Kapitel 27

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"Naaa Mäuschen. Aufwachen.", Nina berührte mich am Arm. Langsam machte ich die Augen auf. Ich war wohl eingeschlafen.
Ich gähnte einmal herzhaft und streckte mich. Wir stiegen aus und gingen in Ninas Lieblingscafé.
Kamu legte sich brav unter einen Tisch. Während Nina für mich und sich bestellte.
Ich schaute derweilen auf die Straße. Es regnete, aber irgendwie fand ich es schön wie die Tropfen an den Fenstern zersprangen und bis zum Sims runter liefen, bis sie dort einen See bildeten. Die Menschen liefen schnell um nicht nass zu werden, während ich im Trockenen saß.
"Jemand zu Hause?", riss Nina mich aus den Gedanken.
"Hä was? Ja klar.", ich grinste sie an.
Ich wärmte meine Hände an meinem Kakao.
"Kyra, ich muss dir was sagen.", fing Nina an.
Erschrocken sah ich sie an.
"Nichts schlimmes.", wandte sie schnell ein als sie meinen Blick sah.
"Ich habe nach deinem Vater gesucht und ihn gefunden.", Nina sah mich unsicher an. Ich war genauso unsicher. Wie sollte ich jetzt reagieren? Was war angebracht?
"Okay?", sagte ich also total emotionslos.
"Ich habe jetzt mehrere Wochen mit ihm geschrieben und mit ihm telefoniert. Er wusste gar nicht, dass es dich gibt und er würde dich sehr gerne kennenlernen.", fuhr Nina fort.
Panik kroch in mir hoch.
"Ich kenn den doch gar nicht. Der ist mir fremd. Ich will nicht bei dem einziehen oder so. Willst du mich loswerden?", brach es aus mir heraus.
"Kyra, stopp. Sofort. Ich will dich nicht loswerden. Du sollst weiter bei mir wohnen. Du kannst so lange bei mir wohnen wie du willst."
Erleichtert atmete ich aus.
"Was will der denn von mir?"
"Herzele, du bist seine Tochter. Natürlich will er sein eigen Fleisch und Blut kennen lernen."
Ich rang mir ein grinsen ab. Irgendwie war ich ja schon neugierig, aber durfte ich das zeigen?
"Soll ich dir was über ihn erzählen?", fragte Nina mich. Ich nickte unsicher.
"Gut. Also er heißt Marc, er ist 41 und er ist selbstständig. Er besitzt einen Laden, sogar hier in der Stadt. Er ist echt ganz nett, Kyra. Marc hat mir erzählt, deine Mum habe ihn verlassen ohne Grund. Er hätte nie wieder was von ihr gehört bis er ihre Todesanzeige in der Zeitung gelesen hatte, dass sie dich hatte, hätte er nichtgewusst. Er meinte, sonst hätte er dich sofort zu sich geholt.", erzählte Nina mir. Ich nippte an meinem Kakao. Wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn ich bei ihm aufgewachsen wäre?
"Und er will mich wirklich in seinem Leben haben?", zögerte ich zu fragen.
Nina nickte und lächelte. Ich freute mich. Ich hatte mir immer vorgestellt, wie es wohl wäre einen Vater zu haben. Ich trank meinen Kakao leer und Nina ihren Kaffee.
"Sollen wir noch kurz mit Kamu laufen?", fragte Nina.
Ich grinste begeistert.
Wir fuhren in den Park, aber schon nach zehn Minuten musste ich mich setzen. Ich konnte nicht mehr. Ohne was zu sagen nahm sie mich Hukepack und trug mich zum Auto. Ich kuschelte mich wieder in den Sitz und schlief sofort ein.

Ich wachte in meinem Bett auf.
Es duftete nach Essen. Ich stand auf und gingvin die Küche. Nina stand am Herd. Ich lehnte mich an den Türrahmen und beobachtete sie. Erst nach einer Weile bemerkte ich, dass Nina weinte. Ihre Schultern zitterten bei jedem Schluchzer. Ich hatte sie noch nie richtig weinen sehen. Ich fühlte mich unwohl, ich wusste nicht was ich machen sollte. Sollte ich mich leise wieder in mein Zimmer schleichen?
Ich entschied mich für das Gegenteil. Vorsichtig ging ich auf sie zu und umarmte sie von hinten. Ich merkte, dass sie sich erschrak. Sie hatte mich wohl nicht gehört. Nina drehte sich um und erwiederte meine Umarmung.
Wir standen eine Weile so da.
Nina löste die Umarmung auf und wischte sich die Tränen weg. Ich fing an den Tisch zu decken. Nina brachte das Essen auf den Tisch.
Wir aßen schweigend. Ich sagte nichts und ich glaubte Nina fand dies ganz angenehm.
Ich verschwand schnell in meinem Zimmer als wir fertig waren und ging ins Bett.
Ich lag noch lange wach und konnte nicht schlafen, der heutige Tag hatte mich aufgewühlt. Ich wusste nicht was ich denken oder fühlen sollte oder was angemessen war. Ich stand irgendwann wieder auf und schlich in Ninas Schlafzimmer. Sie schlief schon. Vorsichtig schlüpfte ich zu ihr unter die Decke und genoss es nicht alleine sein zu müssen.

Nina weckte mich sehr früh am nächsten Morgen.
"Also Kyra, wie fühlst du dich? Willst du in die Schule?", fragte sie mich.
"Natürlich will ich in die Schule habe ich doch gestern gesagt.", erwiederte ich pampig. Ich war total schlecht drauf dabei wusste ich nicht mal warum. Mir tat es leid, dass ich Nina so anfuhr, doch ich konnte es nicht ändern.
"Gut, aber du rufst mich sofort an, wenn es nicht geht und ich hol dich.", Nina ignorierte meinen Tonfall einfach.
"Ja mach ich schon, aber ich schaff das.", meinte ich, aber nicht ganz so sicher wie ich eigentlich klingen wollte.
Ich duschte und zog mir meine schwarze Hose an und ein mir viel zu großes Hemd. Ich versank förmlich darin, aber es war von Mo und vielleicht brachte es mir ja Glück. Nina musterte mich schräg als ich fertig war.
"Irgendwie steht dir das Hemd, aber Herzele..."
Ich brachte sie mit meinem Blick zum Schweigen. Ich wollte jetzt keine psychologischen Analysen von ihr hören. Ich war auch ohne ihren Psychokram schon schlecht drauf.
"Können wir?", fragte ich ungeduldig.
"Kyra, atme mal tief durch und schalt einen Gang zurück. Normalerweise würde ich dich jetzt einmal ums Haus rennen lassen, aber ich glaube, das ist keine so gute Idee. Zumindest im Moment.", sagte Nina.
Ich verkniff mir eine zynische Bemerkung.
Nina fuhr mich bis zum Schulhaus. Ich lächelte sie einmal dankbar an, bevor ich ausstieg. Mehr war an diesem Tag wirklich nicht drin.

Just MeWhere stories live. Discover now