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Wie versteinert standen wir da und starrten auf Bills leblosen Körper. Er sah so friedlich aus, als würde er nur schlafen. Doch das Heben und Senken seines Brustkorbs fehlte und verriet, dass er nicht schlief.
Noch immer hielt ich Connors Hand krampfhaft fest. Er war im Moment mein einziger Halt, denn ich hatte das Gefühl gleich umzufallen.
Es herrschte eine furchtbare Leere in mir und keiner von uns beiden rührte sich. Jetzt waren wir allein. Bill war fort.

Tränen bahnten sich ihren Weg aus meine Augen. Ich spürte, wie sie meine Wangen herunter flossen.
Mein Weinen verwandelte sich in Schluchzen und ich war völlig durcheinander.
Ich hatte Bill eigentlich kaum gekannt und trotzdem tat mir sein Tod so unendlich weh. Ich wusste so gut wie  nichts über ihn und hatte nie viel mit ihm gesprochen und trotzdem tat es weh.
Auch Connors Wangen waren nass vor Tränen, als er mich in den Arm nahm. Fest drückte er mich an sich und mein Körper begann zu beben.
Ich konnte an nichts denken. Ich konnte nur weinen, doch dieses schmerzhafte Gefühl ging nicht weg.
Connors Umarmung wurde fester und ich spürte, dass auch er Halt bei mir suchte.
Eine gefühlte Ewigkeit standen wir einfach so da, bis ich mich total ausgelaugt füllte. Langsam lösten wir uns wieder voneinander, doch ich hatte immer noch das Gefühl jeden Moment auf den Boden zu sinken.
Wieder wanderte mein Blick zu Bill. Sein Anblick riss mir den Boden unter den Füßen weg.
Ich konnte ihn nicht länger ansehen, es ging nicht. Entsetzt drehte ich mich weg und setzte mich, angelehnt an die Wand, auf den kalten Betonboden.

Connor tat es mir gleich und so saßen wir nebeneinander da. Den Blick starr in die Luft gerichtet und völlig geistesabwesend. Keiner sagte auch nur ein Wort oder gab einen Tom von sich.
Es herrschte quälende und erdrückende Stille.
Ich fühlte mich total leer. Mein Kopf war leer, meine Gedanken waren leer. In mir herrschte völlige Leere.
Ich konnte nicht mehr weinen, weil ich keine Tränen mehr übrig hatte. Meine Augen brannten und mein Mund war trocken.
Wie konnte mich der Tod eines Menschen, den ich nie richtig gekannt hatte, so fertig machen?
Doch ich wusste die Antwort.

Ich denke, wenn du mit diesem Menschen ums Überleben gekämpft hast, wenn du dich mit ihm durch einen Krieg geschlagen hast und mit ihm eine Geiselnahme überlebt hast, dann ist der Tod dieser Person mindestens genauso schlimm, wie der eines Menschen, denn du schon ewig gekannt hast.
Bill war ein Kämpfer. Er hatte uns einige Male das Leben gerettet. Wer weiß, wo wir jetzt wären, wenn er nicht bei uns gewesen wäre.

Ich musste an seine Frau denken und an sein noch ungeborenes Kind. Seine Worte waren so herzzerreißend gewesen. Wie schlimm wird es wohl für sie sein? Ich wüsste nicht, was ich an ihrer Stelle tun würde.
Ich wusste nicht was wir jetzt tun sollten.
Wir konnten nur auf die Einheit warten, falls sie jemals kommen werden.
Plötzlich spürte ich Wut in mir aufsteigen.
Wut auf das Militär. Wut auf uns. Hätten wir uns mehr beeilt, dieses dämliche Funkgerät zu reparieren, dann hätten wir mehr Zeit gespart.
Und wieso brauchte diese Einheit so lange?
Hatte das Militär keine Helikopter?Damit hätten sie uns in wenigen Minuten hier abholen können und Bill wäre noch am Leben. Verdammte Scheiße.
Meine Wut ging über zum Colonel. Ich erinnerte mich wieder an seine Worte, als er uns einfach bei den Terroristen gelassen hat.

Mein Entschluss steht fest und ich werde nicht lange überlegen. Ich habe Befehle und die muss ich befolgen. Adriana sag Connor, es tut mir Leid."

Das waren die Worte gewesen mit denen er das Gespräch beendet hatte und uns bei den Terroristen unserem Schicksal überließ.
Ich hatte es Connor nie erzählt, weil ich nicht den Mut und die Kraft dazu hatte, nachdem ich fast vergewaltigt wurde. Wer weiß, wahrscheinlich hatte ich auch das dem Colonel zu verdanken. Schließlich war er es, der den Anführer der Terroristen so wütend gemacht hatte, dass er seinen Männer erlaubte alles mit mir zu  machen.

„Das ist alles die Schuld des Colonels." durchbrachen meine Worte die Stille.
Verwirrt blickte mich Connor an. Auch seine Augen blickten mich nur leer an.
„Wir sind dem doch egal. Sie hätten uns längst mir ihren Helikoptern holen können. Dann wäre Bill rechtzeitig operiert worden und dann würde er jetzt noch leben." schrie ich herum.
„Das können wir nicht wissen. Der Colonel tut alles was er kann, um..."

„Nein, das tut er nicht. Du hast ja keine Ahnung. Er hat uns bei den Terroristen im Stich gelassen. Wir interessieren ihn einen Scheißdreck."
„Wie meinst du das?" fragend musterte er mich.
„Herrgott Connor. Ich war dabei. Als die Terroristen mich aus unserer Zelle gezerrt hatten, brachten sie mich zum Anführer, der den Colonel kontaktiert hatte. Wir waren Geiseln. Ein Druckmittel, um den Präsidenten zu erhalten. Doch der Colonel weigerte sich ihn auszuliefern und lies uns einfach bei dem Terroristen versauern."

Er legte seine Stirn in Falten. Dann blickte er mich an. In Connors Augen kehrte das Leben zurück und die Leere verschwand. Ich konnte Enttäuschung und Wut in ihnen aufblitzen sehen.
„Wieso hast du das nicht früher erzählt?"
„Weil ich beim besten Willen keine Kraft dazu hatte.“ ich senkte meinen Kopf und bedauerte meine Schwäche. Ich hätte es ihm wirklich sagen sollen. Doch ich war nicht stark genug gewesen. Aber was hätte das geändert? Gar nichts!
Bill wäre trotzdem angeschossen worden und er wäre trotzdem gestorben.
Erneut spürte ich heiße Tränen in meinen Augen.
Wie konnte eine Mensch nur so viel Tränen haben?
Wieder stürmte eine ganze Welle Gefühle auf mich ein.
Wut, Angst, Trauer, Schuldgefühle.
Connors Arm legte sich um meine Schultern und drückte mich an sich, während er mit der anderen Hand meine Hand festhielt.
Sie war warm und es tat gut die Wärme von ihm, durch meinen eiskalten Körper fließen zu spüren

Wir saßen noch eine Weile so da und vielleicht sind wir auch kurzzeitig eingeschlafen, als wir plötzlich von draußen Motorenlärm hörten.

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