Viertes Kapitel

749 61 17
                                    

Als ich unschlüssig die Tür hinter mir zuzog, entdeckte ich sofort das bizarre violette Auge auf Höhe des Knaufs, das es anscheinend zweimal zu gegen schien. Doch dieses mal gab es keine herablassenden Kommentare von sich, sondern war stattdessen hektisch damit beschäftigt, zwischen mir und etwas hinter mir hin und her zu blicken, dass ich Angst bekam, der Augapfel würde aus der Höhle herausspringen. Die Bewegungen des Knaufs wurden hysterischer und es versuchte fieberhaft mir etwas mitteilen und, so war ich mir sicher, hätte es Arme besessen, so würden diese nun längst fuchtelnd und wild gestikulierend durch die Luft wirbeln.

Um es zu besänftigen drehte ich mich um. Der Blick einer etwas müden Olivia begegnete mir, während sie sich mir langsam von der anderen Seite des kreisförmigen Gewölbes, das schlichter nicht hätte sein können, entgegen kam.

Die Wände waren in einem eintönigen weiß gehalten und stimmten mit dem schlichten Marmorboden des Raumes überein. In den kahlen Stein waren die mir nur allzu bekannten lateinischen Worte als bronzefarbenen Letter eingemeißelt.

Protégé sont les connaisseurs et les enfants des anges

Sie waren an etlichen Stellen mit metallenen Dornen und blitzartigen Formen versehen, die den Eindruck vermittelten, sie würden aus dem Boden hervor steigen und an den massiven Gargoyle Figuren, empor klettern, wie die Ranken eines Rosenstrauchs.

Die gekrümmten Steinfiguren trugen eine schmucklose Auflage eines Tisches. Ihren verzerrten Gesichtern waren absonderliche Illustration von Schmerz und Leid und ihre leeren Augenhöhlen verbreiteten eine stille Art von Entsetzen, sodass mir gleich ein wenig kälter wurde. Man konnte nicht meinen, die Interessen der hier Lebenden wären nicht extravagant.

Der einzige farbige Punkt in diesem abschreckenden Raum, ich verstand immer mehr, warum uns keiner gefolgt war, ich würde auch alles dafür tun um hier nicht mehr aufkreuzen zu müssen, war die Kleidung des Mannes, der ruhig hinter dem Tisch auf einem Stuhl ruhte.

Sein etwas wässrigen Augen waren durchgehend stumm auf mich gerichtet.

Es war Fergus, vermutete ich mal, immerhin konnte ich hier niemanden sonst aus mache und eben, auf dem Flur, hatte Olivia die Person hinter der Tür Fergus genannt.

Und ich behielt Recht. Wenige Momente nachdem ich es gedacht hatte, erhielt ich eine Antwort. Noch während das pochende Gefühl in meinem Kopf wieder zum Leben erweckt wurde und ungnädig mit voller Kraft zurück kehrte, hörte ich die leicht krächzende Stimme, die Olivia und ich schon zuvor auf dem Flur mithilfe des Auges vernehmen konnten.

„Sie werden sich hier wie jeder andere auch verhalten müssen, Miss Evelyn Hunter. Es tut mir ausgesprochen leid, dass es sich nicht ermöglichen ließ, Sie gerecht zu empfangen, doch ich hatte mit Sache deutlich wichtigeren Grades zu kämpfen" vernahm ich seine Stimme „Sie wurden wegen eines äußerst wichtigen Grundes hierher geholt. Ich habe ihn Ihnen in den Blättern, die Mr. DeQuincy Ihnen freundlicher Weise überreicht hat, näher erläutert. Die Seiten werden die helfen, dich zurechtzufinden. Viel Glück Miss Evelyn Hunter und geben Sie dem Institut eine Chance, Sie werden es nicht bereuen" er lächelte kurz, wobei kleine Lachfältchen um seine Augen hervortraten, welche sein hohes Alter für diesen Moment noch ein wenig mehr unterstrichen. Auf eine seltsame Art und Weise wirkte das Lächeln beruhigend, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm war. Ein Sturm, der bald kommen würde und in dem Fergus Fensher eine besondere Rolle spielen würde, ich spürte es. Dieses unangenehme Ziehen. Die seltsame Situation. Es war ein komische Mischung aus Vertrauen und Misstrauen, die mein Hirn hoffnungslos überforderte.

Und auch wenn Mr. Fensher menschlich wirkte und sein Lächeln mit hoher Wahrscheinlichkeit ernst gemeint, konnte ich nicht anders, als ihm argwöhnisch entgegen zu blicken. Menschen konnten sich ändern, sich hinter einer Maske verbergen und nichts sprach dagegen, dass Mr. Fensher den venezianischen Maskenball mochte. Sich gern verkleidete und verstellte. Noch konnte ich niemandem trauen, nicht einmal dem Türknauf. Dem bestimmt am aller wenigsten. Sympathie konnte gefährlich sein, nicht unbedingt kontraproduktiv, nur gefährlich. Mein Vater vertraute selten jemandem gänzlich und ich machte es ihm gleich. Der Schein konnte trügen und auch wenn Fergus Fensher vorgab, dass es ihm wirklich am Herzen lag, dass ich den Grund erfuhr, so konnte er auch nur schlicht und ergreifend lügen. Ich musste vorsichtig sein. Ich war unter Wesen, die anders waren. Die mir Angst einjagten und die ich nicht kannte. Ich wusste nicht, was sie machten. Wie sie lernten. Wie sie lebten. Ich würde es herausfinden müssen und ich musste mir sicher bei den Wesen sein, denen ich vertraute, denn besonders vertrauenerweckend erschien mir dieses Institut nicht. Ich musste herausfinden, wer sie waren.

Wächter der ZeitUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum