Kapitel 30

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Am nächsten Tag war ich so gut gelaunt wie schon lange nicht mehr.
In die Schule zu gehen bekam ich an diesem Tag gut hin, was wahrscheinlich daran lag, dass mich niemand nervte und der Unterricht nicht all zu lange ging.
Direkt danach fuhr ich mit dem Bus aus der Stadt. Mark hatte mir seine Adresse gegeben. Ich wollte mir mal anschauen wo er wohnte.
Ich suchte eine ganze Weile bis ich die Straße, oder besser gesagt Weg, gefunden hatte. Der Weg endete bei einem großen Haus, der an einen Stall grenzte. Ich sah mich um und erblickte große Weiden auf denen Pferde standen. Ich staunte. Ich überlegte was ich machen sollte. Aber meine neugier siegte. Anstatt zu klingeln, machte ich die Stalltür auf. Der Stall war riesig. Ich lief die Boxen entlang und sie waren alle leer. Am Ende war eine Tür, die ich öffnete. Sie führte zu einem großen Hinterhof. Hier liefen Katzen und Hühner rum. Ich bereute es Kamu nicht mitgenommen zu haben, er hätte sicherlich Spaß gehabt. Ich ging zu den Koppeln und streichelte ein paar Pferde. Mir gefiel es hier. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich hier wohl fühlen könnte.
"Wer bist du?"
Ich erschrak gewaltig und machte einen Satz. Ein kleiner Junge stand neben mir und sah mich neugierig an.
Er war dunkelblond und hatte große blaue Augen.
"Ich...äh...ich wollte mich nur mal umsehen.", stammelte ich. Ich fühlte mich total ertappt.
"Warum?", fragte er weiter.
"Weil...äh...ich...nur so.", erst jetzt viel mir seine Ähnlichkeit zu Mark auf.
Plötzlich fühlte ich mich komisch. Was machte ich hier eigentlich? Ich mischte mich ihr einfach in sein Leben.
"Ich bin dann auch schon weg.", sagte ich. Ich beeilte mich hier weg zu kommen.
Ich rannte durch den Stall und wieder nach draußen.
"Kyra!", rief mir jemand hinterher.
Ich blieb stehen und drehte mich um. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Es war eine schlechte Idee hierher zu kommen. Mark stand in der Haustüre und winkte mich zu sich. Ich atmete einmal tief durch und ging zu ihm.
"Sorry. Ich wollte hier nicht einfach so unangemeldet auftauchen. Ich bin schon wieder weg." ...und komme nie wieder, fügte ich in Gedanken dazu.
"Kyra, ich freu mich, dass du hier bist. Komm rein."
Mark schob mich einfach durch die Tür nach drinnen. Ich war total überfordert.
"Komm ich mach dir was zu essen. Du hast bestimmt hunger.", sagte er und lachte mich an.
Ich folgte ihm in die Küche und fühlte mich total schlecht.
"Ich kann auch wieder gehen.", sagte ich zittrig.
Erstaunt sah Mark mich an.
"Nein, du kannst gerne bleiben."
Mark setzte ein paar Nudeln auf und schob mir einen Stuhl hin.
Vorsichtig klopfte jemand an der Tür und eine Frau betrat den Raum. Sie hatte lange Haare und war etwas kräftiger.
"Hallo, na Mark, wen hast du denn da aufgegabelt?", fragte sie.
Mark umarmte die Frau und grinste.
"Das ist Kyra, meine Tochter. Ich hab dir von ihr erzählt.", meinte Mark und wandte sich an mich, "Kyra, das ist Mara meine Schwester. Das Haus und der Hof gehören ihr. Sie ist so nett und lässt mich hier wohnen."
Schüchtern lächelte ich Mara an.
"Hey Kyra. Bekommst du daheim schon was zu essen? Du bist ja echt krass dünn.", begrüßte diese mich.
Ich verkniff mir eine Bemerkung.
Mark füllte mir und sich einen Teller auf und setzte sich zu mir.
Mara setzte sich auch dazu.
"Magst du nachher mit mir zu den Pferden kommen?", fragte Mara mich freundlich.
"Ja total gerne."
"Kannst du reiten?"
"Ja ein bisschen."
"Gut dann kann ich dich brauchen."
Ich lächelte und freute mich wirklich.
Ich erschrak als mein Handy klingelte. Ich entschuldigte mich und ging raus in den Flur.
Es war Nina.
"Wo bist du?", fragte sie ohne Einleitung.
"Bei Mark. Es ist echt schön hier, aber ich komm bestimmt demnächst heim."
"Kyra, bitte. Sag mir vorher bescheid, wenn du irgendwo hingehst."
"Ja mach ich in Zukunft."
"Ich hole dich später ab, okay? Warte auf mich.", sagte Nina und legte ohne eine Antwort abzuwarten auf.
Ich ging wieder zurück, blieb aber vor der Tür stehen, als ich Mark und Mara reden hörte.
"....bist du dir da wirklich sicher?", hörte ich Mara sagen.
"Ja natürlich. Mara, sie ist meine Tochter. Mein Fleisch und Blut und sie braucht mich.", sprach Mark sehr ernst.
"Ja klar. Aber sie ist kein normales einfaches Mädchen. Sie hat viele Probleme. Willst du dich wirklich damit rumschlagen?"
"Also bitte. Sie ist trotzdem meine Tochter. Ja, sie ist anders, aber ich werde mein bestes geben. Ich will sie lachen sehen. Sie sieht ihrer Mutter unglaublich ähnlich. Kyra, ist genauso hübsch wie sie und ich will ihr das bieten was sie nie hatte."
"Mark, ich mach mir doch nur Sorgen. Was ist wenn sie dich nur ausnutzt? Sie weiß bestimmt nicht was richtig und was falsch ist. Außerdem, hast du gesehen wie dünn sie ist? Das ist bestimmt nicht ihr einziges Problem."
"Mara, du hast doch keine Ahnung, was die Maus schon durchmachen musste. Ich weiß nicht genau was sie für Probleme hat. Ich weiß nur, dass sie im Krankenhaus lag und immer noch geschwächt ist. Nina hat mir nicht so viel erzählt, nur ein bisschen was. Ich werde warten bis sie sich mir öffnet."
"Sei vorsichtig..."
Ich ging langsam rückwärts. Was bildete die sich ein über mich zu urteilen? Die kannte mich doch gar nicht. Ich verließ das Haus und ging wieder zu den Koppeln der Pferde. Erst jetzt bemerkte ich ein Pferd das ganz alleine auf einer kleinen Koppel stand. Es war genauso alleine wie ich mich gerade fühlte. Ich ging zurück in den Stall, schnappte mir einen Strick und zog meinen Pulli aus. Es war zwar frisch, aber mein Top musste jetzt reichen. Der Pulli würde mich nur stören. Ich kletterte über den Zaun der Weide und ging zu dem Pferd. Es war hübsch. Er war ein Schimmel und ein Hengst. Ich ging langsam auf ihn zu und hielt ihm meine Hand hin. Er sah mich an und  kam langsam auf mich zu. Seine Ohren spielten verrückt. Er war nervös. Ich fing an ihn am Hals zu streicheln und an den Ohren zu kraulen. Er wurde ruhiger. Vorsichtig zog ich ihm das Halfter an und warf den Strick über seinen Hals.
"Hey was machst du da?", rief der kleine Junge von vorher. "Das darfst du nicht."
Ich ignorierte ihn. Er drehte sich um und rannte Richtung Haus. Ich musste mich beeilen bevor der Bengel petzte. Ich schwang mich auf den Rücken des Hengstes. Er machte einen riesen Satz, aber ich hielt mich. Ich atmete ruhig und fing an zu summen, dann ritt ich an. Der Schimmel warf seinen Kopf hoch, fiel aber in den Schritt. Ich ritt zum Tor und machte dies auf.
"Kyraaaaa!", schrie jemand entsetzt. Mark und Mara rannten gefolgt von dem Jungen aus dem Haus auf mich zu. Der Hengst erschreckte sich gewaltig und stieg. Ich konnte mich gerade noch an seiner Mähne festhalten. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Das Pferd galoppierte an. Ich hatte die Kontrolle verloren. Die Deppen hatte den Armen echt erschreckt. Der Schimmel galoppierte mit mir über die Wiese in den nahegelegenen Wald. Äste beitschten mir ins Gesicht.
"Ruhig. Na komm schon beruhig dich.", sagte ich verzweifelt.
Ich fing wieder an zu summen und er beruhigte sich tatsächlich. Er verfiel in einen langsamen Trap und schließlich in den Schritt bis er dann anhielt. Ich ließ mich erschöpft auf seinen Hals sinken. Das war zu viel für mich gewesen. Ich spürte den warmen Pferdekörper unter mir und merkte wie er wieder in den Schritt fiel. Mir wurde immer wieder schwarz vor Augen. Ich machte die Augen zu und hoffte, dass ich mich auf den Schimmel verlassen konnte.

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