die Neuen

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Der Himmel färbte sich langsam grau, doch in der Verschlossenen Stadt herrscht reges Treiben. Der Kaiser und die Edelleute schlafen noch fest in ihren seidenen Betten. In den zahlosen Palästen und Lustgärten herrscht tiefe Stille denn niemand wagt es einen Laut von sich zu geben. Sklaven huschen durch die dunklen Hallen. Sie Putzen die golbeschlagenen Möbel und fegen schnell die Tiegerfelle und Tepiche. Andere sind schon längst dabei für jeden der Edelleute ein viergängiges Frühstück zu kochen. Für jeden ein anderen.

Unsichtbar für den Kaiser und alle seine Freunde huschen diese rastlosen Knechte und Mägdte von früh bis spät durch die Paläste. Angetrieben vom Hunger jähtete Tau die Blumenbeete. Er war wie alle anderen schon sehr früh von den Treibern geweckt worden. Wer sich nach ihrem Schrei noch verschlafen ins Stroh kuschelte bekam die Peistche zu spüren. Zeit für Gespräche gab es keine. Außer spät Abends nach der Arbeit oder während der hastigen Mahlzeiten. Mit ganzem Herzen sehnte sich Tau die Hand voll Reisbrei, die er Frühstück nannte.

Heute würde ein besonderer Tag sein. Heute würden neue Sklaven kommen. Man hatte sie gekauft um die zu ersetzten, die an der Seuche gestorben waren. Das war deutlich billiger als die kranken medizinisch zu versorgen.

In der Essensschlange hatte Tau das Glück direkt hinter seinem Freund zu stehen. Dieser flüsterte ihm ins Ohr, dass die Hauptfrau des Kaisers eine Affäre mit dem General hatte.

"Wer weiß, wir könnten ein Geschäft machen. Ein Bisschen mehr Essen gegen das was wir Wissen," Chang zwinkerte Tau zu.

"Ich weiß wirklich nicht... Dann kommt die Frau wegen uns in den Todesbrunnen."

"Meinst du die kümmerst's wenn es uns schlecht geht? Erinnerst du dich wie sie meine Schwester halbtot prügeln lassen hat? Und das nur weil ihr das Bettlacken nicht sauber genug war."

"Schau mal da stehen die neuen."

Die Treiber hatten fünfzig Sklaven aufgereit. Einer ging an ihnen vorbei und begutachtete den "Einkauf".

"Dem Kaiser wurden 27 neue Conkubienen geschenkt...", murmelte er, " wir werden ein paar Eunuchen für sie brauchen. Der wird einer werden... und der."

Schluckend traten die aufgerufenen Männer vor. Einer fiehl auf die Knie.

"Ich flehe euch an. Ich wollte bald heiraten. Gebt mir doch nur zwei Monate und ann macht was auch immer ihr wollt," flehte er die Treiber an.

Dieser antwortete mit einer Ohrfeige. "Das wollt ihr alle, tritt vor."

Verzweifelt stand der Mann auf und trat vor. Er drehte sich noch einmal zu der Frau neben ihm auf und löste mit seinem Blick die Verlobung auf. Grinsend sperrten die Männer den Schmerz in sich ein und nahmen innerlich von ihren Träumen Abschied.

Kommentarlos ging der Treiber weiter. Plötzlich drehte er sich zu seinem Kollegen und fuhr ihn an.

"Und hierführ gibst du das Geld des Kaisers aus." Er deutete mit der Hand auf eine Frau die am Ende der Reihe stand.

Sie mit ihrer blassen Haut und ihrem kräftigen schwarzen Haar sah sie aus wie eine Porzellanpuppe. Und man sah ihr an, dass sie genauso zerbrechtlich ist. Sie war eindeutig keine geborene Sklavin. Der Treiber packte ihren Arm und betastete ihn skeptisch. Wie eine Puppe ließ sie alles regungslos über sich ergehen.

"Die hat ja keinen einzigen Muskel im Leib," knurrte der Treiber, "Wie konntest du 375..."

"Die gab's kostenlos wie weil wir viele gekauft haben! Wie hast du mich gerade genannt?"

Tau schüttelte lächelnd den Kopf.

"Ist mal eine nette Abwechslung. Wenn die sich lang genug streiten haben wir Unterhaltung für den ganzen morgen. Und vielleicht könnten wir uns sogar ein längeres Frühstück gönnen."

"Sie bloß zu, dass denen nich auffällt, dass wir sie beobachten. Sonst sind unsere Rücken fällig," murmelte Chang belustigt, "Sieh dir mal das hübsche Ding an. Da draußen ist wohl ein Reicher bankrott gegegangen und jetzt werden seine Kinder vekauft. Scheinbar gibt es doch Gerechtigkeit."

"Die sieht nicht so aus als ob die hier lange überlebt. Meinst du sie wird versuchen sich umzubringen?"

"Wahrscheinlich. Bei denen gilt es doch als Schande bankrott zu gehen. Noch mehr in die Sklaverei verkauft zuwerden."

"Wenn das bei uns auch so wäre hätten sich unsere Eltern alle umgebracht und es gäbe uns nicht."

"Ich denke dann wären wir bloß in andere Körper geboren worde."

"Ich frag mich immer was wir in unseren früheren Leben verbrochen haben um jetzt Sklaven zu sein. Oder ob wir überhaupt früher gelebt haben... Ich kann mich an nix erinnern."

"Na Herr Philosoph das alles weiß ich nicht. Aber eins weiß ich: Wenn die Puppe heute nacht bei uns schläft, gibt's 'ne Menge Spaß."

"Wenn die anderen auch so denken übelelbt sie nicht mal heute Nacht. Das wird Ärger geben."

"Du lieber Himmel. Wer so viel nachdenkt wie du raubt sich ja das letzte Bisschen Spaß."

"Vielleicht doch nicht," Tau zwinkerte, "ich hab bloß irgendwie Mitleid mit ihr."

Der Tag verging wie viele andere in pausenloser Arbeit. Am Abend stellte sich heraus, dass die Frauen breits eine Verschwörung organisiert hatten um zu verhinbdern, dass ihre Ehemänner untreu wurden. Taus Cousine Feuer hatte die Neue sofort unter ihre Fitiche genommen. Sie machte mit ihrer rabiaten Art alle Hoffnungen zunichte. das war auch der Grund, dass man sie Feuer nannte. Nun saß sie mit ihrer Schwester und Tau's Mutter in der Ecke der Familie und versuchte die Neue zum Essen zu bringen. Das waren alle, die die Seuche von Taus Familie übrig gelassen hatte.

"Na schon etwas erreicht?," fragte er als er sich ihnen setzte.

"Nix. Sie ist nicht, sie spricht nicht. Komm Mädchen iss was! Du kommst sonst um."

"Genau das will ich..." murmelte die Neue ohne den Kopf zu heben.

"Wie heißt du?", fragte Tau.

Keine Antwort.

"Was ist mit dir geschehen?"

Wieder keine Antwort.

Tau überlegte kurz.

"Weißt du du könntest mich sehr glücklich machen..."

Die Neue zuckte zusammen.

"... indem du mir lesen bei bringst."

Sie blickte auf.

"Bitte ich hab mir das schon immer gewünscht."

"Wie heißt du?"

"Tau Kong Wa"

Das Mädchen schrieb mit dem Finger auf den Lehmboden. Tau rutsche beiseite damit mehr Mondlicht auf die Strift viel. "Das ist dein Name," verkündete die Neue ruhig.

Ehrfürchtig strich Tau mit dem Finger über die sonderbaren Zeichen. "Man kann meinen Namen aufschrieben...", murmelte er andächtig. Freuden Tränen stiegen in seine Augen. Strahlend sah er die Fremde an.

"Was dachtest du denn?", fragte diese überrascht.

"Das man nur die Namen der Reichen aufschreiben kann."

Bald kamen die anderen um die schöne Schrift zubewundern. Die Neue schrieb ruhig alle Namen auf. Nun strich jeder liebevoll über die Zeichen die seinen Namen verewigten. beigeistert wie Kinder blickten die Sklaven auf die Zeichen. Bald steckten sie auch die neue mit ihrer Freude an. Sofort versuchte jeder sie nachzumalen und nach ein paar Versuchen ging jeder sehr zufrieden in seine Ecke.

Ein scheues Lächeln stand auf dem Gesicht der Neuen, als sich jeder wieder hingelegt hatte.

"Die gute Tat werden dir die Götter in deinem nächsten Leben anrechnen...", sagte Feuer und klopfte der Neuen auf die Schulter.

"Komm du hast bestimmt Hunger," erwiderte Tau und reichte ihr eine Hand voll Reisbrei, denn die Neue sofort herunter schlang.

"Wie heist du?", fragte Tau vorsichtig.

"Schwalbe."

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Die Kehrseite von WolkenkuckucksheimWhere stories live. Discover now