Kapitel 28

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"Boha, du siehst richtig scheiße aus.", begrüßte Alena mich, als ich ins Klassenzimmer kam.
Ich erwiederte nichts und setzte mich einfach auf meinen Platz.
"Wo warst du die letzten Wochen?", fragte sie und setzte sich neben mich.
"Krank.", antwortete ich knapp.
"Aha.", sagte sie und drehte sich weg. Ich kannte sie so gut, dass ich wusste, dass sie beleidigt war, weil ich nicht mit ihr redete. Aber es ging sie nichts an und ich wollte nichts erzählen.
Ich bekam nicht wirklich viel vom Unterricht mit. Ich sah die meiste Zeit aus dem Fenster.
"Kyra?", riss Frau Lutz mich aus meinen Gedanken.
Ich blickte auf und bemerkte, das alle mich anstarrten.
"Hä was? Ich hab nicht aufgepasst.", warf ich ein.
"Ja, das hab ich bemerkt.", meinte Frau Lutz.
Sie ließ mich in Ruhe. Jedoch nicht ohne mir einen abschätzenden Blick zuzuwerfen.
Ich schreckte auf, als es zur Pause klingelte.
Ich bemerkte, dass Frau Lutz auf mich zukam. Ich verkniff es mir die Augen zu verdrehen.
"Kyra, kommen Sie bitte mal mit.", sagte sie.
Mir blieb nichts anderes übrig als Frau Lutz zu folgen. Wir gingen in ihr Büro.
"Setzen Sie sich.", bot Frau Lutz mir einen Stuhl an.
Ich setzte mich und sah sie fragend an.
"Mir ist aufgefallen, dass Sie heute im Unterricht total abwesend waren. Ich weiß ja nicht warum Sie so lange gefehlt haben, aber ich schätze mal, dass Ihr Selbstbild nicht sonderlich gut ist. Sie haben echt abgenommen. Brauchen Sie irgendwelche Hilfe?", meinte Frau Lutz und sah mich verständnisvoll an.
Mir viel die Kinnlade runter. Was bildete die sich eigentlich ein?
"Bitte was? Wie Sie schon bemerkten, haben Sie keine Ahnung warum ich gefehlt habe und es geht Sie auch nichts an.", brach es aus mir raus.
"Kyra, ich will Ihnen wirklich nicht zu nahe treten. Aber wenn Sie unter einer Essstörung leiden, kann ich Ihnen helfen.", bohrte die Lehrerin weiter.
"Was bilden Sie sich eigentlich ein? Mischen Sie sich nicht in meine privaten Angelegenheiten ein. Ich bin nicht so dünn, weil ich magersüchtig bin. Halten Sie doch einfach die Klappe, wenn Sie keine Ahnung haben.", langsam wurde ich richtig sauer. Ich schnauzte Frau Lutz richtig an.
"Beruhigen Sie sich mal und passen Sie auf Ihren Ton auf."
"Ich soll auf meinen Ton aufpassen? Stecken Sie Ihre Nase nicht in Sachen, die Sie nichts angehen, dann laufen Sie auch nicht Gefahr angeschnauzt zu werden."
Ich stand auf und wandte mich zum Gehen. Für mich war das Gespräch beendet.
"Aber Kyra, Sie können das schon zugeben. Ich will Ihnen doch nur helfen, aber Sie müssen die Hilfe auch annehmen."
Wut stieg in mir auf.
"Hören Sie mir nicht zu? Ich habe gesagt, es geht Sie nichts an. Lassen Sie mich in Ruhe!"
Ich wusste nicht wohin mit meiner Wut. Ich war total am ausrasten. Mir war kalt und heiß zur gleichen Zeit. Ich schlug vor lauter Wut den Stuhl um und schleuderte einen Ordner gegen die Wand. Die Frau sollte mich einfach in Ruhe lassen.
"Kyra, kommen Sie runter.", sagte Frau Lutz erschrocken. Sie versuchte mich beruhigend an den Armen zu packen.
"Fassen Sie mich nicht an!", schrie ich sie an.
Plötzlich packten mich zwei kräftige Arme von hinten. Ich erschrak mich gewaltig.
"Kyra, ganz ruhig. Schau mich an und beruhig dich.", sagte Frau Renz und drehte mich zu sich um. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie in den Raum gekommen war.
"Schau mich an.", wiederholte sie.
Ich sah ihr in die Augen und beruhigte mich tatsächlich ein bisschen.
"Karin, du sollst bitte mal zur Chefin.", sagte Frau Renz in Frau Lutz' Richtung. Diese verließ murrend den Raum. Ich atmete einmal tief durch und Frau Renz ließ mich langsam los.
"Danke.", sagte ich und sah sie direkt an und ich sah an ihrem nicken, dass sie verstand, dass ich nicht nur das jetzt gerade meinte.
"Was war los?", fragte Frau Renz.
"Die Frau mischt sich einfach nur in meinen privaten Kram ein und meint sie hätte den Durchblick. Dabei hat die keine Ahnung.", regte ich mich auf. Erst jetzt merkte ich, wie schwach ich war. Ich hatte mich zu sehr verausgabt. Mir zitterten die Knie. Mein Kreislauf drohte zusammen zubrechen.
"Kyra?", fragte Frau Renz, packte mich am Arm und legte ihren anderen hinter meinen Rücken.
"Mir geht's nicht gut.", sagte ich leise.
"Denkst du, du schaffst es mit mir ins Krankenzimmer zu gehen?"
Ich nickte schwach.
Frau Renz stützte mich, während wir zum Krankenzimmer liefen.
Im Zimmer setzte ich mich entkräftet auf die Liege. Frau Renz rief im Büro von der Rektorin an und meinte, man solle mich abholen.
Ich zitterte vor Erschöpfung.
Frau Renz griff nach meiner Hand und ich drückte dankbar zu.
"Darf ich Sie mal was fragen?",  brach ich das Schweigen.
"Ja klar und ich hab dir schon einmal gesagt, dass du mich dutzen darfst.", meinte sie.
"Wie geht es Mo?", fragte ich unsicher.
"Ihm geht es den Umständen entsprechend. Aber er hält sich tapfer, dir geht es schlechter. Morgen ist die Verhandlung und deine Aussage wird gewertet."
"Denken Sie..äh du..., dass ich ihn mal besuchen darf und Mo mich überhaupt sehen will?"
"Kyra, Mo würde sich riesig freuen, wenn er dich sehen würde. Natürlich darfst du ihn besuchen. Wenn du Zeit hast und die Kraft, sag mir Bescheid und wir können zusammen hin gehen."
"Echt?"
"Ja klar.", freundlich lächelte sie mich an.
Es klopfte leise an der Tür. Ich sah hoch und Nina betrat den Raum. Ich sprang auf und rannte ihr in die Arme.
"Alles gut.", flüsterte sie mir ins Ohr.

Entkräftet ließ ich mich ins Auto fallen. "Nina, ich will nach Hause.", murmelte ich.
"Ich bring dich heim, Herzele."
Sie drückte meinen Arm und fuhr los.
Als wir Zuhause ankamen legte ich mich aufs Sofa und schlief sofort ein.

Just MeWhere stories live. Discover now