Kapitel 27

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Der nächste Tag brach an und damit stand auch die nächste Sozialkundestunde an. Gestern abend hatte mir Noan noch eine Gute Nacht Nachricht geschickt, in der er sich nochmals entschuldigt hatte, doch hatte ich sie erst heute morgen gesehen und ihm deswegen nicht geantwortet.

Denn am Morgen kam er besorgt auf mich zu gerannt und fragte mich, ob denn alles in Ordnung sei und warum ich nicht auf seine Nachricht geantwortet hätte.

Ich musste trotz meiner Müdigkeit lachen und murmelte nur: „hab geschlafen, verschlafen und bin immer noch müde, aber sonst ist alles prickelnd.”

Dann grinste ich ihn breit an, klopfte ihm auf die Schulter und hastete zu Mathe, da ich mal wieder viel zu spät war.

Der Tag verging im Flug und ich war vor Sozialkunde nicht mal aufgeregt. Es schien, als hätte ich mich an die Präsenz von Noan in meinem Leben gewöhnt und auch wenn mich sein Grinsen immer noch um den Verstand brachte, hatte ich verstanden, dass er nun zu meinen engen Vertrauten gehörte und das gefällt mir ungemein.   
Ein leises Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich den Spind schloss, meinen Rucksack schulterte und zum richtigen Raum schlenderte. Auf die Sekunde war ich pünktlich und saß auf meinem Platz, hatte Noan ein: „Hey”, zugeflüstert und meine Sachen ausgepackt, bevor unsere Lehrerin, Mrs. Schreaves, hinter ihrem Pulk stand.

„Ihr werdet euch diese Woche zusammen überlegen, was dieses Projekt bringen könnte und warum wir das veranstalten. Euer Ergebnis geht in unsere Entscheidung mit ein. Also strengt eure Köpfe an, geht dabei irgendwo hin, wo ihr hin wollt. Aber bleibt hier auf dem Schulgelände.”

Ich war überrascht, denn seit neusten ließ sie uns immer irgendwohin gehen. Als wolle sie uns loswerden. Vielleicht wollte sie das ja auch.

Aber ihre Idee fand ich gut. Also drehte ich mich zu Noan rechts neben mir um und lächelte ihn breit an.

„Also. Wo gehen wir hin?”, fragte ich neugierig, doch er überließ mir die Entscheidung, indem er mit den Schultern zuckte.

Genervt stöhnte ich. Ich hasste es, wenn man mir die Entscheidung überließ. Denn da ich leider einer der Menschen war, die auf die Meinung der anderen zählte, hatte ich immer Angst, dass meine Entscheidungen im Endeffekt als schlecht beurteilt wurden.

Doch raffte ich mich auf, packte meine Sachen zusammen und stand auf. „Wehe du meckerst”, warnte ich ihn missmutig und er nickte eifrig, wobei er mir ein aufmunterndes Lächeln zu warf. Das munterte mich auf und ich ging voran in die Bibliothek. Denn das war die einfachste Lösung. In einem alten, gemütlichen Stil gab es Sofas und große Ohrensessel, in denen man versinken konnte. In hohen Regalen konnte man Bücher zu allen möglichen Themen finden und ich glaube, wir würden dort etwas finden. An Arbeitstischen gab es neue Computer, an denen man recherchieren konnte.

Noan staunte nicht schlecht und das überrascht. „Sag mir nicht, dass du noch nie hier warst”, vermutete ich und als er das Gesicht zu einer Grimasse verzog, wurde mir klar, dass ich richtig liegen musste.

„Du gehst seit 7 Jahren auf diese Schule und warst noch nie in dieser Bibliothek?!", fragte ich hämisch und fing an zu lachen, „das ist bitter. Traurig. Entsetzlich. Grausam. Junge, du arbeitest in einem Büchercafé”, rief ich empört und verstummte dann, weil ich schon böse angestarrt wurde. Die Menschen hier drinnen waren einfach zu pingelig.

„Aber auch nur, weil ich das Geld brauche”, entgegnete er trotzig und ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Das glaub ich dir nicht Freundchen”, teilte ich ihm meine Gedanken mit und ließ mich in einen großen Ohrensessel sinken.

„Das meine ich ernst! Ich will mit achtzehn aus dem scheiß Kinderheim raus und in eine eigene Wohnung rein. Da brauch ich Geld”, erklärte mir und blickte mich todernst an. 

Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Ob es dort wirklich so schlimm war, wie er es sagte und fragte mich, ob er nicht vielleicht übertrieb.

Lügen tat er nicht, dass traute ich ihm nicht zu. Aber übertreiben macht doch jeder mal, oder nicht? Und er will doch alle davon überzeugen, dass er keine Bücher mag. 

Vielleicht aber sagte er auch die Wahrheit und brauchte wirklich nur Geld. Ich entwickelte eine Theorie in meinem Kopf, die beide dieser Ideen zusammen brachte und mit der ich zufrieden war.

Stumm zog ich die Schuhe aus und die Beine an, sodass ich mich in den Sessel eingekuschelt hatte.

Skeptisch blickte er mich an und schien eine Antwort zu erwarten. „Ist doch in Ordnung. Ich hab es verstanden”, murmelte ich und lächelte ihn vorsichtig an.

Erleichtert ließ er sich in den Sessel gegenüber fallen. Doch war er viel zu groß, um sich irgendwie ein zu kuscheln. Sein Problem.

„Also”, fing er an und ich schaute ihn fragend an. „Unsere Aufgabe?”, beendete er es und ich schaute ihn immer noch fragend an. Welche Aufgabe meinte er denn? Genau das schien mein Blick auch zu sagen, denn er fing an, vor sich hin zu lachen. „Ich meine die Aufgabe, die wir von unserer Lehrerin bekommen haben”, erklärte er in langsamen Ton und blickte mich nachdrücklich an.

Es brauchte eine Weile, bis es mir wie Schuppen von den Augen viel. Wie konnte ich das nur vergessen. Zu unwichtig warscheinlich. Ganz einfach.

„Keine Lust”, kommentierte ich es und er blickte mich mit seinem Dein-Ernst-Blick. „Waaas?!”, fragte ich ihn beleidigt und hätte gedacht, das ER das akzeptieren würde.

„Aber”, protestierte er halb ernst, halb belustigt und schaute mich hoffnungslos an.

Ohne Motivation schüttelte ich den Kopf und er gab nach. Anscheinend hatte er genauso wenig Lust auf die Aufgabe wie ich.

Mit einem Griff hatte ich ein Buch aus meinem Rucksack gezogen und es aufgeschlagen. Fassungslos starrte er mich an. „Du willst doch nicht ernsthaft lesen, oder ?”, fragte er mich skeptisch, doch nickte ich ernsthaft.

Dan erst fiel mir auf, dass das ziemlich unhöflich war. Also packte ich das Buch wieder weg und schaute ihn neugierig an.

„Wollen wir das Schlittschuhfahren nochmal wiederholen?”, fragte ich ihn neugierig, doch seufzte er genervt auf. Schnell setzte ich meinen beleidigten Blick auf und ich konnte sehen, wie der Widerstand von ihm abfiel. Ohne auf eine Antwort zu warten, fing ich an zu strahlen und ein: „Morgen nachmittag”, zu murmeln.

„Na gut”, brummte er und schien recht zu beleidigt zu sein. Zufrieden lehnte ich mich zurück und überschlage die Beine auf der Sessellehne.

You're gay- that's the problem #platinawards2018Where stories live. Discover now