Siebtes Kapitel

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Ein beißender Schmerz weckte mich aus meinem traumlosen Schlaf und ließ mich in meinem Bett hoch schrecken. Meine steifen Glieder taten von der verdrehten Form meines Körpers weh und bei jeder auch noch so kleinen Bewegung durchfuhr mich ein dumpfes Gefühl, als würden die Gelenke und Knochen direkt übereinander schaben.

Leise stöhnend setzte ich mich auf. Ich brauchte eine Sekunden, bis meine Augen sich an die, noch herrschende, Dunkelheit gewöhnten. Vor mir befanden sich schemenhaft die Umrisse mehrerer massiver Möbel, die denen von zuhause nicht im geringsten ähnelten, und die nehmen den beiden Türen prangten breite Steinsäulen, die das Maß einer normalen gehörig übertraten. Mir viel es wie Schuppen vor die Augen, das Gespräch mitten in der Nacht. Irgendwie wirkte es noch immer angsteinflößend, so wie alles hier. Und doch faszinierte es mich. Ich war schon immer Änderungen gewöhnt gewesen, was blieb mir auch anderes über, bei einem Vater, der aufgrund seiner Arbeit die ganze Welt umkreiste. Man musste anpassungsfähig sein und das war auch das Einzige, das mein Vater mir ohne Gnade eingetrichtert hat, in welcher Form auch immer. Da war für Gefühle oder gar Freunde nicht allzu viel Platz. Jedoch war dies nie in Form eines Internats gewesen, da mein Vater die Auffassung vertrat, niemand brauche eine so große Gesellschaft, um gut lernen zu können. Alleine sein man zu viel mehr fähig als mit Ablenkungspotenzial durch Freundschaft.

Ich zuckte mit den Schultern, es hatte keinen Sinn, sich über etwas den Kopf zu zerbrechen, von dem man kaum Ahnung hatte. Ich vertraute meinem Vater. Warum also nicht auch hierbei? Es muss etwas geben, dass ihn dazu gebracht hat, mich an einen Ort zu schicken, an dem Hexenwesen – oder was sie auch immer waren – vertreten waren. Auch wenn ich mir nicht erklären konnte, wie er in Verbindung mit denen gekommen war. Die, die man nur aus Märchenbüchern oder Jugendromanen kannte und die niemals real existieren könnten.

Jedoch blieb mir nichts anderes übrig, als hier zu bleiben, denn meine Eltern darum zu bitten, mich von hier fort zunehmen, wäre kein leichtes Unterfangen und würde sie bestimmt an ihre Grenzen der Gelassenheit treiben. Sie hassten Veränderungen. Und dies wäre eine verdammt große, daran bestand keinen Zweifel. Zudem könnten sie auch schon in Mexiko sein oder auf den Philippinen, seine Aufträge kamen häufig recht spontan, was ihn jedes Mal aufs neue wütend stimmte, und er musste ihnen allen nachgehen. Da passierte es schon einmal, das man als Tochter nicht wusste, in welchem Land sich gerade seinen Eltern aufhielten. Das ich zu dieser Gruppe von Jugendlichen gehörte, war dann das andere Problem.

Von daher konnte ich das Fliehen aus diesem Internat auf eine ganz andere Liste stellen, die weit die Grenze des Legalen überschritt. Wer durfte schon ein Gelände verlassen, dass mehrmals gesichert wurde und von dem versprochen wurde, das niemand hinein oder hinaus könne, wenn er es darauf abgesehen hat, den Lehrlingen hier Schaden zu zufügen. Hier wurde für gesorgt, das man hier blieb und das aus einem bestimmten Grund. Menschen waren unzurechnungsfähig und sie würden mit aller Sicherheit – im Namen jedes Wächters – das Risiko nicht eingehen, einen Menschen in die andere Welt zu setzten, der all das zu Gesicht bekommen hat. Sie sind nicht dumm. Und ich wäre es, wenn ich glauben würde, es wäre ein leichtes Unterfangen hier heraus zu kommen. Wenn sie eines beteuerten, dann die Sicherheit des Londoner Instituts und die der Time High School.

Dennoch hinterließ jede neue Bekanntschaft mit ihnen ein komisches Gefühl in meine Magengrube zurück. Sie waren anders. Und das Erschreckendste war, dass sie in meiner Welt – in der da draußen - nicht existierten. Weder als Tier noch als ein anderes Lebewesen. Sie waren wie schwarze Passagiere auf einem Dampfschiff. Nicht bekannt, schwierig zu finden und nicht anerkannt und willkommen, wenn man sie dann doch fand.

Das zu verarbeiten war schwierig. Und ich wusste nicht, ob ich je diesen Prozess beenden konnte. Auch wenn meine Großeltern immer sagten, ich sei nicht schwach, so war ich es in dieser Situation – in diesem Moment – doch. Sie wurden auch nicht von Gedanken klauenden Wesen beschattet und hatten mit denen abgehängt. Ganz im Gegenteil zu mir.

Wächter der ZeitWhere stories live. Discover now