Kapitel 25

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Als ich wach wurde, war ein Arzt bei mir.
"Wo ist Nina?", fragte ich. Ich erschrak vor meiner eigenen Stimme. Sie klang total heiser.
"Hallo Kyra, du bist ja wach.", freundlich lächelte der Arzt mich an, "Ich glaube, die ist kurz nach Hause gefahren um mal was zu essen. Aber sie kommt bestimmt bald wieder."
Ich sagte nichts. Es gab so viel was ich wissen wollte. Was war passiert? Wie lange war ich schon hier?
Blumen lagen auf einem Tisch an meinem Bett.
"Hast du Schmerzen?", fragte der Arzt mich.
Ich verneinte.
"Das ist schön, dann wirken die Schmerztabletten.", meinte der Arzt freundlich, "Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin der Dr. Roth und ich bin dein behandelnder Arzt. Du lagst fünf Tage im Koma und bist gestern das erste Mal aufgewacht. Wir mussten dich operieren, da du innere Blutungen hattest. Zwei Mal haben wir dich wiederbelebt, deswegen hast du drei gebrochene Rippen. Du bist aber aus dem gröbsten raus."
Das waren viele Informationen auf einmal. War ich wirklich fast tot gewesen? Mir war unbehaglich zu Mute. Stärkend drückte der Arzt meinen Arm.
"Ich und eine Schwester schauen ab und zu nach dir.", sagte Dr. Roth beim Verlassen meines Zimmers.
Erst jetzt fielen mir die ganzen Karten und Ballons auf, die in meinem Zimmer waren. Ich wollte keine dieser Karten lesen.
Lange allein blieb ich nicht. Die Krankenschwester schaute ziemlich schnell bei mir rein.
"Hallo Kyra. Ich bin Gina, wenn du was brauchst einfach sagen. Wie geht es dir?", fragte sie.
Ich sah sie nur an und antwortete nicht.
"Entschuldigung. Was für eine blöde Frage. Wie soll es dir schon gehen? Brauchst du was?", sagte Gina und lächelte mich scheu an.
"Was ist passiert?", fragte ich sie. Ihr Blick wurde hart. Sie nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu mir. Ich beobachtete, wie sie ihre Brille zurecht rückte und sich die blonden Haare aus dem Gesicht strich.
"Was weißt du denn noch?", fragte die Schwester schließlich.
"Keine Ahnung.", antwortete ich, ich wollte der doch nicht erzählen was passiert war.
"Also ich weiß, dass du im Krankenwagen mit einer Frau, die dich gefunden hat, hierher gebracht worden bist und dass du schwerste Verletzungen im Gesicht und am Bauch hattest. Ich hab leider den Namen der Frau vergessen, kann aber nachschauen wenn du möchtest. Ich schätze, dass jemand versucht hat dich zu vergewaltigen, aber durch irgendwas aufgehalten worden ist. Sorry mehr weiß ich auch nicht."
Ihre Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht für mich. Ich sah Morris' Gesicht vor mir, ich spürte die Hände von meinem Onkel und ich sah Blut. Ich versuchte die neuen Bilder in meinem Kopf wegzublinzeln.
"Kyra, alles klar?", fragte Gina.
Ich schluckte einmal.
"Ja, können Sie mich bitte alleine lassen.", brachte ich mühsam hervor.
Die Krankenschwester warf mir einen besorgten Blick zu, ließ mich aber alleine. Kaum war sie aus dem Raum, brach ich in Tränen aus.
Ich weinte bis ich mich total leer und ausgelaugt fühlte. Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus. Dann richtete ich mich auf. Ich wollte ins Bad mir Wasser ins Gesicht spritzen. Ich riss mir die Kabel einfach vom Körper, nur die Infusion ließ ich drin. Ich stand auf und ehe ich mich versah stürzte ich auch schon zu Boden. Ich hatte überhaupt kein Gefühl in meinen Beinen. Konnte ich etwa nicht mehr laufen? War ich gelähmt? Ich versuchte mich am Bett hoch zu ziehen. Versagte aber kläglich. Ich fühlte mich total kraftlos. Wütend schlug ich meine Faust in den Boden.
Ich versuchte wieder und wieder aufzustehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit gab ich auf. Ich lehnte mich gegen das Bett und blieb wütend und frustriert dort sitzen.

"Kyra. Was machst du denn?", begrüßte Nina mich als sie zur Tür reinkam. Sie rannte sofort auf mich zu und half mir auf.
"Nina, ich kann nicht laufen.", sagte ich und war kurz davor in Tränen aus zu brechen.
"Ach Herzele. Du lagst doch fünf Tage im Koma. Deine Muskeln haben sich abgebaut. Du hast dich nicht bewegt. Ist doch logisch, dass du noch nicht laufen kannst. Wo wolltest du denn hin?"
"Ins Bad. Ich wollte mir Wasser ins Gesicht spritzen."
"Na dann komm, ich helf dir.", Nina reichte mir die Hand und ich ergriff sie erleichtert. Ich sah Nina an und war plötzlich total froh sie zu haben. Sie hatte mich noch nie im Stich gelassen.
Nina half mir ins Bad. Sie trug mich halb.
Ich stützte mich am Waschbeckenrand ab und erschrack als ich in den Spiegel sah. Ich war abgemagert, meine dunklen Haare hingen matt an mir runter, mein Gesicht war eingefallen und ich hatte dunkle Augenränder, meine blauen Augen blickten mich kalt und müde an. Ich erkannte mich fast selbst nicht mehr. Ich spritzte mir ganz viel Wasser ins Gesicht, aber auch das half nichts.
"Nina?", fragend sah ich sie an.
"Ja?"
"Bitte hilf mir.", flehte ich sie an.
Nina standen Tränen in den Augen, sie nahm mich in den Arm.
"Immer, Kyra, immer.", versprach sie mir. Sie brachte mich zurück in mein Bett und ich schlief erneut ein.

Als ich das nächste Mal erwachte war Nina noch bei mir. Freude durchströmte mich als ich sie sah.
"Nina, bitte erzähl mir alles.", bat ich sie, in der Hoffnung endlich zu erfahren was passiert war.
"Oh Herzele. Okay. Also ich war noch auf Station als Mel angerannt kam und total wirres Zeug geredet hat. Irgendwas von einem Mann und einem Auto und dir. Wir haben sofort die Polizei alamiert. Die haben nach dir gesucht, stundenlang, aber vergeblich. Ich habe Mo informiert und er meinte vielleicht weiß er wo du bist, er würde sich aber nochmal melden. Hat er aber nicht. Die Polizei hat dann sein Handy geortet und ich bin dann zusammen mit denen los. Wir sind an eine abgelegenes Haus gefahren und leider kamen wir zu spät. Die Polizisten sind in das Haus gestürmt und mit Mo wieder raus gekommen. Er war total neben sich und hat die ganze Zeit deinen Namen gesagt. Mo war voller Blut. Es war schrecklich. Kyra, Mo hat seinen Vater, deinen Onkel, getötet.", Nina machte eine Pause und ich musste schlucken, sagte jedoch nichts, "Wo du warst wussten wir immer noch nicht. Die Polizei hat dann Suchtruppen los geschickt. Irgendwann kam Frau Renz mit dir im Arm aus dem Wald gelaufen. Sie war Mo hinterher gefahren, weil sie sich Sorgen gemacht hatte. Sie hat gesagt, sie habe dich in den Wald laufen sehen und wäre dir nach gelaufen, nach Mo hätte sie gar nicht mehr geguckt. Du warst nicht ansprechbar und sahst wirklich übel aus. Du hattest innere Blutungen und wurdest sofort operiert. Nach fünf Tagen bist du dann endlich aufgewacht. Du weißt gar nicht wie froh ich war, als du deine Augen aufgemacht hast. Mehr weiß ich auch nicht, Herzele. Du müsstest wissen was sonst passiert ist."
Nina sah ausgelaugt und müde aus als sie fertig war.
"Mo hat ihn für mich getötet.", brachte ich mühsam hervor. Meine Kehle war wie zugeschnürt.
Nina sah mich an.
"Er kam gerade noch rechtzeitig. Seine Hände waren schon überall. Dann war Mo auf einmal da und dann war da Blut und ich hatte Angst und wollte weg.", ratterte ich unter Tränen ganz schnell runter. Ich wollte vergessen. Nina legte tröstend ihre Arme um mich.
"Was ist mit Mo?", ich traute mich fast gar nicht zu fragen.
"Dem geht es wieder ganz gut. Gegen ihn läuft halt jetzt ein Strafverfahren, aber es sieht ganz gut für ihn aus. Vielleicht kommt er mit 2 oder 3 Jahren davon.", sagte Nina. Ich erschrak.
"Was? Nein, ich muss für ihn Aussagen. Er darf nicht ins Gefängnis."
Das durften die nicht Mo hatte doch gar nichts schlimmes getan. Er wollte mir doch nur helfen. Endlich hatte er mir mal geholfen.
"Du kannst gerne eine Aussage machen. Ich unterstütze dich dabei, aber als erstes musst du wieder auf did Beine kommen.", sagte Nina und lächelte mich aufmunternd an, doch ich sah auch gleichzeitig den Schmerz in ihren Augen, wenn sie mich ansah.

Just MeWhere stories live. Discover now