Kapitel 29

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Als ich wach wurde, war Nina noch da. Verschlafen stand ich auf.
"Musst du nicht arbeiten?", fragte ich sie.
"Nein, ich habe mir jetzt für eine Woche frei genommen.", erklärte sie. Ich schaute sie erstaunt an, Nina nahm sich nie frei.
"Hilfst du mir beim Kochen?", fragte Nina mich plötzlich.
"Warum willst du jetzt was zu essen machen?"
"Wir bekommen nachher Besuch.", sagte sie grinsend.
"Hä was? Von wem?", erschrocken sah ich sie an.
"Überraschung. Gedulde dich.", meinte Nina und sah mich verschwörerisch an.
Ich warf ihr einen bösen Blick zu. Sie wusste, dass ich Überraschungen hasste.
"Du kannst schon mal anfangen, ich komm gleich.", sagte ich während ich in mein Zimmer ging.
Na toll. Jetzt wusste ich nicht mal wer zu besuch kommen würde. Was sollte ich anziehen. Ich ging ins Bad und schminkte mich dezent. Ich fand, dass ich meine schwarze Hose ruhig anbehalten konnten. Ich stand fast zehn Minuten vor meinem Kleiderschrank und überlegte mir, was ich für ein Oberteil anziehen sollte. Bis ich mich für einen schlichten grauen Pulli entschied.
"Passt das so?", fragte ich Nina, die schon dabei war den Tisch zu decken.
"Ja klar. Zieh dich so an, dass du dich wohl fühlst, Herzele.", strahlte sie mich an.
Also Nina hatte schon mal gute Laune, jetzt musste meine nur noch besser werden. Aber bei dem Gedanken zu essen wurde sie nicht besser. Wollte ich wirklich wieder zunehmen und noch fetter werden? War ich nicht glücklicher dünn zu sein? Es tat doch so gut ein Hungergefühl zu haben und sich nicht vollgefressen zu fühlen. Außerdem hatte ich immer Bauchschmerzen nach dem Essen, wollte ich das wirklich?
"Ist was?", riss Nina mich aus meinen Gedanken. Doch bevor ich antworten konnte, klingelte es an der Tür.
"Ich mach auf. Kannst du noch die Gläser hinstellen?", sagte Nina und ging zur Tür. Ich tat was sie mir sagte.
Ich hörte, wie sie jemanden begrüßte und trat neugierig um die Ecke.
An der Tür stand ein Mann. Er war groß, hatte mittellange dunkel blonde Haare und einen Vollbart. Er sah eigentlich echt gut aus. Außerdem waren seine Arme voller Tattoos, was mir echt gefiel. Erst jetzt bemerkte er mich und lächelte zu mir rüber.
"Hey Kyra.", sagte er und kam zu mir, "Ich bin Mark. Ich freu mich echt dich zu treffen und kann es gar nicht erwarten dich kennen zu lernen."
Ich nickte unsicher und sagte nichts.
"Setz dich Mark. Mach es dir bequem und fühl dich wie zu Hause.", meinte Nina und stieß mir ihren Ellenbogen in die Seite als sie an mir vorbei lief.
Das war also mein Vater. Plötzlich war ich total aufgeregt. Ich wollte unbedingt, dass er mich mag. Er musste mich mögen.
Mark setzte sich an den Esstisch und Nina brachte das Essen.
"Was magst du trinken? Also wir haben Wasser, Wein, Bier, Saft und Cola.", wandte ich mich an Mark.
"Oh ich hätte gerne einen Wein.", Mark lächelte mich an.
Ich fühlte mich irgendwie unwohl und total gestellt.
Ich schenkte uns allen einen Wein ein. "Ähm Kyra.", meinte Nina bloß und nahm mir mein Weinglas weg.
Ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu, holte mir aber eine Flasche Wasser und setzte mich an den Tisch.
"Und Kyra? Was machst du denn gerne?", fragte Mark mich.
Ich stocherte auf meinem Teller rum. "Ich mag Tiere und mache viel und gerne Sport.", sagte ich schließlich.
"Ich mag auch Tiere. Ich habe eine Katze und ein Pferd."
Mein Interesse war geweckt.
"Du reitest?", fragte ich erstaunt.
"Oh je, nein. Mich bekommt niemand auf dieses Pferd. Aber ich hab den kleinen aufgezogen. Er ist jetzt vier.", lachte Mark.
Ich schwieg erneut und fing an Kamu zu kraulen, der unterm Tisch lag.
Was sollte ich denn mit ihm reden? Klar, er war mein Vater und es war schon toll ihn zu sehen, aber er war fremd für mich.
"Ich komm gleich wieder.", sagte ich und stand, ohne eine Antwort abzuwarten, auf und ging in mein Zimmer. Ich schmiss mich auf mein Bett und boxte in ein Kissen. Warum war das so verdammt schwer? Er sollte mich doch mögen, stolz darauf sein eine Tochter zu haben. Aber wer konnte schon auf jemanden wie mich stolz sein?
Ich blieb auf dem Bett liegen und starrte an die Decke. Nach einer halben Ewigkeit klopfte jemand. Ich hob den Kopf und sah, dass Mark seinen durch einen Türspalt streckte.
"Darf ich reinkommen?", fragte er.
Ich nickte unsicher. Mark holte sich einen Stuhl und setzte sich zu mir ans Bett.
"Kyra, für mich ist das auch nicht einfach, weißt du? Als ich den Anruf von Nina bekommen habe, bin ich aus allen Wolken gefallen. Klar hab ich mich gefreut. Vorallem als der Test den wir dann gemacht haben positiv war, um auch 100%tig sicher zu sein. Aber ich war auch unsicher, schließlich hatte ich jetzt eine Tochter, die ich nicht kannte und die jetzt fast schon erwachsen ist. Ich habe deine ganze Kindheit verpasst. Ich konnte nicht daran teilhaben. Das war schon ein Schock für mich. Aber, Kyra ich möchte das nachholen. Ich will dich kennen lernen und all die Zeit nachholen die uns verwehrt geblieben ist.", erzählte Mark mir und sah mich mit seinen blauen Augen ernst an.
"Du siehst aus wie deine Mutter, aber du hast meine Augen.", grinste er.
Ich konnte nicht anders und lächelte zurück.
"Tut mir leid, wenn ich dir das Gefühl gegeben haben sollte, dass ich nichts von dir wissen will. Ich weiß einfach nicht wie ich mich verhalten soll.", gestand ich.
"Das macht doch nichts. Ich weiß doch auch nicht wie ich mich verhalten soll oder was ich sagen soll. Aber soll ich dir mal was erzählen."
Ich nickte gespannt.
"Weißt du eigentlich woher du deinen Namen hast?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Meine Oma hieß Kyra. Sie ist sehr früh gestorben, aber ich habe sie über alles geliebt. Deine Mum wusste wie sehr mein Herz an ihr hing. Sie muss dich nach ihr benannt haben. Das macht mich sehr stolz."
Mark lächelte er sah glücklich aus. Wenn ich ihn jetzt so ansah, war er mir irgendwie nicht mehr ganz so fremd.
"Darf ich mal mit zu deinem Pferd kommen?", fragte ich.
"Natürlich. Sehr gerne sogar.", lachte Mark. Wenn er sich so freute sah er aus wie ein kleines Kind.
Das war also mein Papa. Stolz und Wärme machte sich in mir breit. Ich war lange nicht mehr so zufrieden gewesen. Es war toll einen Vater zu haben.
Mark ging erst ziemlich spät. Ich half Nina noch die Küche aufzuräumen und ging dann ins Bett.

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