Pleiten, Pech und Pannen

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Stuttgart, 22. Oktober 2013

„Marcel? Bist du noch dran?", fragte ich verwundert in mein Handy, während ich weit nach Mitternacht im Garten des Hotels auf einer Bank saß und rauchte. Es kam erst einmal ganz, ganz lange keine Antwort. Ich nahm das Handy vom Ohr weg und schaute mal drauf, ob die Verbindung vielleicht unterbrochen wurde oder so. „Marcel? Hallo?"
Nach einer Ewigkeit wusste mein bester Freund dann endlich wieder, wie man spricht.
„Timi... zu viel Information!"
Ich lachte und legte den Kopf in den Nacken, um mir den klaren Sternenhimmel anzusehen. „Warum?"
Marcel seufzte tief und kurz darauf hörte ich das Geräusch eines klickenden Feuerzeugs, sowie anschließend ein vertrautes Blubbern.
Geräuschvoll blies er den Rauch aus, dann redete er endlich weiter. „Ich habe echt kein Problem damit, dass du jetzt gerne auch mal eine andere Stange polierst, als deine eigene. Aber ich muss wirklich nicht wissen, wie lange genau du ihn küsst, wo du währenddessen deine Hände hast und wo du Lukas Lustlanze an deinem Körper spürst. Und in welcher Reihenfolge das alles genau passiert, muss ich auch nicht unbedingt erfahren. Und bitte, erzähl mir nicht noch einmal Wort für Wort, was er dir alles ins Ohr stöhnt. Das ist wirklich zu viel für mich."

Ich lachte und gab dann ebenfalls einen tiefen Seufzer von mir. „Aber Marcel, ich habe doch sonst niemanden, mit dem ich darüber reden kann!"
„Dann musst du eine Frau deines Vertrauens einweihen. Ich bin einfach nicht der Typ für diese intimen und vor allem detaillierten Sex and the City-Gespräche!"
„Woher weißt du, was die da reden?"
„Das spielt jetzt keine Rolle."
„Ahh ja..."

Ich hörte erneut ein Klicken, gefolgt von einem Blubbern. „Erträgst du das Gespräch nur bekifft, mein lieber Freund?"
„Es hilft", sagte Marcel und lachte dann. „Nee, nee. Ich hör mir das ja gerne an, aber ich muss es mir nicht bildlich vorstellen können. Okay, du bist also dann aus dem Zimmer raus, nachdem du eben gesagt hast, was du gesagt hast und jetzt sitzt du im Garten. Hat er dich mittlerweile schon panisch angerufen oder so?"
Ich nahm kurz mein Handy vom Ohr und sah nach. „Angerufen nicht, aber ich habe ein paar Nachrichten von ihm. Aber er soll jetzt warten. Vielleicht komme ich heute Nacht auch gar nicht mehr, wer weiß."
„Wie meinst du das mit dem Kommen? Du kommst gar nicht mehr ins Zimmer rein, oder du kommst im Zimmer heute nicht mehr?", fragte Marcel und kicherte.
„Alter, du provozierst es aber auch, dass ich ausführlich werde! Vielleicht gehe ich heute nicht mehr ins Zimmer rein, meine ich damit."
„Achso. Okay. Aber du willst doch eigentlich, oder?"
„Auf jeden Fall. Aber verdammt, ich kann mir das doch nicht einfach so von dem gefallen lassen!", sagte ich und kickte ein paar Kieselsteine über den Betonweg.
„Es war schon mies, aber ihr habt doch auf der anderen Seite keinerlei Regeln aufgestellt."
Ich schnipste meine Kippe weg und zündete mir direkt eine neue an. „Nein, haben wir nicht. Aber mein Gott, seit zwei Tagen macht er mich heiß wie sonst was und erzählt mir, wie gerne er mit mir mal alleine wäre. Was er genau machen will, spare ich jetzt extra für dich aus."
„Sehr zuvorkommend."
„Ja, er tut halt so, als ob er das kaum noch erwarten könnte und dann haben wir tatsächlich mal ein Zimmer alleine, in das ich doch auf jeden Fall irgendwann nachgekommen wäre. Aber nein, diese kleine vierundzwanzigjährige Zecke hatte ja so, so, so schlimm Druck, dass er nicht noch zwei Stunden hätte warten können. Ja genau, so hat er es gesagt! Er hätte das gemacht, weil er total den Druck hatte", berichtete ich meinem geduldigen Freund am anderen Ende der Leitung.
„Klingt schon ziemlich notgeil. Mein Gott, ich hätte dem das so gar nicht zugetraut, dass er so drauf ist. Also auch dieses ähm... dominante und so. Also ich denke jetzt nicht ständig drüber nach, wie meine Bekannten so sexuell drauf sind, aber ihm hätte ich diese Art und Weise jetzt gar nicht zugeschrieben."
„Stille Wasser sind tief. Sehr tief, wie ich bei ihm erfahren habe", sagte ich und kicherte vor mich hin.

„Magst du das?", fragte Marcel und nahm nochmal einen Zug von der Bong. Ich zündete mir derzeit einen Joint an und begann damit, ein paar Runden durch den Garten zu laufen. „Marcel, wie soll ich dir denn da Antwort geben, ohne detailliert zu werden?"
„Einfach ja oder nein sagen reicht ja schon."
„Und warum willst du das wissen? Ein bisschen neugierig bist du ja auch, ne?", sagte ich grinsend und zupfte an einem Busch herum.
„Ich kenne halt keinen Schwulen so gut, dass ich ihn so was fragen könnte."
„Ich bin nicht schwul!", schrie ich schon fast in den Hörer.
„Sorry! Ja ich weiß, so war das jetzt auch nicht gemeint."
„Okay. Ja, ich mag das. Aber ich mag es nicht, wenn er meint, er könnte eben alles mit mir machen, was er will. Obwohl... irgendwie ja schon. Das ist ja eigentlich nicht mal das Problem. Also ich fand das echt unfassbar geil, wenn er einfach so ohne Ankündigung und ohne zu fragen losgelegt hat. Mich stört eher, dass er halt mit der Frau gefickt hat."
„Kannst du ihm das nicht so sagen?"
„Nein, das kann ich nicht. Mann Marcel, ich bin zwar schon länger scharf auf ihn und er hat schon ein paar Tage vorher angefangen, eindeutig zu flirten... aber wir haben uns vor drei Tagen das erste Mal geküsst. Da kann ich wohl schlecht sagen, er soll jetzt mit niemand anderem was haben, als mit mir. Warum denn auch?"
„Hast du irgendwie Gefühle für ihn?"

Zehn SekundenWhere stories live. Discover now