Kapitel 22

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Ich durfte am nächsten Tag ausschlafen. Als ich aufwachte, ging ich erstmal duschen und dann nach unten. Ich ging ohne Umwege in Ninas Büro und umarmte sie. Diese sah mich total verblüfft an.
"Danke.", sagte ich und ging wieder raus. Ich drehte mich an der Tür nochmal um und sah, dass Nina lächelte. Es tat gut sie lächeln zu sehen, vorallem weil ich wusste, dass es wegen mir war.
Mel und ich gingen eine Runde joggen. Danach setzten wir uns vor die Station auf die Wiese.
"Was war das gestern bei dir?", fragte Mel.
Ich seufzte.
"Ich hab eine PTSD und hab halt Dissoziationen und Flashbacks. Ich check da gar nichts. Meine Vergangenheit ist für mich da real, so als würde ich alles nochmal erleben.", sagte ich. Ich wusste nicht, wie ich das besser erklären sollte.
"Oh krass. Dann war deine Vergangenheit wohl nicht so geil.", stellte sie fest. Ich war froh, dass sie nicht mehr fragte.
"Warum bist du eigentlich hier?", fragte ich Mel.
"Meine Eltern haben sich sehr unschön getrennt und ich bin irgendwie auf der Strecke geblieben. Ich hab Aggressionen entwickelt und sie an anderen ausgelassen. Kommt in der Schule nicht so gut.", meinte Mel.
Ich nickte.
"Warum wohnst du bei Frau Reck?", ssgte Mel. Anscheinend wurde das jetzt eine Fragestunde.
"Meine Mum ist gestorben als ich sechs war. Danach bin ich zu meinem Onkel und meinem Cousin gezogen. Mit 12 oder 13, so genau weiß ich das nicht mehr, ich habe immer noch Erinnerungslücken, bin ich ins Heim gekommen. Das Heim war eigentlich nicht schlecht, aber irgendwann fingen die Probleme an. Die sind nicht mit mir klar gekommen und ich musste in die Klinik. Ab da war ich immer wieder in der Klinik und irgendwann war Nina meine Therapeutin und ich war zwei Jahre hier auf Station. Als ich entlassen worden bin hat Nina für mich gekämpft und das Jugendamt hat zugestimmt, dass ich bei ihr wohnen darf, solange sie mich im Griff hat. Ähm...ja das wars eigentlich.", erzählte ich Mel.
"Tut mir echt leid mit deiner Mutter. "Was ist mit deinem Vater?"
"Keine Ahnung. Den kenne ich nicht."
"Mega nett von Frau Reck, dass du bei ihr wohnen darfst."
Sah ich da Neid in Mels Augen aufblitzen? Ich zuckte mit den Schultern.
"Komm lass uns reingehen.", meinte ich schließlich.
Wir gingen rein. Sina sah uns neugierig hinterher als wir in die Küche liefen um was zu trinken.
"Kyra?", fragte sie schließlich.
"Was?"
"Wie lang bist du noch hier?"
"Weiß ich nicht.", antwortete ich. Was zum Teufel wollte die von mir. Ich drehte mich um und ging nach oben in mein Zimmer.

Ich hörte Musik und zeichnete den ganzen Nachmittag. Ich hörte gar nicht, dass jemand in mein Zimmer gekommen war. Ich erschrack total als ich Nina plötzlich neben mir bemerkte.
Ich nahm meine Kopfhörer aus den Ohren.
"Sorry.", meinte Nina, "was hörst du?"
"Ach alles mögliche. Gerade hab ich Silbermond gehört. Was wolltest du?", sagte ich.
"Ich wollte gar nichts. Du hast Besuch."
"Wie was? Wer?", fragte ich.
"Komm mit runter und du siehst es."
Nina und ich gingen zusammen nach unten. Ich sah Morris unten stehen.
"Mo!", rief ich. Wir umarmten uns.
"Na wie geht's dir? Ich kann leider nicht lange bleiben und ich soll dir schöne Grüße von der Nicole sagen.", begrüßte er mich.
"Danke. Nicht so schlimm, es zählt, dass du überhaupt hier bist."
Mo und ich gingen eine Runde spazieren. Er ließ mich alles vergessen. Wir alberten herum und hatten Spaß. Ich war ihm dankbar, dass er nicht über ernste Themen mit mir sprechen wollte.
Leider brachte er mich schon nach einer Stunde wieder zurück und musste gehen.
Den restlichen Tag verbrachte ich in meinem Zimmer.

"Kyra. Du hast verschlafen.", hörte ich eine Stimme. Ich drehte mich um und sah Nina ins Gesicht.
"Oh fuck!", rief ich als mein Blick auf die Uhr fiel. Ich hatte ganze zwei Stunden verschlafen. Erschrocken sprang ich aus dem Bett an Nina vorbei ins Bad. Ich duschte in Rekordzeit. Mit nassen Haaren und Jogginghose lief ich wieder in mein Zimmer. Ich schloss die Tür hinter mir und schrie auf als ich Nina auf meinem Bett sitzen sah.
"Boha. Hast du mich erschreckt. Hast du jetzt die ganze Zeit in meinem Zimmer gesessen?"
"Ja. Herzele, ich hab keine Lust zu arbeiten.  Ich sollte jetzt aber wieder runter gehen.", lachte Nina. Ich sah ihr verwundert hinterher als sie nach unten ging.
Kurze Zeit später ging auch ich nach unten.
"Kyra, du hast heute keinen Ausgang.", meinte Sina höhnisch.
Das war hier die Regel, wer nicht pünktlich zum Frühstück erschien, durfte nicht raus.
"Hat dich doch nicht zu interessieren, oder?", zickte ich zurück.
Sina sah beschämt weg.
Ich ging in Ninas Büro und setzte mich einfach.
"Nina, wann darf ich nach Hause?", fragte ich.
"Mach mal die Tür zu."
Ich tat was sie mir sagte und setzte mich wieder.
"Herzele, dein Onkel ist immer noch auf freiem Fuß und solange das so ist, kannst du noch nicht nach Hause kommen. Es tut mir echt leid.", erklärte Nina mir mit ernster Miene.
"Ich will aber nicht mehr hier sein. Ich fühle mich so allein gelassen.", offenbarte ich ihr nach einigem zögern.
"Du bist nicht alleine. Ich unterstütze dich wo ich nur kann.", Nina kam zu mir rüber und nahm mich in den Arm.
"Ich wünsch mir doch auch, dass du bald wieder daheim bist. Auch wenn du es mir nicht glaubst, aber ich vermisse dich und Kamu vermisst dich auch.", flüsterte sie mir ins Ohr.
Mir traten Tränen in die Augen. Ich versuchte sie weg zublinzeln.
"Ich kann dir nie das zurück geben, was du mir gibst.", gestand ich.
"Doch tust du. Du gibst mir auch unglaublich viel.", sagte Nina und ließ mich los.
"Und jetzt ab mit dir. Ich muss arbeiten.", Nina schob mich aus der Tür.
Sina sah musterte mich von oben bis unten als ich an der Küche vorbei lief.
"Was?", keifte ich sie an. Mal ganz ehrlich was sollte das.
"Nichts.", meinte sie und drehte sich weg.
"Wenn du ein Problem mit mir hast dann sag es doch.", sagte ich müde. Ich war es leid.
"Du schmeißt dich voll an Frau Reck ran. Die hat auch andere Patienten. Und du darfst bei ihr einfach alles. Ich darf mich nicht einfach so in ihr Büro setzen. Was soll das?", warf Sina mir vor.
"Bitte was?", ich war sprachlos, "Sorry, aber ich wohne bei ihr. Sie ist sozusagen mein Vormund, meine Ersatzmutter. Wie auch immer. Ich glaube sie kommt dir schon gerecht Sina."
"Du wohnst bei Frau Reck?", Sina starrte mich mit offenem Mund an.
"Ja tue ich, aber das ist privat und geht dich nichts an."
Ich drehte mich um und ging nach oben.
"Kommst mit raus?", fragte Mel mich während sie mir entgegen lief.
"Ich hab keinen Ausgang.", jammerte ich.
"Hat dir ein Betreuer gesagt, dass du keinen hast?"
"Nein."
"Gut, dann komm doch mit. Juckt doch keinen."
Mel grinste mich an. Ich zuckte mit den Schultern.
"Na gut. Dann los.", grinste ich zurück.
"Wir sind so böse.", lachte Mel als wir raus liefen.

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