessant war das. Wir hatten ja beide keine Ahnung, was wir genau machen sollten. Also klar, im Porno hatte man das alles schon mal gesehen, aber es selbst zu tun, das war dann doch nochmal was ganz Anderes", antwortete er, kicherte vor sich hin und trank einen großen Schluck seines Getränks. „Aber es hat dann doch irgendwie geklappt."
„Und habt ihr das nur einmal gemacht oder öfter?", bohrte Stefan weiter.
Mir war mittlerweile, warum auch immer, so dermaßen heiß, dass ich mir das Gesicht mit meiner Bierflasche kühlen musste, da ich das Gefühl hatte, es würde sonst verbrennen, außerdem wedelte ich mir ein bisschen Luft unter mein Shirt.
Lukas lachte auf und grinste breit. „Los, jetzt ist mal jemand Anderes dran, ich erzähl doch jetzt nicht jedes kleine Detail."
„Also öfter als einmal", schloss Stefan aus den Fluchtversuchen von Lukas.
„Vielleicht so fünf Mal innerhalb von einem halben Jahr", gab dieser zurück und stand auf, um sich sein Glas wieder aufzufüllen. „Aber dann hatte ich endlich meine erste Freundin und wir haben damit aufgehört. Und danach hatte ich auch nie wieder was mit nem Kerl, falls das deine nächste Frage ist. Es ging uns ja nur darum, selbst einen Blowjob zu bekommen und nicht, dass wir den Schwanz des Anderen so geil fanden. Jetzt will ich aber auch noch die Geschichten von den Anderen hören. Benni, schieß los."
„Ich soll weitermachen? Ich hab mal ner Punse Sprühsahne in die Muschi gespritzt und..."
„Boah, können wir vielleicht mal das Thema wechseln?", stöhnte ich und legte meinen glühenden Kopf auf die Oberschenkel. „Timi, so prüde kennt man dich ja gar nicht", sagte Benni und stieß mich in die Seite. „Oder du willst, dass wir jetzt was Anderes machen, weil du nicht drankommen willst. Weil du wahrscheinlich noch perverser bist, als wir alle zusammen."
Ich hob meinen Kopf wieder an und sah in die amüsierten Gesichter meiner Freunde. „Nee, also ich hab weder eine Frau mit ner Gurke gefickt und die danach mit ihr zusammen verspeist, so wie Stefan, noch hab ich Sprühsahne aus einer Muschi geleckt, so wie du. Irgendwo sind doch auch mal Grenzen."
Igor nickte, zündete sich seinen zweiten Joint für diese Nacht an und lehnte sich zurück. „Wo er Recht hat..."
Benni seufzte tief und erhob sich schwerfällig von der Couch. „Naja, dann lasst uns jetzt mal los gehen, bevor die Nacht vorbei ist. Ist gleich schon halb vier."
Ich wollte den Anderen gerade mitteilen, dass ich hier bleiben würde, da riss mich ein freudestrahlender Lukas mit einem Ruck von der Couch hoch und zog mich mit sich, den Anderen nach.

Auf dem Weg zum Taxi hielt er sich die ganze Zeit über an mir fest, stützte sich auf mir ab oder musste von mir aufgefangen werden. Eigentlich gehörte Lukas eher ins Bett, als in einen Club, aber er wollte halt unbedingt mit, auch wenn ich jetzt schon ahnte, dass das heute Nacht kein gutes Ende nehmen würde. Ich beschloss daher, mich heute nicht übermäßig abzuschießen, nur für alle Fälle.
Als das Großraumtaxi dann kam, hatte ich Lukas nach vorne auf den Vordersitz gedrückt und selbst ganz hinten Platz genommen. Ich brauchte jetzt dringend mal etwas Abstand zu ihm, da ich mich bei dem ganzen Körperkontakt gerade nicht so besonders wohl gefühlt hatte. Seitdem ich vorhin gehört hatte, dass Lukas mal Jemandem einen geblasen hatte, auch wenn das jetzt schon gut neun Jahre zurück lag, konnte ich an nichts Anderes mehr denken, als an seine Lippen, die meinen...
„Timiiiiiii", schrie Stefan mir laut und langgezogen ins Ohr hinein. „Ob du auch einen Schluck willst!" Ich sah neben mich und knallte fast mit dem Gesicht in eine Flasche Vodka, die er mir entgegen hielt.
„Nee danke, grade nicht."
Stefan kramte in seiner Jackentasche und hielt mir ein kleines Tütchen Pillen entgegen. „Lieber 'ne E?"
„Verlockendes Angebot, aber ich glaube, ich bleibe heute ausnahmsweise mal der, der darauf aufpasst, dass keiner stirbt."
„Irgendwas stimmt mit dir heute nicht, Timi."
Erzähl mir doch mal was Neues...

Zehn SekundenWhere stories live. Discover now