Neunzehntes Kapitel

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Es waren die gleißenden Schmerzen, die dem wirbelnden Nebel jäh ein Ende setzten, welcher zuvor vereinzelte Erinnerungsfetzen zurückbrachte in meinen geschundenen Schädel brachte. Das Gefühl von beißender Kälte durchfuhr meinen Körper und sorgte dafür, das jegliche Wärme meinem Körper wich, die mich zuvor noch Besinnung gehalten hatte. Nun war ich allein. Verlassen in der eisigen Nacht, das Sternenzelt über mir ausgebreitet, während die Ruhe sich langsam über mich ausbreitete und die Glut in meinen Gedanken kühlte, so dass das mich peinigende Zerreißen meiner schimmernden Gedankenfäden versiegte und ich in der Lage war, sie vereinzelt aufzulesen, um sie zu einem undurchdringlichen scheinenden Geflecht zu fertigen, welches jeglicher Art von Angriff und gewaltsamen Eindringens Stand halten würde. Mein Atem ging rasselnd und gepresst, wobei ich verzweifelt versuchte, mein rasenden flachen Herzschlag zu beruhigen, welcher das dumpfe Schlagen in meinen Ohren verursachte, das es mir verhinderte, jegliche Geräusche um mich herum wahrzunehmen.

Meine Lippen schmeckten salzig vom Schweiß und den Tränen und ich schmeckte Blut, wo sie durch den Aufprall von Kates Faust aufgeplatzt waren. Kates Faust, wie sie auf mich einschlug, während ich vollkommen regungslos auf dem weichen Moos verharrte, unfähig meinen Körper davon zu überzeugen, mich zu wehren, mich aufzurichten und Kate daran zu hindern, meinen Geist zu zerreißen und meinen Körper zu schinden. Der Schmerz und die Gewalt zogen in Bildern vor meinem inneren Auge vorbei, ein Band an Erinnerungen und Farben, die in den letzten Momenten in Vergessenheit geraten waren. Ich spürte noch immer, ihren Zorn und Hohn, wie er mich beengte und mich zwang in die Knie zu gehen. Sie war mir überlegen gewesen, ihre Finger, wie sie sich um meinen Hals schlossen, dazu gewillt, mir die Luft zu nehmen, wobei es ein befreiendes Gefühl gewesen war, als hätte sich jegliche Last von meinen Schultern gelöst, als habe ich in der Luft geschwebt, dazu verdammt, die Welt nun von oben herab in all seinen Verzerrungen und Lügen beobachten zu müssen. Ihre klammen Finger hatten auf meiner erhitzten nackten Haut gebrannt. Brandmale, die ich fortan als ein Teil meines Selbst tragen musste. Ich habe sie verloren. Es war nicht ihr Argwohn oder ihre Aggressivität gewesen, die mich davon überzeugt hatte, dass dies ihr eigenes Werk war, es war ihre Entschlossenheit, die davon strotzte, mir nach dem Leben zu trachten. Ihre Gewandtheit, mich da zu verletzten, wo ich am ehesten verwundbar war. Sie kannte mich besser als jeder andere im Londoner Institut. Sie mochte mich, dem war ich mir sicher, und in diesem Moment musste sie das abgelegt haben, was sie all die Zeit davon abgehalten hatte, mich zu vernichten. All das, was sie zurückhielt, hat sie in dem Moment, als sie mich zu Fall brachte, meine Ergebenheit erzwang, verlassen. Die Moral, die Richtlinien dieses Instituts. Sie muss es vergessen haben. Eine gefährliche Raubkatze, in dessen Augen ich den Tod hatte sich spiegeln sehen. Sie hatten gefunkelt, sie ist förmlich aufgeblüht, während sie sich mit ihrer körperlichen Kraft gegen meine geistliche Willensstärke und meine Seele auflehnte. Sie brauchte keine Waffen, um mich niederzustrecken. Sie brauchte nicht ihre Überlegenheit und die lebenslange Erfahrung, jemandem derartige Schmerzen zuzufügen oder den Kopf vom Rumpf zu trennen. Als sich das Licht der aufsteigenden Morgensonne in ihren blauen Haaren brach, das kupferne strahlende Rot auf ihr dumpfes leuchtendes Blau, wie das schäumende grünlich wirkende Meer, traf, hatte ich mit meinem Gewissen vereinbart, mich ihr zu ergeben. Kein Widerstand, keine verzweifelten Versuche, ihre Hiebe abzuwehren. Lediglich der flehende Blick, als sich ihre Finger um meinen Hals schlossen. Ich konnte mich nicht wehren. All die Stunden, in denen ich mich in etwas verwandeln wollte, dass ihr ähnelte, waren verblasst, all die Überzeugung, zu einem Krieger aufzustreben beruhend auf der Tapferkeit und der Ruhe des Geistes. Vor Abscheu versuchte ich die Erinnerungen beiseite zu schieben und mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Weißer Wasserdampf stand mir vor dem Mund, während ich tief einatmend versuchte, das Flattern meines Herzens und das schnelle Pulsieren meines Herzschlags zu unterbinden. Meine Finger verfärbten sich vor Kälte leicht blau und hoben sich markant von meiner Kampfkleidung ab, die sich noch immer an meinen Körper schmiegte. Das Leder war nicht wirklich wärmend, da der auf meiner Haut glitzernde Schweiß mich daran hinderte, mich von der fremden Wärme zu schützen. Vor Kälte zitternd schlang ich meine Arme um meine Beine, obwohl die Schmerzen in meinem Rücken bei dieser Bewegung aufkeuchen ließen, wobei mein Blickfeld sich verklärte und zu einem nächtlichen Strudel verschwamm, welche lediglich von dem klaren Licht der einzelnen Sterne durchbrochen wurde.

Wächter der ZeitWhere stories live. Discover now