Prolog

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Der Regen peitschte gegen die Scheiben unseres immer schneller werdenden Autos, das mit einer ungeheuren Geschwindigkeit auf der nassen Straße Richtung London unterwegs war. Während aus dem Radio eine schrecklich nervtötende Musik ertönte, schaute ich in die tiefe Dunkelheit, die wie ein schwarzes Band an meiner Fensterscheibe vorbei zog. Es war unheimlich still hier im Wagen seit wir die Einfahrt meines Elternhauses hinter uns gelassen hatten. Die Stille breitete sich immer weiter in mir aus und ließ mich nur noch mehr zittern als ich eigentlich schon wegen der Kälte tat. Es war beängstigend wie einfach meine Eltern meine Abreise in Kauf genommen hatten und mich Mr. DeQuincy übergeben hatten, während um uns herum der heftigste Sturm dieses Sommers peitschte.

Noch nicht einmal meine Mom hatte sonderlich bestürzt gewirkt oder im geringsten Verhältnis traurig, als sie mir ein einfaches Auf Wiedersehen zu gerufen hatte, nachdem ich in den Wagen gestiegen war.

Entweder sie waren unheimlich gut im Gefühle Verbergen oder sie waren wirklich nicht besonders entsetzt als meine Abreise nach London verkündet wurde. Nicht, das sie irgendetwas hätten ausrichten können, dennoch versetzte es mir jedes mal ein Stich, wenn ich wie jetzt an sie zurück dachte. An alles zurück dachte, was ich jetzt hinter mir lassen musste.

Es war fürchterlich, erfahren zu müssen, dass meine ganze Kindheit nicht die war, die sie eigentlich hätte sein sollen. Sie war nicht wie die eines ganz normalen Kindes. Sie war anders, von Anfang an geplant. Jeder Zug, jeder Moment und jede verdammte Sekunde meines bislangen Lebens war nicht von mir entschieden worden, sondern von Leuten, die Machtpositionen hier im Land vertraten, an die ich noch nicht einmal gedacht hatte.

Es tat weh, als ich erfuhr, dass mein Leben auf eine Lüge aufbaute, die meilenweit zurückreichte. Als ich plötzlich mit etwas konfrontiert wurde, das Leben auf dem Kopf steht. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass mir so etwas je passieren würde. Aber ich hatte auch nicht an die Wesen geglaubt, von denen ich vor Kurzem erfahren hatte. Es hatte viele Hinweise gegeben und es hätte mir deutlich früher auffallen sollen. Doch wie konnte einem Zweijährigen auffallen, dass es mit kleinen Wesen im Sandkasten spielte, die auf seltsame Art und Weise ihre Sandburgen perfektionierten und durch Funken vor dem Einstürzen bewahrten, sobald man versuchte, sie mit der Schaufel zu zerstören? Oder das in Casablanca plötzlich alle Läufer wie durch Magie fünfzig Meter vor mir liefen, obschon sie nur binnen einer Sekunde zuvor neben mir gelaufen waren. Vielleicht hätte ich es irgendwann begreifen müssen, doch es hatte mir auch keiner geholfen. Bis an jenem Tag, als Dad die unheilvolle Nachricht verkündete, ich würde sie nicht weiter auf ihrer Reise begleiten. Hätte ich mich gegen ihn wenden können? Hätte ich es geschafft, meinem Vater die Stirn zu bieten und zu sagen, dass ich sie hasste? Doch welches Kind konnte dies schon. Meine Lage war für solch ein Aufgebot noch nicht allzu dramatisch. Mom würde sagen, ich wisse nur nicht, wovor ich Angst habe und dies würde meinen Zorn schnüren. Doch war es wirklich so? Er hatte es auf den Punkt gebracht, ich würde sie genauso hassen, so wie er sie hasste. Doch weswegen hasste er sie? Die Wesen, die meine Kindheit begleitet hatten und die sie dennoch nicht verändert hatten. Nicht zum Schlechten. Doch eines war klar, ich würde sie wirklich hassen. Dafür, dass ich zu ihnen musste. Warum verbargen sie sich auch. Warum wusste ich noch nicht mal ihren Namen und doch sagt mein Vater, sie sein grauenvoll? Es war nicht viel, was sie gesagt hatten. Was Dad gesagt hatte. Ich wusste nur, dass sie anders sind. Und in den Schatten zurück gedrängt wurden, von wem auch immer dieser Befehl ausgesprochen wurde. Nur warum bin ich dann so vielen in meinen Kindesjahren begegnet? Sie hätten sich verstecken müssen. So wie es ihnen vorgeschrieben wurde, denn die Menschen durften nichts von ihrer Existenz wissen. Plötzlich kam mir noch ein weiterer Gedanke. Wenn niemand von ihnen je erfahren sollte, warum pflegte mein Dad dann ein so ungemeines Wissen über sie? Es hieß, Wissen sei Macht und Macht benötige jeder Mensch, um zu überleben. Doch war es wirklich so? Benötigte es einschließlich der Mensch, um seien Leben in den Griff zu bekommen? Warum - um Himmels Willen - hatte ich nun von ihnen erfahren?

Wächter der ZeitWhere stories live. Discover now