Fick sie halt!

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Braunschweig, 19. Oktober 2013

„Was war das denn bitte für ne kranke Aktion", lachte Benni und zog mich und Lukas mit je einem Arm zu sich heran, als wir nach dem Konzert den Flur entlang in den Backstage liefen. „Das nächste Mal, wenn ihr so ne abgefahrene Scheiße plant, weiht mich vorher gefälligst ein. Dann steh ich nicht erst mit offenem Mund auf der Bühne rum und glotze aus der Wäsche wie so ein Behinderter!"
„Autsch", stieß ich genervt aus und schüttelte Bennis Hand, die sich schmerzhaft in meine Hüfte bohrte, von mir ab.
„Stell dich nicht so an, du Pussy", sagte Benni und wuschelte jetzt mit dieser Hand grob in den Haaren von Lukas, der sich überhaupt nicht gegen diesen unsanften Überfall wehrte, herum. „Gut gemacht, mein kleiner Goldesel. Das bringt uns Aufmerksamkeit ohne Ende!"

Ich ließ die Beiden an mir vorbeilaufen und verschwand dann durch eine Tür nach draußen. Was redete Benni denn da für einen Müll? Das war keine kranke Aktion und keine abgefahrene Scheiße, was da zwischen mir und Lukas auf der Bühne passiert war! Es war einfach wunderschön und ich ärgerte mich total darüber, dass Benni das jetzt so ins Lächerliche zog. Warum tat er überhaupt so, als ob Lukas dafür verantwortlich gewesen wäre? Ich hatte doch ihn geküsst.
Ich setzte mich draußen auf eine alte, versiffte Holzbank und zündete mir einen Joint an. Während ich rauchte, legte ich meinen Kopf in den Nacken und sah mir die unzähligen, kleinen Sterne im klaren Nachthimmel an. Am Besten wäre es wohl, wir würden die Sache auf sich beruhen lassen. Es konnte sowieso nicht weitergehen, wenn sogar so ein kleiner Kuss schon eine solche Welle nach sich zog. Vor allem Benni würde uns sowieso nicht ernst nehmen können. Jetzt feierte er es noch, dass wir auf der Bühne rumgemacht hatten. Er hielt das schließlich nur für eine Publicity einbringende kranke Scheiße, wie er so schön ausgedrückt hatte. Aber wenn es mit Lukas ernst werden würde, würde das doch niemals gut ausgehen.
Vielleicht sollte ich mir einfach nicht so viele Gedanken machen. Wahrscheinlich würde es ohnehin nicht weitergehen. Es war nur ein Kuss. Sonst nichts.
Ich schnipste meinen fertig gerauchten Joint in die Hecke vor mir und blieb noch einen Moment sitzen, bis sich die angenehm entspannende Wirkung richtig bemerkbar machte.

Ich ging wieder rein und machte mich auf den Weg zu dem kleinen Raum, in dem die anderen schon saßen. Schon von Weitem konnte ich sie lachen und gröhlen hören und wäre am Liebsten direkt wieder umgedreht. Als ich die klebrige Türklinke runter drückte und die Tür öffnete, konnte ich direkt auf die Couch gegenüber der Tür sehen, auf der Benni press neben Lukas saß und noch immer Lobeshymnen wegen seiner super Aktion auf der Bühne abließ.
Lukas grinste ab und zu leicht, schien aber insgesamt mit der Situation überfordert zu sein und sah sich etwas hilflos im Raum um. Ich ließ mich auf einen Sessel in der Ecke fallen und nahm mir ein Bier vom Tisch. Niemandem schien aufzufallen, dass ich gerade das Zimmer betreten hatte. Alle stimmten bloß Benni zu, wie klasse Lukas das doch heute gemacht hatte. Zwar regte ich mich dank meines grünen Helfers gerade nicht mehr großartig darüber auf, trotzdem war meine Stimmung alles andere als gut. Wenigstens machte Lukas nicht solch blöde Sprüche über den Kuss, wie es die Anderen gerade taten.

„So, wie manche Weiber geguckt haben, fährt da heute bestimmt die ein oder andere mit nem feuchten Höschen nach Hause", scherzte Stefan.
„Ich dachte echt, ihr fickt gleich einfach. Gott sei Dank hab ich das alles gefilmt! Das kommt nach der Tour auf jeden Fall auf YouTube!", meinte Igor.
„Wessen Idee war das denn?", fragte Benni, während er eine Line vor sich legte.
„Seine", sagten Lukas und ich gleichzeitig.
„Ja wessen jetzt?", fragte Benni verblüfft.
„Meine", sagten Lukas und ich schon wieder zur gleichen Zeit.
„Alles klar, ihr Schwuchteln. Ist ja auch egal. Geil wars auf jeden Fall. Das macht ihr ab jetzt öfter", meinte Benni und zog sein Koks. Dann sprang er vom Sofa auf und stellte sich auf den Couchtisch. „Das wird der Durchbruch, ihr Luschen! Jetzt wird über uns geredet! Wir werden ganz groß, Alter. Dank eurem Rumgelecke kann ich mir bald ein Schloss bauen lassen!", schrie er und schlug mit seiner Faust in die Luft. Er war oft schon ohne Kokain ziemlich größenwahnsinnig, aber das Zeug holte nochmal das Beste aus ihm heraus.
„Benni, chill mal", sagte ich und lehnte mich in meinem Sessel nach hinten.
„Spaßbremse", blaffte er zurück und legte zwei Lines nebeneinander. „Zieh mal was, ist ja nicht zu ertragen."
„Kein Bock", antwortete ich und fing mir daraufhin einen fragenden Blick von Lukas ein. Ich sah zu Benni und verdrehte die Augen, dann sah ich nochmal zu Lukas. Er grinste leicht und zuckte mit den Schultern.
Ein paar Minuten später stand er auf und ging zur Tür. Als er sich sicher war, dass außer mir gerade keiner guckte, nickte er mit dem Kopf in Richtung des Flurs, um mir zu bedeuten, dass ich mitkommen solle, dann ging er raus. Ich überlegte kurz, blieb dann aber auf meinem Platz sitzen. Ich hatte echt keinen Bock darauf, mir noch mehr dumme Sprüche anhören zu müssen. Das Thema war nämlich endlich gewechselt worden und es musste nicht sein, dass es jetzt nochmal von vorne los ging, wenn Lukas und ich gleichzeitig verschwanden. Ich war mir sicher, dass wir uns in nächster Zeit sowieso noch mehr dummes Zeug anhören mussten, ohne noch weitere Gründe dafür zu liefern.

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