Zehntes Kapitel

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Mit einem dröhnenden Kopf schreckte ich aus meinem unruhigen Schlaf hoch. Mein Gedanken wirbelten herum und ich war mir beinahe sicher, dass genau in diesem Moment jemand meine Gedanken las, da der Druck unter meiner Schädeldecke stetig wuchs. Wenn es wirklich eine Art der Verteidigung gab mit der ich mich gegen solch einen Angriff wehren könnte, wäre ich sofort bereit bereit, diese zu erlernen. Nichts hätte ich lieber getan, als nun mein Eigentum abschirmen zu können. Konnten es die anderen? Sich gegen Gegner wehren, die ihre geheimen Schlachtpläne lasen, ihre Taktiken preisgaben und sie innerlich verhöhnten, da sie kaum etwas gegen sie ausrichten konnten? Ich bezweifelte es, sonst hätten sie mich doch längst damit konfrontiert? Sie würden es nicht wagen, jemandem so etwas zu verschweigen, der zudem nicht wegen seiner eigenen Taten hier war sondern wegen ihrer. Das konnten sie weder ihren Verbündeten noch ihren Freunden antun. Obwohl ich mir sicher war, das ich weder zu dem ersten noch zu dem letzteren gehörte. Jedoch zählte ich nicht zu ihren gefürchteten Gegnern. Wieso sollten sie so einen Grund haben, mir so etwas vorzuenthalten?

Ich stöhnte, das Denken schmerzte, als würden sie mir meine Gedanken mit Gewalt entziehen. Am liebsten hätte ich sie angefleht aufzuhören, doch so weit würde ich nicht sinken. Nicht hier und nicht vor ihnen. Auch sich im Betten verkriechen konnte ich mir sparen, denn meine Anwesenheit im Lehrraum wurde genauso verlangt wie die der anderen auch. Obschon es mir absurd erschien, bei solch einem Durcheinander in meinem Kopf noch klar denken zu können. Doch ich wollte nicht schwach erscheinen. Ich weiß nicht, was mich zu diesem Gedanken trieb, sei es die Vernunft und Stärke aller hier oder ihre Legitimität gegenüber dem Institut, doch Schwäche wollte ich mir nicht erlauben. Ich war unter Kriegern, obwohl ich nicht wusste, welchen Krieg sie ausfochten, und deswegen musste ich mich damit abfinden, auch einer zu werden. Es musste doch einen Sinn hinter meinem Erscheinen hier geben. Denn alles hatte einen Sinn, auch wenn die Menschheit ihn nicht immer sah.

Dieser Gedanke stachelte mich auf und sorgte dafür, dass der Druck nachließ und ich somit ein wenig klarer im Kopf wurde. Mir blieb nichts anderes übrig, als mitzuspielen, in einem Spiel, das ich nicht kannte.

Vorsichtig streifte ich mit den Fingerspitzen über meine rechte Gesichtshälfte, jedoch schien alles normal zu sein. Ein wenig angeschwollen, aber nicht schmerzhaft. Erleichtert darüber, dass mich nun nicht alle mit einem blauen Auge sahen, griff ich nach sauberer Kleidung und durchquerte den Raum, um ins Bad zu gelangen.

Heute wartete Kate nicht mit Zornesröte im Gesicht auf mich. Sie blieb die Zeit über völlig verschollen, in der ich mich wusch und das Kleid überstreifte, indessen Tasche ich einen kleinen Dolch stopfte, der auf einem Handtuchstapel für mich drapiert worden war. Ich wollte gar nicht daran denken, was ich damit alles anstellen sollte, sondern ließ ihn wortlos verschwinden. Das ich ihn bei mir trug hieß nicht, dass ich von ihm Gebrauch machen werde. Dafür war ich einfach viel zu schwach. Wirklich schwach. Ich wusste noch nicht einmal, ob ich wirklich auf jemanden zielen würde, wenn er mich ernsthaft bedrohte. Ob ich fähig war, ihm das Leben zu rauben. Ich schluckte bitter, während ich versuchte mit dem Kamm durch meine zerzausten Haare zu kommen, die in alle Himmelsrichtungen ab standen. In diesem Moment entsprach ich vollkommen dem Klischee des verstreuten Professors, der nichts lieber tun würde, als wieder schlafen zu gehen. Warum musste das auch alles so furchtbar kompliziert sein?

Frustriert öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer und wäre fast in Kate hinein gelaufen, die im selbem Moment hatte ins Bad gehen wollen. Völlig hysterisch griff sie nach meiner Hand und schien sich gar nicht wirklich bewusst, dass sie in meinem Privatraum war.

„Das musst du dir ansehen!" kreischte sie. Ihre blauen Haare waren wirr durcheinander und ihre sonst so aufrechte selbstbewusste Haltung war vollends verschwunden und hatte einer aufgelösten krummen Platz gemacht. Sie war außer sich, obschon sie mir noch nicht erklärt hatte, warum. Sie platzte beinahe vor Furcht und in ihren Augen lag etwas, das mir einen Schauder den Rücken hinunter jagte. Noch nie hatte ich sie so gesehen und ich war mir sicher, das es nur wenige Zeitpunkte in ihrem Leben gegeben hat, wo sie so neben sich gestanden hat.

Wächter der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt