Kapitel 3

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Nachdem Mrs. Schreaves uns fluchtartig verlassen hatte, verschwand auch Noan aus dem Raum und aus der Schule und würde wahrscheinlich erst morgen früh wieder diesen Ort betreten.

Und so saß ich in Sozialkunde, wo wir eigentlich mit unserem Partner Aufgaben machen sollten, alleine da und erledigte meine Hausaufgaben. Naja, mich sollte es nicht stören und doch, es störte mich.

Ich weiß nicht warum, denn eigentlich habe ich Angst vor den nächsten Wochen. Ich habe Angst, dass er mich auch demütigt, wenn wir alleine sind. Das ist für jeden anderen wahrscheinlich unvorstellbar, denn in der Regel heißt es ja, dass wenn man mit einem Kerl alleine ist, er sich anders verhält als mit seinen Freunden.

Aber sind wir mal ehrlich, es ist Noan. Und ich traue ihm alles zu.

Während des ganzen Schultags passierte nichts Nervenaufreibendes mehr, was für Gerüchte sorgen konnte und so geschah es, dass ich einigermaßen glücklich und zufrieden Zuhause ankam.

Mom wartete schon mit dem Mittagessen auf mich, jedoch fragte sie mich nicht, wer mein Partner war, sondern nur, ob ich zufrieden mit ihm war.

Ich nickte nur und schaufelte dann mein Essen in mich hinein, weil ich schnell nach oben in mein Zimmer wollte.

,,Hausaufgaben", erklärte ich ihr wortkarg und verdrückte mich dann mit meinem Rucksack.

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Ich hörte eine Weile das Telefon klingeln und war gerade aus der Tür, als Mum dran ging. In der Drehung bekam ich mit, mit wem sie sprach und mein Interesse war geweckt.

,,Ah, Mrs. Schreaves, wie schön mal wieder von ihnen zuhören", rief sie ins Telefon und bekam anscheinend gleich ihre Antwort, denn sie blieb verwundert im Flur stehen.

,,Sie wollen mit mir über meinen Sohn reden? Einen Moment", fragte sie verwirrt und warf einen kurzen Blick ins obere Treppenhaus, wo ich meinen Kopf schnell wegduckte.

Nach einem Seufzer drehte sie sich um und ging in die Küche. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Auf den Zehenspitzen schlich ich mich die Treppe herunter. Geübt ließ ich die zwei knarzenden Stufen aus und lief dann hastig zur geschlossenen Tür.

,,Nein, ich weiß nicht wer sein Partner ist", erklärte meine Mutter laut und so konnte ich alles verstehen was sie sagte.

Hockend saß ich nun vor der Küchentür und stellte mich schon auf eine Katastrophe ein. Sie rückte näher, als meine Mutter nach meinem Partner fragte.

Die Antwort sollte ihr jedoch nicht viel bringen, doch angesichts Mum's Reaktion, hat es ihr anscheinend doch was gebracht.
,,Mein Sohn wird gemobbt?!" rief sie laut und ein Stich fuhr in mein Herz. Ich hatte es immer anders genannt, da dieses Wort so hart war und indem ich das Wort nicht verwendet habe, konnte ich alle Gefühle zurückhalten. Doch jetzt brach alles über mich herein. Es war eine große Mischung negativer Gefühle, jedoch am stärksten war die Wut.

Ich war wütend über mich, weil ich mich nicht wehren konnte und weil ich schwul war. Warum konnte ich nicht einfach auf Mädchen stehen? Dann wäre mein ganzes verdammtes Leben so einfach.

Ich war wütend auf die Jungs in der Schule, die mich immer ärgerten und gegen die Spinde schubsten. Ich war wütend auf Noan, weil er sie immer anzettelte und gegen mich aufstachelte. Ich wünschte, ich wäre ein normaler Junge, der auf Mädchen abfährt. Aber das bin ich nicht und bis eben hatte ich mich damit abgefunden.

Jetzt kamen alle Gefühle auf mich zu und stürzten über mir zusammen. Ich spürte die heißen Tränen auf meinen Wangen und wischte sie stumm weg.

,,Nein, er erzählt nie von der Schule. Jetzt weiß ich auch warum", sagte seine Mutter nun und ihre Stimme wurde zum Ende hin immer leiser.

,,Oh Gott", hauchte sie mit gebrochener Stimme und ein Bild von ihr festigte sich vor meinem inneren Auge, wie sie ihre zarte, leicht zitternde Hand vor den Mund legte und in die Luft starrte.

Traurig und enttäuscht verschränkte ich die Hände über dem Kopf und drückte ihn so herunter. Ein Schniefen konnte ich unterdrücken, doch die Tränen liefen unaufhaltsam.

,,Danke, dass sie mir davon erzählt haben", murmelte meine Mutter, nun wieder mit gefestigter Stimme und verabschiedete sich dann. Jetzt will sie bestimmt mit mir reden, dachte ich und sprang, so schnell es ging, auf.
Meine Mutter war jedoch schneller im Flur, als ich in meinem Zimmer war und so kam es, dass sie mich auf der Treppe abfing.

,,Wir müssen reden", begann sie ernst und starrte mich an, um ihre Meinung zu unterstreichen.

Widerwillig nickte ich und ließ mich von ihr ins Wohnzimmer und auf die Couch bugsieren. Nachdem sie uns auf das Sofa gedrückt hat und mich in ihre Arme gezogen hat, fing sie an zu sprechen: ,,Benni, du bist das wichtigste in meinem Leben. Du bist so ein toller Mensch: Ehrlich, ruhig, besonnen. Du bist leicht zu begeistern und dein Lächeln erhellt jedes Mal mein anstrengendes Leben. Es gibt mir neue Kraft. Also warum, mein Schatz, mögen die Leute in der Schule dich nicht?"

Ihre Worte brachten die Gefühle in mir zum erneuten Hochkochen und die Tränen brachen schon nach ihrem ersten Satz aus mir heraus. Besänftigend strich meine Mutter mir über den Kopf und zog einen Taschentuchbehälter heran.

,,Ich bin schwul, Mum", antwortete ich zitternd und wartete auf eine negative Reaktion. Die war ich gewöhnt.

,,Nur deswegen?", fragte sie skeptisch und klang ein wenig empört. ,,Aber das ist doch nichts Schlimmes und das ahne ich auch schon ne Weile", erklärte sie dann und ich drehte meinen Kopf zu ihr um. ,,Woher?", fragte mein naives Ich.

Meine Mutter lachte erfreut. ,,Eine Woche vor deinem dritten Geburtstag bist du zu mir gekommen und hast mir deinen Geburtstagwunsch verraten. Du wolltest ein paar Stöckelschuhe und seit dem habe ich eine Vermutung gehabt. Und mein Kleiner, ich bin stolz darauf, einen so tollen Menschen aus dir gemacht zu haben."

Warmherzig lächelte sie mich an und eine gewisse Wärme breitete sich in mir aus.

,,Anscheinend wussten alle es, bevor es mir bewusst war", murmelte ich und griff nun doch nach einem Taschentuch.

,,Kann ich irgendetwas dagegen tun?", fragte meine Mutter und nahm mir das Taschentuch aus der Hand, um mir damit die Tränen aus dem Gesicht zu wischen und es zu trocknen.

Ich schüttelte nur den Kopf. ,,Das würde es nur noch schlimmer machen. Mum, ich habe mich daran gewöhnt und ich habe ja noch Meghan. Es gibt außerdem noch ein paar nette Mädels in unserem Jahrgang. Aline, Camille und an den Namen von der letzten kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich schaffe das", behauptete ich tapfer und sie nickte.

Mit einer sanften Bewegung legte sie das Taschentuch in meine Hand und verschloss sie. ,,Nur wenn etwas ist, dann komme gleich zu mir, ja?"

Ich nickte schwach und sie zog mich in eine langanhaltende Umarmung. Schniefend sog ich den Geruch von meiner Mutter auf und genoss die Umarmung.

You're gay- that's the problem #platinawards2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt