Kapitel 2

526 14 1
                                    

Was war da los? Ich ging nochmal ein paar Schritte zurück, um so zu tun als wäre ich gerade erst in die Sporthalle gekommen. Ich ging um die Ecke und sah das Mo auf dem Boden lag. Frau Renz redete auf ihn ein.
"Ähm kann ich irgendwas helfen.", sagte ich vorsichtig. Ich fühlte mich fehl am Platz.
Frau Renz sah kurz zu mir hoch. Schüttelte dann doch den Kopf. Mo machte langsam die Augen auf und setzte sich hin. Seine dunkle Haut schien blass zu sein.
"Mo, ist alles in Ordnung?"
Frau Renz gab Mo eine Flasche Wasser, die er dankbar annahm. Dann viel sein Blick auf mich.
"Entschuldigung, aber ich habe mein Handy hier liegen gelassen.", versuchte ich aus der Situation rauszukommen.
"Ja, ich hab es eingesteckt, hier ist es.", sagte Frau Renz und fischte mein Handy aus ihrer Jackentasche. Ich nahm es schnell und verschwandt. Warum war Mo umgekippt, als er meinen Namen hörte? Kannte ich ihn doch?

Als ich Zuhause die Tür aufschloss war ich froh, dass Nina nicht da war. Ich wohnte jetzt schon fast ein halbes Jahr bei Nina. Sie war mal meine Therapeutin in der Klinik. In der Zeit entwickelten wir eine ungewöhnliche Therapeut-Patient Beziehung. Nach meiner Entlassung wollte ich nur ungern wieder zurück ins Heim und sie brachte das Jugendamt tatsächlich dazu mich bei ihr wohnen zu lassen. Da ich schon 18 war, war das eh nicht so das große Problem. Ich hatte außerdem das Gefühl, dass die froh waren mich endlich los zu sein.
Ich schleuderte meine Tasche in die Ecke, zog die Rollos runter und legte mich aufs Sofa. Ich war total müde. Der Tag hatte mich irgendwie geschafft. Wer war Mo?
Mit dieser Frage schlief ich ein.
Ich rannte und rannte, aber irgendwie kam ich nicht von der Stelle. Er war dicht hinter mir. Er war riesig. Ich wusste, wenn er mich bekommt würde er ganz schlimme Dinge mit mir machen und dann wäre ich tot. Weiter hinten stand jemand ein junger Mann. Es war Mo. Ich schrie um Hilfe, aber er grinste mich nur an. Hörte er mich denn nicht? Der große Mann kam immer näher, gleich hatte er mich.
Ich schrie wie am Spieß.
Schreiend wachte ich auf.
"Kyra...du hast mich erschreckt!", rief Nina.
Ich ignorierte sie und verkroch mich tiefer im Sofa und zog mir die Decke über den Kopf, mit der Nina mich wahrscheinlich zugedeckt hatte.
"Herzele, hast du schon was gegessen?", fragte Nina.
"Ja.", log ich.
"Kyra, würdest du dir bitte nicht die Decke über den Kopf ziehen, wenn ich mit dir rede? Du weißt wie sehr ich das hasse.", sagte Nina und zog mir die Decke weg.
Ich stöhnte und stand auf.
"Sag mal, hast du heute überhaupt schon was gemacht?", fragte Nina während sie mich von oben bis unten betrachtete. Manchmal kannte sie mich einfach zu gut. Sie wusste, dass ich mir immer meine graue Jogginghose anzog, wenn ich von der Schule kam.
"Ja, ich habe geschlafen.", grinste ich sie an.
"Du weißt, dass das Depressionen fördert wenn du den ganzen Tag schläfst und die Rollläden runterziehst."
"Zum Glück habe ich ja keine."
"Isst du jetzt bitte mit."
"Ja, aber ich habe keinen Hunger."
Blöd nur, dass mein knurrender Magen was anderes sagte.
Nina schaute mich nur von der Seite an und ging in die Küche. Ich lief hinterher und fing an den Tisch zu decken.
Wenig später saßen wir beide vor unseren Nudeln und aßen.
"Und? Wie war es auf der Arbeit?", fing ich ein Gespräch an.
"Stressig. Die Patienten haben zur Zeit alle eine null Bock Einstellung. Das nervt total. Aber es werden jetzt ein paar entlassen. Ich hoffe danach wird es wieder besser. Und wie war die Schule?", wandte Nina ein. Mich wunderte es, dass sie mich sofort nach der Schule fragte. Eigentlich erzählte sie mehr über ihre Arbeit.
"Wie immer. Ist halt Schule."
"Magst du mir nicht was erzählen."
"Sieht man mir das so an?"
"Herzele, wie lang kennen wir uns jetzt schon. Ich seh doch wenn etwas nicht stimmt."
"Ja keine Ahnung. Wir haben seit heute so einen Praktikant bei uns auf der Schule, angeblich der Neffe von der Frau Renz. Mich wundert es nur, dass er ziemlich dunkel ist. Also er ist nicht ganz schwarz, aber dunkel und Frau Renz ist ja mal gar nicht dunkel. Er heißt Mo und er kommt mir mega bekannt vor. Ich habe heute ein Gespräch zwischen ihm und der Frau Renz belauscht, da meinte er auch, dass er mich kennt. Aber ich weiß einfach nicht woher."
"Frag ihn doch einfach."
Skeptisch sah ich Nina an.
"Nein, mit dem red ich nicht. Den kenn ich nicht, dann ist der doof und außerdem ist das ein Mann, also erst recht doof.", scherzte Nina.
Ich warf meine Serviette nach ihr und fing an den Tisch abzuräumen.
Danach ging ich in mein Zimmer. Nina hatte es perfekt eingerichtet, manchmal war es auch ein Vorteil, dass sie mich so gut kannte.
Mein großes Bett stand an der Wand und ragte ins Zimmer, dahinter hingen ganz viele Bilder und Fotos. Dann hatte ich noch einen Schrank mit einem echt großem Spiegel davor und ganz tolle schwarze Vorhänge vor dem Fenster. Ich liebte mein Zimmer. Vorallem weil ich mich in diesem Zimmer das erste Mal in meinem Leben richtig sicher fühlte.
Im Heim hatte ich nie wirklich viel Privatsphäre und davor, als ich bei meinem Onkel und dessen Sohn lebte, sowieso nicht. Ich schauderte, als ich daran dachte wie ich damals zitternd die Nächte verbrachte in der Hoffnung mein Onkel würde nicht in mein Bett kommen und mir weh tun.
Ich merkte gar nicht, dass Tränen mir die Wangen runterliefen. Wütend wischte ich sie weg. Weinen war was für Schwache.
Nina nahm mich von hinten in den Arm. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie in mein Zimmer gekommen war. Es tat gut in den Arm genommen zu werden. Nina war die erste bei der ich das zulassen und genießen konnte.
"Komm geh ins Bett.", sagte Nina und führte mich ins Bett, sie deckte mich zu und legte sich zu mir bis ich einschlief.

Just MeWhere stories live. Discover now