Ein Kuss, der dich nicht loslässt und dich Tage trägt

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Frankfurt am Main, 28. Oktober 2013

Irgendwann wurde ich durch ziemlich laute Geräusche geweckt, die ich schlaftrunken nicht ganz zuordnen konnte. Der Himmel draußen war noch pechschwarz und das ganze Zimmer stockdunkel, da auch die drei Teelichter auf dem Nachttisch längst abgebrannt waren.
Mir war arschkalt, was zum einen daran lag, dass ich noch immer nackt war, und zum anderen daran, dass Lukas sich im Schlaf völlig egoistisch in beide Decken eingewickelt hatte, in denen er jetzt mit einem zufrieden aussehenden Gesichtsausdruck neben mir lag.
Außer seinem Gesicht und einer Hand kam nichts von ihm unter der Bettdecke hervor. Erst jetzt bemerkte ich, dass er, obwohl er schlief, mit dieser Hand meine festhielt.

Natürlich fand ich das direkt viel zu süß, um mich irgendwie über seinen heimtückischen Deckendiebstahl aufregen zu können.
Da ich mir mein Zimmer ein paar Stockwerke unter uns ja eigentlich mit Igor teilte, fragte ich mich, ob dieser wohl in der Zwischenzeit mitbekommen hatte, dass ich schon stundenlang weg war.
Vielleicht hatte ich aber auch Glück und der Joint vorhin hatte ihn in ganz andere Traumwelten befördert, aus denen er vor dem nächsten Nachmittag nicht mehr erwachen würde.

Ich seufzte tief, als mir bewusst wurde, dass ich wohl demnächst in mein offizielles Nachtlager wechseln müsste. Natürlich würde Igor auffallen, dass ich fast die ganze Nacht nicht da gewesen war.
Unter anderen Umständen wäre das gar nicht mal etwas so außergewöhnliches.
Es kam öfter mal vor, dass ich mich während ein paar freien Stunden spontan mit Leuten traf, die ich in der jeweiligen Stadt kannte oder mir anderweitig die Zeit alleine vertrieb, wenn mir das enge aufeinander hocken auf Tour zu viel wurde.

Doch heute hatte ich ein paar Stunden zuvor noch Igors Unternehmungsdrang mit aller Kraft unterbunden und ihm vorgespielt, dass ich unendlich müde sei. Regelrecht in den Schlaf gezwungen hatte ich ihn, damit ich endlich zu Lukas hier rauf konnte.
Da wäre es wohl sehr verdächtig, wenn ich erst morgen früh zurück ins Zimmer gehen würde, um ihm dann eine erfundene Geschichte von spontanem Partywahn zu erzählen, der mich die ganze Nacht lang irgendwo hin getrieben hatte.
Auch, wenn ich ihm erzählen würde, dass ich einfach nur mit Lukas unterwegs gewesen war, gab es keinen offensichtlichen Grund dafür, Igor deshalb anzulügen.
Denn auch, wenn ich tatsächlich - aus welchen Gründen auch immer - alleine was mit Lukas machen wollte, wäre Igor doch der Letzte, der sich ausgeschlossen fühlen oder mir deshalb sogar böse sein würde. Dann hätte er einfach nur grinsend mit den Schultern gezuckt, es akzeptiert und wäre zu Benni und Stefan rüber gewandert.

Ich beschloss, noch ein paar Minuten hier liegen zu bleiben, bis ich ein wenig wacher war. Da mir mittlerweile wirklich extrem kalt war, zupfte ich ein paar mal erfolglos an der Decke herum, um mir ein Stück davon zu erobern, aber Lukas hatte sich viel zu fest darin eingewickelt.

Die Geräusche im Nebenzimmer wurden noch etwas lauter. Mittlerweile hörte es sich nicht mehr nur so an, als ob Möbel gerückt wurden oder so was in der Art. Nun hörte man auch noch ein rhythmisches Klatschen, das ab und an von leisem Stöhnen begleitet wurde.
Ich brauchte einen Moment, bis mein verschlafenes Hirn die Geräuschkulisse als Sexgeräusche identifizierte.
Augenblicklich wurde mir fürchterlich heiß und ich brauchte gar keine Bettdecke mehr. Nicht etwa, weil mich das so anmachte, sondern weil mir bewusst wurde, dass alle Menschen in den Zimmern um uns herum Lukas und mich genauso gehört hatten.

Bei einem ungewöhnlich lauten Klopfen an die Wand schrak nun auch Lukas aus seinem Schlaf hoch und zerquetschte mir fast meine Hand, die er die ganze Zeit über locker in seiner gehalten hatte.
Ich zog scharf die Luft ein und befreite meine schmerzende Hand aus seinem Todesgriff. Auch, wenn er jetzt nicht unbedingt zierlich war, hätte ich ihm eine solche Kraft nun auch nicht gerade zugetraut.
„Oh, Entschuldigung!", sagte er und schaute sich dann leicht verwirrt im Zimmer um. „Was war das?"
Ich musste ihm jedoch gar nicht erklären, was das war, weil die Dame hinter der Wand von ihrem Stecher gerade verlangte, sie noch eine Spur härter ran zu nehmen, woraufhin erneut ein lautes Klopfgeräusch zu hören war.
„Ahhh", sagte Lukas und grinste wissend. „Ist das ihr Kopf, der da an die Wand knallt, oder wie?"

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