Dreizehntes Kapitel

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Die feinen Härchen meines Nacken stellten sich auf und ein kalter Schauder lief mir den Rücken hinunter, während Jem meine erstarrte Hand ergriff und blindlings los stolperte, ohne auf ein weiteres Wort von mir zu warten, da allein meine Augen verrieten, welch Gefühlssturm in mir aufbrandete. Seine Augen waren Schreckens geweitet und wie in Trance nahm ich wahr, wie er meinen Dolch eilig auf hob und dann zwischen den Grabsteinen entlang taumelte, um den Rand der Lichtung zu erreichen. Angst keimte in mir, riss die Kontrolle über mein Herz an sich und ließ es schneller gegen meine Rippen schlagen. Beinahe meinte ich, den Schmerz zu spüren, als wolle jemand es mir entreißen und in Stücke zerfetzen. Sie betäubte mein Gehirn und sorgte dafür, dass mir Tränen in die Augen schossen, mein Blickfeld verschwimmen ließen und ich Jem nur noch verzerrt vor mir sah, als würde ich ihn unter der glitzernden Wasseroberfläche des Meeres beobachten. Es schien, als würde ich das stechende Salz in meinen Augenhöhlen spüren und reflexartig schloss ich die Augen. Das silberne Mondlicht erlosch, das Rauschen in meinen Ohren steigerte sich zu einem Dröhnen und noch immer hörte ich den Schrei in meinem Kopf nachhallen, der nun aus nichts mehr zu bestehen schien, außer aus Nebel, der das unheimliche Echo erzeugte.

Augenblicklich wurde mir eiskalt und ich schlang meinen freien Arm um meinen bebenden Oberkörper. Meine Nägel gruben sich durch mein dünnes Gewand in das Fleisch, doch ich spürte das flammende Brennen in diesem Moment nicht. Erst binnen Sekunden danach, als es sich über mein Schulterblatt nach oben zog und meinen Hals blockierte, mir die Luft zum Atmen stahl und ich heftig hustete, um Sauerstoff in meine schreiende Lunge zu pumpen, die sich schäumend aufbäumte und mich gänzlich stoppte.

Mitten in der Bewegung hielt ich inne, vor einem schlichten silbrigen Grabstein, der von Unkraut und Efeu bewuchert war und den Anschein erweckte, schon länger nicht gepflegt worden zu sein. Er war klamm und feucht, als ich meine zitternden Finger senkte, um das kühle Material zu berühren, dass in mir eine unheilvolle Stille auslöste, die meine Gedanken lahmlegte.

Ruckartig drehte James sich um, er schien Wörter zu brüllen, doch ich verstand sie nicht, da das stetige Kreischen in meinem Gehör alles übertönte. In seinen Augen lag ein fiebriger Glanz und auf seiner Stirn hatte sich ein dünner Schweißfilm gebildet, der das unheimliche schimmernde Licht reflektierte und seine nun stärker blutende Wunde nur noch mehr von seinem Untergrund abhob. Alles an ihm spiegelte seine Angst vor dem ungewissen und als er mein Gesicht in die Hände nahm, um mich aus meiner Starre zu schütteln, konnte ich seinen wummernden Herzschlag in seiner Brust hören, die sich schnell hob und senkte. Der Dolch schnitt mir in die Wange und hinterließ ein kleines Rinnsal an Blut, das mir das Kinn hinunter auf meine Kleidung tropfte, wo es sich mit Dreck zusammenmischte und eine seltsame Kombination erzeugte. Er murmelte keine entschuldigenden Worte, stattdessen heftete er seinen Blick hinter mich, jedoch nicht ohne zuvor mich wieder loszulassen. Er so älter aus, die Furcht untermalte seine müden Augen und die dunklen Ringe unter ihnen. Der Dreck zeichnete seine Wangenknochen nach und sein verkniffener Blick zeugte davon, dass ihm die ganze Situation nicht gefiel. Niemals hätte er sich erträumen können, dass so etwas mit ihm geschehen würde und mich ließ das verzweifelte Murmeln in der hintersten Ecke meines Gedächtnisses nicht los, dass mir sagte, lieber wolle er mich nun loswerden, als mit mir Seite an Seite zusammen kämpfen. Gegen einen mächtigen Gegner, jemand, der heute diesen hellen Schrei der Überraschung und des Schmerzes erzeugt hatte.

Doch ich konnte noch etwas anderes in seinen Blick erkennen. Entschlossenheit. Was auch immer es war, er wollte es aus dem Weg schaffen, ohne daran gehindert zu werden. Er hatte es gehört, es hatte seine Glieder verschreckt kapitulieren lassen, doch nun würde er die Kreatur dafür bestrafen, was auch immer sie getan hatte.

Mit einem Mal kehrten die normalen Geräusche zurück und ich schnappte hörbar nach Luft, als sie auf mich niederprasselten. Wie ein Sturzregen aus dem Geräusch des Windes in den Wipfeln der Bäume und den bekannten Lauten des Waldes, der mich zu erschlagen drohte. Ich presste die Handflächen auf an mein Gesicht, um mein zerfetzendes Trommelfeld zu schützen und gebe einen spitzen Laut von mir, der Jem zu lösen scheint, denn plötzlich fand er seine Sprache wieder.

Wächter der ZeitWhere stories live. Discover now