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Wir rannten die Gänge entlang.
Schwarzer Rauch schlängelte sich aus Löchern der beschädigten Wände. Überall lag Schutt und abgebröckelter Putz von der Decke, die tausend Risse durchzogen. Einige waren klein, aber manche waren so groß, dass man jeden Moment mit dem Einsturz der Decke rechnen konnte.
Ich rannte mit Connor voran. Lucas, Daniel und der andere Soldat folgten uns auf Schritt und Tritt.
Wir wichen den großen Betonbrocken aus unter denen hin und wieder ein Terrorist ohne jegliches Lebenszeichen lag.
Der Ausgang war unser Ziel.
Aus diesem einstürzenden Grab zu entkommen war unser Ziel.
Und wir würden es erreichen, wären da nicht diese Schüsse, die plötzlich zu hören waren.
Sofort blieben wir alle stehen.
Nacheinander drückten wir uns an eine Wand und lauschten.
Die Schüsse und Schreie waren näher, als gedacht.
Es hörte sich beinahe so an, als würden wir hinter der nächsten Ecke ihren Ursprung finden.
Die Angreifer dürfen uns nicht entdecken.
Keiner dufte uns entdecken, sonst konnten wir die Flucht aufs Neue vergessen.

Vorsichtig spähte Connor um die Ecke
„Und siehst du etwas?" flüsterte ich zu ihm herüber, aber er schüttelte nur den Kopf.
„Da ist ein langer Gang. Aber keine Menschenseele. Am Ende ist ein grünes Ausgangsschild, dem wir folgen sollten." beschrieb er uns seine Sicht.
„Na dann, nichts wie hin." sagte der andere Soldat und wollte gerade losrennen, als Connor ihn am Arm packte und zurückzog.
„Warte. Da kommt jemand."
Connor zog ihn zurück an die Wand und gab uns zu verstehen leise zu sein.
Keiner von uns machte mehr einen Mucks.
Jeder lauschte. Jeder hörte die Schüsse und das Gebrüll in der Ferne.
Ich musste mich anstrengen, um überhaupt etwas anderes zu hören.
Ich blendete den Lärm aus und konzentrierte mich auf die schweren Schritte, die immer lauter wurden.

Sie kamen näher. Sie schienen den Gang zu uns entlang zu laufen. Und sie kamen direkt in unsere Richtung.
Sie konnten jeden Moment um die Ecke gerauscht kommen und uns entdecken.
Ich hielt meine Waffe schussbereit und legte den Finger auf den Abzug.
Die Schritte waren so nah. Sie kamen näher, immer näher.
Sie hatten uns gleich erreicht.
Plötzlich schoss jemand eine ganze Salve los.
Ein Anderer stöhnte auf und ging schwer zu Boden.
Dann herrschte wieder Ruhe.
Sogar die Schüsse in der Ferne hatten aufgehört.
Es herrschte im Moment einfach absolute Stille.
Das Einzige, was zu hören war, war unser schweres Atmen und das Knistern von Feuer weit hinter uns.
Nach einer Weile sah Connor erneut um die Ecke und trat dann ganz in den Gang vor.
Mit einem Handwinken gab er uns zu verstehen, ihm zu folgen.
Als ich in den Gang trat, fiel mir sofort der tote Terroristen mit der Schusswunde im Rücken auf, der mitten im Gang lag.
Wir hatten ihn kommen hören, aber wer war derjenige der ihn am Weiterkommen gehindert hatte?
Und die viel wichtigere Frage: Wo war dieser jetzt?

Ohne lang zu überlegen, rannten wir Richtung Ausgangsschild.
Wir durften keine Zeit mehr verlieren.
Das Schild führte uns durch weitere Gänge und ich kam mir erneut vor, wie im Irrgarten.
Wie konnte ein Gebäude nur so groß sein?
Und gerade, als wir hofften, endlich einen Notausgang gefunden zu haben, wartete davor eine unangenehme Überraschung.

„Nein, nein, nein. Das kann doch nicht wahr sein." brüllte Connor und trat gegen ein Stück der Decke, das zusammen mit tausend anderen und viel größeren Betonteilen die schwere Eisentür nach draußen versperrte.
Die Decke über uns war komplett eingestürzt und lag nun vor unseren Füßen.
„Wir müssen zurück. Einen anderen Ausgang finden." sanft legte ich eine Hand auf Connors Schulter, um ihn etwas zu beruhigen.
Nur nicht die Hoffnung verlieren.
Sie war das Letzte, was geblieben war.
„Adriana hat Recht. Wir müssen zurück. Wir sind vorher an einem anderen Gang vorbeigelaufen, von dem ich weiß, dass er zum Kontrollraum führt.
Die Gefahr dort auf Terroristen oder andere zu treffen ist zwar hoch, aber dort gibt es sicher Überwachungskameras oder Baupläne, um weitere Ausgänge zu finden."
„Dann los." Connors Blick war ernst und aufs Neue folgten wir ihm zurück.
Wir bogen den Weg ein, den Daniel vorgeschlagen hatte und tatsächlich kam mit dieser Gang bekannt vor.
Am Ende musste sich der Kontrollraum befinden.

Nur war der Boden voll mit Leichen.
Tote Terroristen. Alle erschossen füllten ihre Körper den Boden aus.
Ich wollte gar nicht genau hinsehen, aber ich suchte nach anderen Leichen.
Nach den Angreifern. Vielleicht konnten wir herausfinden, wer sich noch mit uns im Gebäude herumtrieb. Aber es waren nur Terroristen.
Vorsicht stapften wir über die Körper hinweg, bis wir endlich beim Kontrollraum angelangt waren.

„Er ist offen." Lukas deutete auf den sperrangelweit geöffneten Eingang.
Verwundert, aber vorsichtig, betraten wir den Raum.
Auch hier lagen verstreut Terroristen am Boden oder über den Schaltflächen der Computer.
Lampen hingen halb von der Decke und flackerten hin und wieder.
Einschusslöcher prägten die Monitore und umgeschmießenen Tische.
Überall lagen leere Patronenhülsen und Glassplitter.
Kurz gesagt: der Raum ist dem reinsten Chaos verfallen.

„Hier hat jemand ordentlich gewütet."
Der Soldat aus Connors Einheit schnalzte mit der Zunge.
„Die Monitore! Gehen die Überwachungskameras noch?" fragte Lucas und Connor machte sich sofort an der Schaltfläche zu schaffen.
Doch die kleinen Computer blieben schwarz oder gaben nur dieses statische Rauschen von sich.
Er drückte vergeblich irgenwelche Knöpfe, aber es änderte sich nicht.
Kopfschüttelnd schlug er hart mit den Fäusten auf die Knöpfe.
„Total im Arsch. Wir können nicht mal die Baupläne hervorrufen."

„Sieh mal einer an. Wer hat sich denn hier verirrt?"
Eine dunkle, raue Stimme ließ mir eine eiskalte Gänsehaut den Rücken herunter laufen.
Sofort drehten wir uns um.
Der Anführer stand mit einer handvoll Terroristen im Eingang und sah uns mit seinen dunklen Augen verachtend an.
„Und ich hatte schon gehofft ihr würdet zerquetscht unter den Betonbrocken liegen, wie die Mäuse in der Mausefalle."
Seine Stimme war in meinen Ohren wie das Geräusch von Fingernägeln, die über eine Tafel kratzten.
Einfach unertragbar.

„Da hast du wohl falsch gedacht. So leicht bringt uns nichts zur Strecke. Nicht mal dieses einstürzende, elende Loch. Aber wie ich sehe habt ihr mit anderen Problemen zu kämpfen."
sagte Connor mit gefährlich ruhiger Stimme, woraufhin der Widerling ihn wütend anfunkelte.
Zähneknirschend begann er seine AK neu zu laden.
„Deshalb muss ich meine Probleme jetzt beseitigen. Und ich beginne bei euch."
Plötzlich traten die Terroristen hinter ihm hervor und zielten auf uns.
In sekundenschnelle sprang ich mit Connor hinter einen der umgefallenen, metallernen Tische, um uns vor dem Kugelhagel, der nun auf uns einbrach, zu schützen.
Die anderen Drei hatten sich ebenfalls hinter Tischen und Schaltpulten in Deckung gebracht.

Connor richtete sich langsam auf und positionierte seine AK auf dem Tisch, um einen Terroristen direkt vor uns ins Visier zu nehmen und mit einem Schuss zu Boden zu bringen.
Daraufhin schnappte er sich noch einen, um dann gleich wieder in Deckung zu gehen, bevor die Kugeln seinen Kopf getroffen hätten.
Ich tat es ihm gleich.
Nur nutzte ich die Seite.
Nah am Boden und in Sicherheit vor den Terroristen, visierte ich einen der verhüllten Männer an, der sich Lucas und Daniel näherte.
Doch bevor er sie erreichen konnte, schoss ich los.
Er blieb regungslos liegen.

Die anderen Drei schossen ebenfalls so gut sie konnten und mit der Zeit verringerten wir die Zahl der Terroristen erheblich, bevor sie uns erreichen konnte.
Dennoch flogen weitere hundert Kugeln an uns vorbei und ich hatte Angst, dass der Tisch das nicht mehr lange mitmachen würde.
Den Terroristenanführer sah ich jedoch nicht.
Wahrscheinlich hatte der Feigling sich aus dem Raum verdrückt, bis seine Männer uns erledigt hatten.
Doch aus den übrigen Zehn wurden ganz schnell fünf Terroristen.
Jeder von uns schoss was das Zeug hielt und dann hörten die Terroristen plötzlich auf zu schießen.
Keine einzige Kugel traf mehr den Tisch oder zischte um haaresbreite an uns vorbei.
Hatten wir es geschafft? Waren sie alle tot?
Ich wollte gerade nachsehen, doch Connor hielt mich zurück.
Er gab auch den anderen ein Zeichen sich nicht zu bewegen.
Wir warteten.
Sekunden verstrichen und nichts geschah.
Fragend blickte ich Connor an, der nun vorsichtig über den Tisch spähte.

„Sie sind weg!"

SurviveWhere stories live. Discover now