Kapitel 23- Ben

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Ich konnte mich jedoch nicht davon abbringen, ein oder vielleicht auch zweimal, zu ihm herüber zu schauen.
Okey, ich habe die meiste Zeit verbracht, ihn anzustarren. Ich gebs ja zu. Doch in mir herrschte einfach die Hoffnung, dass er sich mir erklären würde, oder mir sagen würde, dass das alles nur eine Lüge gewesen war.

Aber er sprach nicht mit mir, sondern starrte nur stumm auf sein Blatt und zeichnete und zeichnete. Dummerweise setzte er sich so hin, dass ich wirklich gar nichts von dem sah, was er zeichnete. Ich konnte jedoch entdecken, dass er nicht nur seinen Bleistift benutzte, sondern auch mit Kreiden, Aquarell und Acryl gemixt arbeitete. Doch diese Tatsache machte mich noch neugieriger. Als mich mein Lehrer streng musterte, wandte ich den Blick wieder auf mein Blatt und versuchte mich auf die Blume zu konzentrieren, an der ich gerade arbeitete. Es funktionierte nicht. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren, wenn Noan neben mir saß und mich ignorierte.

Die Stunde war schnell vorbei und Noan war der erste, der aus dem Klassenraum flüchtete. Ich dagegen ließ mir Zeit dabei, meine Sachen einzuräumen und unserem Lehrer beim aufräumen zu helfen. Irgendwie musste ich es ja wieder gut machen, dass ich zu spät gekommen war.

Als ich aus dem Klassenraum trat, entdeckte ich Meg, die aus einem der Schauspielräume gekommen war und nun in der großen Halle auf mich wartete. Mit nicht mehr als 10 Schritten war ich bei ihr angelangt und zog sie in meine Arme.

„Hey Meg”, begrüßte ich sie und sie zog mich noch näher an sich. Als sie mich los ließ, betrachtete sie mich prüfend. „Warum hast du mich am Wochenende nicht angerufen?”, beschwerte sie sich und ich seufzte auf. Ob ich ihr davon erzählen sollte? Immerhin war sie meine beste Freundin und sie erzählte mir auch immer alles.

„Es ist so viel passiert, dass ich es ganz vergessen hab”, gab ich schüchtern zu und lächelte schief. Ihre Augen wurden groß und ihre Mundwinkel schoben sich in die Höhe.

„Noan?”, fragte sie aufgeregt und klatschte grinsend, wie ein Honigkuchenpferd, in die Hände. Bedächtig nickte ich und sie unterdrückte einen lautes aufquitschen.

„Erzähl mir alles”, forderte sie mich auf und hakte sich vergnügt bei mir ein. Zusammen setzten wir uns an unseren Lieblingstisch im Kiosk und holten uns noch einen Kakao.

„Naja”, murmelte ich, nachdem sie mich gespannt mit ihren großen Augen anschaute und sogar ihr Handy ausschaltete, damit es mich ja nicht stören konnte.

„Wir haben uns gestern geküsst”, platzte ich mit der spannensten Nachricht heraus und ihre Augen weiteten sich noch mehr. Sie verschluckte sich an dem Kakao, den sie gerade trinken wollte und fing an zu husten. „Was ?”, fragte sie skeptisch und ungläubig, nachdem sie fertig mit husten war. Ich lachte auf und nickte.

„Er meinte sogar, dass er bei einem Kuss noch nie so viel gefühlt hat”, setzte ich noch einen drauf und ein breites Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

„Kann es sein, dass er doch nicht auf Mädchen steht?”, fragte sie mich belustigt und ließ den Kakao erst einmal stehen.

„Ich weiß nicht. Er sagte auch, dass er noch nie verliebt war”, erklärte ich und fing dann an die Geschichte von Anfang an zu erzählen. Die ganze Zeit über hing ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen. Als ich jedoch zu meinen Erzählungen von heute morgen kam, unterbrach sie mich mit gerunzelter Stirn.

„Du willst mir klar machen, dass nachdem er bei dir gewesen ist und dich geküsst hat, er zu einem Mädchen nachhause gegangen ist, um mit ihr zu schlafen”, fragte sie mich ungläubig und legte den Kopf schief.

„Aber in deiner Erzählung scheint er so süß und er ist so toll mit dir umgegangen. Hast du dir schon einmal überlegt, dass sie vielleicht nicht die Wahrheit erzählt hat?"

„Er hat ihr nicht wiedersprochen und wollte es mir in Kunst nicht erklären. Also nein. Sie hat-", wiedersprach ich ihr, wurde jedoch gleich von ihr unterbrochen. Sie hatte, während ich geredet hatte, auf ihre typische Weise die Augen verdreht und starrte mich nun mit ihren glasklaren Augen an.

„Denk doch mal nach, Ben. Sein ganzes Leben lang, war er auf Frauen fixiert. Alex trichterte ihm ein, dass Homosexualität nicht wahre Natur und eklig ist. Für ihn war das immer falsch und jetzt trifft er dich. Er merkt, dass er dich gut leiden kann und als ihr euch küsst, fällt ihm auf, wie viel mehr er fühlt. Denk doch mal nach, wie er sich fühlen muss. Was für ein Chaos herrscht. Warscheinlich will er sich von dir fernhalten und da kam ihm die Lüge von diesem Mädchen nur zurecht. Er will sich die Wahrheit nicht eingestehen und so erklärt er es dir nicht. Er lässt die Lüge, wie eine Wahrheit aussehen und ist sich warscheinlich nicht eimmal bewusst, wie sehr er dich damit verletzt. Du hast das ganze doch selbst durchlebt. Und wer weiß, vielleicht ist er ja nicht mal schwul, vielleicht ist er bi oder pansexuell. Aber du weißt, wie scheiße es einem geht und auch du hast dich vor der Wahrheit gedrückt. Vielleicht musst du einfach mit ihm darüber reden. Ich glaube nicht, dass er dich extra verletzt. Ich meine HALLO! Er hat sich selbst bei dir mit einem Herz eingespeichert. Hat dich um Vergebung gebeten, indem er dich vollgespamt hat. Der Junge kann dich nicht verletzen. Nicht freiwillig zumindest. Also geh und sprich mit ihm. Das hilft. Bestimmt.”

Mal wieder hatte Meghan Recht und ich fragte mich, ob sie im inneren ein alter, weiser Mann war. Aber war ich dazu mutig genug? Nein. Ich konnte es ja einfach so lassen, wie es war.

„Geh zu ihm. Jetzt”, forderte sie mich harsch auf und ich ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Zweimal schlug ich mit der Stirn dagegen, bevor ich mich wieder aufrichtete und sie flehend ansah. „Ich kann das nicht jetzt”, bittete ich sie, doch sie blieb streng und starrte mich wütend an.

„JETZT.”

„Nein Meghan”, murmelte ich und hob die Hände wie zum Gebet. „Bitte”, flüsterte ich kaum hörbar und zog das E in die Länge.

„JETZT. BENJAMIN FOX. AUF DER STELLE. HAU AB UND RED MIT IHM”, brüllte sie mich an und ich sprang auf. Schnell hatte ich meinen Rucksack und sah sie noch einmal flehend an, doch ihr kalter Blick zeigte kein Erbarmen und so floh ich mit eingezogenem Schwanz.

God, I love this girl!
She is just amazing.

You're gay- that's the problem #platinawards2018Where stories live. Discover now